Die Stasi hört mit

Der Radiosender "SWR2" hat am Montagmorgen in einer Wissenssendung erstmals Stasi-Abhörbänder im Radio gesendet. Die Abhörmethoden der DDR betrafen damals auch kirchliche Amtsträger. Betroffen war auch der Pfarrer Rainer Eppelmann aus Berlin, der von seinen Erfahrungen gegenüber pro berichtet.
Von PRO

Das DDR-Radio läuft im Hintergrund. Ein Klopfen auf eine metallische
Oberfläche ist zu hören: "Eins, zwei drei … Test." Zwei Mitarbeiter der
Staatssicherheit bringen eine Wanze in einer Wohnung an – und werden
dabei selbst überwacht. Die Staatssicherheit in der DDR hat nicht nur
Akten gesammelt, sondern auch Gespräche aufgezeichnet, mit und ohne
Wissen der Betroffenen. Insgesamt gab es 170.000 solcher Abhörbänder.
Nach der friedlichen Revolution blieben jedoch nur 28.000 übrig. Diese
Abhörbänder werden seit Jahren im Bundesarchiv für Stasi-Unterlagen in
Berlin aufgearbeitet und digitalisiert.
Erstmals sind jetzt Mitschnitte im "SWR2"-Radio gesendet worden, die die soziale Stimmung in dem jungen sozialistischen Staat widerspiegeln. Darin sind Aufzeichnungen von Gerichtsprozessen, Polizeifunksprüchen und Stasi-Konferenzen zu hören. Grund zur Sorge, dass Mitschnitte von einem selbst auf SWR2 gesendet werden, müssen Betroffene nicht haben. Zu hören sind nur Aufzeichnungen, die nicht unter das Datenschutzgesetz fallen.

Wanzen im Seelsorgezimmer

Zu Zeiten der DDR wurden auch kirchliche Amtsträger mit Wanzen abgehört. So wie der Pfarrer Rainer Eppelmann aus Berlin. Er arbeitete von 1974 bis 1989 zunächst als Hilfsprediger, dann als Pfarrer in der Berliner evangelischen Samariterkirchengemeinde im Ostberliner Bezirk Friedrichshain und war dort gleichzeitig Kreis-Jugendpfarrer. 1982 trat er gemeinsam mit dem DDR-Kritiker Robert Havemann im "Berliner Appell" für eine unabhängige gesamtdeutsche Friedensbewegung ein. Das machte Eppelmann nach eigenen Aussagen zum Staatsfeind Nummer eins der DDR. Die Staatssicherheit plante daher auch die Ermordung Eppelmanns.

"Ich bin vermutlich jahrelang abgehört worden", sagt Eppelmann heute gegenüber pro. "Ich hatte Wanzen in meiner Privat- und Pfarramtswohnung  entdeckt." Die Wanzen wurden systematisch in Eppelmanns Diensträumen mit zwei Seelsorgezimmern und seiner Privatwohnung angebracht.  Als er die Wanzen entdeckte, war nicht nur er beunruhigt:  "Innerhalb der Pfarrerschaft hat die Entdeckung eine große Aufmerksamkeit, Befürchtungen und Sorge hervorgerufen. Keiner hätte es für möglich gehalten, dass die Staatssicherheit so weit gehen und das geltende Recht mit Füßen treten würde", erzählt Eppelmann.

Ausländische Geheimdienste beschuldigt

Tatsächlich war die Überwachung strafrechtlich verboten und nur in Ausnahmefällen durch die Staatssicherheit begründet. Gemeinsam mit der kirchlichen Behörde erstattete Eppelmann Anzeige gegen Unbekannt. Doch dem Oberstaatsanwalt lagen keine Informationen darüber vor, dass die Staatssicherheit in Eppelmanns Wohnung abhören wollte. "Der Generalstaatsanwalt hatte nichts Ernsthaftes dagegen unternommen und auch kein Interesse daran, dies aufzudecken", sagt Eppelmann. Von Seiten des Oberstaatsanwaltes wurde der britische oder sowjetische Geheimdienst hinter den Wanzen vermutet, hieß es damals. Doch für Eppelmann ist klar: "Das konnte nur die Staatssicherheit sein."

Wie häufig Eppelmann aufgenommen wurde, weiß er bis heute nicht. "Für mich reichen die Akten aus, die über mich geführt wurden", sagt er im Gespräch mit pro. Er habe kein Interesse daran, einen Antrag beim Bundesarchiv für Stasi-Unterlagen zu stellen. Dort erfahren Betroffene, ob Aufzeichnungen von ihnen existieren. Bis heute konnten noch nicht alle 28.000 Abhörbänder bearbeitet und Personen zugeordnet werden. Dazu müssen diese zunächst komplett angehört und die aufgenommenen Personen identifiziert werden, weil keine Informationen zu den Kassetten vorhanden sind. Die Bearbeitung wird daher noch Jahre dauern.

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