Die spielerische Anwandlung der Reformation

Das sehenswerte Musiktheater „Play Luther“ in Stuttgart wirft mit Dramatik und Humor Schlaglichter auf den Werdegang des Reformators Martin Luther. Es vermittelt die Denkhaltungen des Mittelalters und liefert Deutungen für die Gegenwart. Eine Theaterkritik von Daniel Frick
Von PRO
Nachstellung des Reformationsgeschehens: Ullrich (l.) und Beyerbach spielen und kommentieren

Vielleicht begann alles mit einer Nuss. Der Bub Martin Luder griff sich eine, die vom Tisch der Mutter fiel, ließ sich bei der „Untat“ jedoch erwischen. Der gestrenge Herr Vater drohte ihm nicht nur mit Schlägen, sondern gleich mit dem Gericht eines wütenden Gottes. Nur Winseln um Gnade und Selbstkasteiung schienen den Höllengang gerade so noch abzuwenden.
Die erste Szene des Zwei-Mann-Theaterstücks „Play Luther“, das am Samstag in Stuttgart uraufgeführt wurde, mag sich so nicht zugetragen haben. Sie erklärt aber mit einem Schlag die Beklommenheit der Christen im Mittelalter, die alles vom Jüngsten Gericht her dachten und Gnade nur mithilfe des Ablasshandels zu finden glaubten. Von nun an bangen die Zuschauer Szene um Szene mit Luther, der auch noch als junger Mann mit bleibender Verzagtheit und Selbstkasteiung einen gnädigen Gott sucht.

Bildungstheater zum Jubiläum

Allein mit düsterem Drama wäre aber noch kein gutes Theater gemacht. Und so hat der Theaterautor Uwe Hoppe in die Szenen befreiende Komik eingeflochten. Die Entdeckung des Kerngedankens der Reformation, dass die Gnade allein gerecht macht, führt Hoppe etwa nicht auf einen Geistesblitz Luthers zurück, sondern auf dessen Unbeweglichkeit infolge einer Verstopfung. Mit dieser körperlichen Unbill geplagt, kann der Augustinermönch nicht die Schriften der Tradition zurate ziehen, sondern allein die Bibel, und entdeckt so in einer grandiosen Szene mit dem „sola scriptura“ das „sola gratia“.
Mit dieser Mischung aus Dramatik und Humor eignet sich das Theaterstück dazu, Jugendlichen das Reformationsgeschehen nahezubringen. Das ist durchaus im Sinne der Erfinder: Das Schauspiel ist als „mobiles Theaters“ konzipiert, Auftritte in Kirchen, Gemeinden und Schulen sind geplant, ebenso wie Unterrichtsmaterialien zur Vor- und Nachbereitung dieser bedeutsamen Geschichte, deren 500. Jubiläum ansteht.

Reformation und Gegenwart

Dieser äußeren Aufmachung kommt auch entgegen, dass die beiden Schauspieler Lukas Ullrich und Till Florian Beyerbach zwischen den Szenen aus ihrer Schauspielerrolle herausschlüpfen und die Bedeutung der Reformation für die Gegenwart kommentieren: Mit Sätzen wie „Heute würde man die Thesen auf Facebook hämmern“ erklären sie damals alltägliche Handlungen wie Thesenanschlag oder die Neuheit des Buchdrucks. Und was würde Luther zu heutigen wirtschaftlichen Exzessen sagen, wenn er damals schon die wirtschaftliche Ausbeutung der Bevölkerung durch den Ablasshandel der Kirche anprangerte?
Auf diese Weise holt das Stück die Reformation in die Gegenwart. Dies gelingt auch mit den musikalischen Einlagen an E-Piano und E-Schlagzeug: Dazu haben Ulrich und Beyerbach mithilfe des Komponisten Andrew Zbik vom Schauspiel Stuttgart die Lieder Luthers neu vertont. Stücke wie „Ein feste Burg ist unser Gott“ kommen nun in unterschiedlichen Stilrichtungen daher, von Volksmusik über Elektropop bis hin zu Metal.

Vielschichtiges Geschehen

In rund 90 Minuten vermittelt das Musiktheater einen Eindruck von der vielschichtigen Bedeutung der Reformation: „Vielleicht war Luther der größte deutsche Dichter überhaupt“, wird die Bibelübersetzung Luthers kommentiert. Das Stück verschweigt aber auch nicht Luthers Antijudaismus, dessen sich die Nationalsozialisten in ihrem Judenhass später bedienten.
Weder die Lieder noch die Texte wurden an diesem Samstag mit letzter Präzision gespielt. Aber für den Rahmen und die Absicht des Stückes fällt dies nicht so sehr ins Gewicht. Die Botschaft kommt an: Luther hat im Glauben Gottes Liebe gefunden. Das Stück resümiert: „Keine Angst zu haben, ist das Ziel.“ (pro)

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