Die Sehnsucht nach der grünen Aktie

Nachhaltige und ethische Investments versprechen Geldanlage mit gutem Gewissen. Kirchen geben dazu Empfehlungen, Fondsgesellschaften erweitern auf dem Gebiet ihr Angebot. Doch was nachhaltig ist, ist Interpretationssache.
Von Norbert Schäfer
Wer würde das nicht gerne? Auf einfache und ökologische Weise sein Vermögen vermehren.

Bei der Geldanlage wird das Thema Nachhaltigkeit zunehmend wichtiger. Umfragen zeigen, dass Anleger stärker auf verantwortungsvolle Investitionen ihrer Finanzen achten wollen. Nachhaltige, aber auch religiöse und ethische Investments versprechen Geldanlage mit gutem Gewissen. „Nachhaltiges Investieren ist sicherlich nicht das Allheilmittel gegen Waffen, Nahrungsmittelspekulationen, Klimawandel, Fracking und Menschenrechtsverletzungen, aber es ist Teil einer Lösung“, sagt der Investment- und Stiftungsberater Sebastian Mann. Er fand es „sinnbefreit“, sonntags in der Gemeinde für Frieden zu beten und montags bis freitags Investments mit Beteiligung an Rüstungsfirmen zu finanzieren. Das ist der Grund, warum Mann heute als Finanzberater mit Schwerpunkt auf Nachhaltigkeit Investoren begleitet.

Kaum ein anderer Finanzsektor habe in den vergangenen Jahren so viel Vermögenszuwachs erfahren wie der Bereich der nachhaltigen Investitionen und Geldanlagen, sagt Mann. Das „Forum nachhaltige Geldanlagen“ (FNG), der größte Fachverband für nachhaltiges Investieren in Deutschland, Österreich und der Schweiz, bestätigt das in seinem Marktbericht 2020 und weist im Vergleich zum Vorjahr ein Wachstum von 23 Prozent bei den nachhaltigen Geldanlagen aus.

Nachhaltig ist nicht gleich ökologisch

Wer sich auf die Suche nach nachhaltigen Geldanlagen begibt, stößt auf eine Fülle verwirrender Begriffe. Da gibt es ETFs („Exchanged Traded Funds“ – börsengehandelte Fonds, die einen Index nachbilden) und aktiv gemanagte Fonds, die im Namen die Bezeichnung führen wie ESG (für Finanzprodukte, die Kriterien für Umweltschutz, soziale Verantwortung und gute Unternehmensführung erfüllen, Englisch: Environmental, Social, Governance), SRI (für „Social Responsible Investment“, gesellschaftlich verantwortliche Kapitalanlagen) oder „Sustainable“ (nachhaltig). Oder die mit dem Hinweis „ex Tobacco“ oder „ex Alcohol“ Unternehmen der Tabak- und Alkoholherstellung ausschließen. „Das Problem ist, dass Nachhaltigkeit kein Begriff ist, der genau definiert ist. Genau so wenig wie die ESG- oder die SRI-Kriterien“, sagt Mann. Ein wirkliches Filtern der Finanzprodukte sei daher kaum möglich. Zudem bedeute „nachhaltig“ nicht immer „ökologisch“ oder „schöpfungsbewahrend“. „Es liegt im Ermessen des Anbieters, Produkte als nachhaltig zu betiteln“, sagt Naciye Atalay vom FNG. Ob es dem Nachhaltigkeitsverständnis des Anlegers entspreche, müsse er selbst prüfen. Wichtig sei, dass transparent dargelegt werde, was das angebotene Produkt als „nachhaltig“ auszeichne.

Manche Unternehmen versuchen, sich selbst ein umweltfreundliches und verantwortungsbewusstes Image zu verleihen, ohne bei ihren Aktivitäten wirklich auf ökologische oder soziale Fragen in höherem Maße Acht zu geben. „Greenwashing“ nennt sich das. Um für mehr Transparenz zu sorgen und Greenwashing einzudämmen, hat die EU-Kommission verschiedene Gesetzesvorhaben auf den Weg gebracht, erklärt Atalay. Etwa müssten im Rahmen einer Verordnung Nachhaltigkeitsaspekte von Produkten verbindlich offengelegt werden.

Als Mutter aller ESG-Kriterien dürften die „Principles for Responsible Investment“ gelten. Darin hat die UN 2006 sechs Prinzipien für verantwortungsvolle Investments erstellt. Der Initiative sind seit ihrem Start mehr als 2.500 institutionelle Investoren beigetreten, die insgesamt rund 90 Billionen US-Dollar an Anlagevolumen verwalten. Die Unterzeichner verpflichten sich, bei allen Aktivitäten den Schutz der Umwelt, die Einhaltung sozialer Standards und gute Unternehmensführung zu beachten und das auch von Unternehmen zu verlangen.

Dass Nachhaltigkeit beim Thema Geld wichtig ist, haben auch die Kirchen erkannt. Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken und die Deutsche Bischofskonferenz haben 2015 dazu eine Orientierungshilfe für die eigenen Finanzverantwortlichen veröffentlicht. Im Leitfaden heißt es: „Ethische Maßstäbe sind insbesondere der Schutz des menschlichen Lebens, die Einhaltung und Förderung der Menschenrechte, die Arbeitsbedingungen in Entwicklungsländern und die Bewahrung der natürlichen Umwelt.“ Nicht investiert werden soll in Unternehmen, die Pornografie anbieten, sich mit Stammzellenforschung beschäftigen, Abtreibungen durchführen oder denen Arbeitsrechtsverletzungen nachgewiesen wurde. Schwierig wird es da zum Beispiel bei der Bewertung eines Telekommunikationsunternehmens. Der Anleger darf davon ausgehen, dass das Unternehmen faire Löhne zahlt, Governance-Kriterien erfüllt und nicht gegen Menschenrechte verstößt. Allerdings wird das Unternehmen nicht verhindern, dass über seine Kabel- und Mobilfunknetze pornografische Inhalte transportiert werden.

Atomenergie muss draußen bleiben

Wer sucht, findet Fonds, die basierend auf den Empfehlungen der katholischen Kirche oder den Regeln des Franz von Assisi Investitionen nach christlich-ethischen Kriterien ermöglichen sollen. MSCI, ein US-amerikanischer Finanzdienstleister, bietet eine Fülle verschiedener Aktien-Indizes unter verschiedensten ESG-Kriterien an. Darunter der in Deutschland nicht handelbare „MSCI Faith Based Equitiy Index“, der einmal „katholische Anleger ansprechen soll, die Aktienbesitz im Einklang mit den moralischen und sozialen Lehren der katholischen Kirche anstreben“ und zum anderen den „Scharia-Anlageprinzipien“ folgend muslimische Anleger bedienen soll. Blackrock betreibt gar einen eigenen Scharia-Ausschuss. Darin wachen islamische Gelehrte darüber, dass Investments dem islamischen Recht entsprechen. Beim „iShares MSCI World Islamic UCITS“, einem Scharia-konformen ETF, lautet es beispielsweise in der Beschreibung: „Scharia-Fonds zahlen im Allgemeinen keine Zinsen und dürfen nicht in Geschäfte investieren, die nach islamischen Grundsätzen als ungesetzlich gelten. Daher können sie sich anders entwickeln als andere Fonds, die nicht den islamischen Grundsätzen folgen.“

„Verteil dein Vermögen auf sieben oder sogar acht, denn du weißt nicht, welches Unglück über die Erde hereinbrechen wird.“ (Prediger 11, 2)

Zu den gängigen K.o.-Kriterien für ESG-Produkte gehören unter anderem noch Korruption, Rüstung, Atomenergie, Tierversuche und Gentechnik. Eine Palette von Punkten also, die jeder für sich gegen finanzielles Engagement der Kirche sprechen. Anders verhält es sich beim „Best-in-Class-Ansatz“. Dabei werden die Unternehmen einer Branche fürs Investment ausgewählt, die bestimmte Kriterien besser erfüllen als andere. Etwa, indem sie im Vergleich zu Mitbewerbern weniger CO2 aus­stoßen. Dass ein Unternehmen klimaneutral produziert oder seinen Beschäftigten angemessene Löhne zahlt bei fairen Arbeitsbedingungen, ist damit aber nicht gesagt.

Die Evangelische Kirche in Deutschland trägt in ihrem „Leitfaden für ethische Geldanlagen in der evangelischen Kirche“ ebenfalls Kriterien für ethisch-nachhaltige Geldanlagen zusammen. Beim Ausschluss von Tabak- und Spirituosenherstellung sind sich Protestanten und Katholiken einig. „Für die evangelische Kirche sind Investments in Waffen ein absolutes No-Go. Das ist für die katholische Kirche eher ein geringeres Problem, die dafür größere Schwierigkeiten mit Abtreibung und Verhütungsmitteln hat, was bei den Protestanten nicht so streng bewertet wird“, sagt Mann. Die unterschiedlichen Standpunkte sieht Mann als einen Grund dafür, dass es keinen „christlichen Fonds“ gebe. Nachhaltigen Vermögensanlagen haftet der Ruf an, dass sie nicht sonderlich ertragreich sind. Wie sieht es aus mit der Rendite? „Studien und Auswertungen zeigen, dass nachhaltiges Investieren etwas mit Risikoreduktion und Risikooptimierung zu tun hat.“ Mann ist davon überzeugt, dass Investitionen in nachhaltige Finanzprodukte daher langfristig die bessere Performance liefern, weil es die Zukunft der Unternehmen sichere, wenn sie nachhaltige Kriterien erfüllen.

Was die Bibel rät

Wer nach strengen ökologischen oder sozialen Gesichtspunkten Geld anlegen will, muss sehr genau hinschauen und prüfen, welche Firmen sich in einem Fonds, hinter einem Index oder einem beliebigen Finanzprodukt tummeln – und ob sie unter diesen Kriterien halten, was sie versprechen. „Nachhaltigkeit ist ein Weg in die richtige Richtung und sorgt erstmals dafür, dass moralische und ethische Ansprüche beim Investieren berücksichtigt werden. Anleger wünschen sich für ihr Depot nur die blitzsauberen, nur dunkelgrünen Aktien und Fonds. Die gibt es aber nicht“, sagt Mann. Wem die Suche zu aufwendig oder zu unsicher ist, der solle sich wenigstens an ein kirchliches Finanzinstitut oder einen Berater wenden, die nachweislich bei der Anlageberatung einen Schwerpunkt auf Nachhaltigkeit legen. Seiner Meinung nach ist es aber „zwingend notwendig“, selbst zu recherchieren. Mann rät, die Verantwortung nicht am Bankschalter oder beim Berater abzugeben, sondern sich mit der Thematik auseinanderzusetzen. „Wer nachhaltig investieren möchte, schöpfungserhaltend für eine lebenswerte Umwelt für sich und seine Kinder, sollte sich zuerst über die eigenen Werte klar werden und überlegen, was Nachhaltigkeit für einen persönlich bedeutet und mit welchem Anspruch die Investitionen erfüllt werden sollen.“

Mann hat einen Rat aus dem biblischen Buch des Predigers (Kapitel 11, Vers 2), den er auch bei der Geldanlage – nicht nur in nachhaltige Produkte – berücksichtigt: „Verteil dein Vermögen auf sieben oder sogar acht, denn du weißt nicht, welches Unglück über die Erde hereinbrechen wird.“

Von: Norbert Schäfer

Dieser Artikel erschien in der Ausgabe 1/2021 des Christlichen Medienmagazins pro. Das Heft können Sie kostenlos online bestellen oder telefonisch unter 0 64 41 / 5 66 77 00.

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