Die Renaissance der Ethik

Nicht nur in Deutschland, sondern auch weltweit entstehen immer mehr Ethikinstitute, ethische Studiengänge und Ausbildungszweige. Was ist der Grund für diese Entwicklung? Dieser Frage geht die freie Publizistin Birgitta vom Lehn in einem Essay in der Tageszeitung "Die Welt" nach.
Von PRO

Die Journalistin schreibt von einer "Renaissance der Ethik" in der heutigen Gesellschaft. Der Grund für diese Entwicklung liege darin, dass das Leben komplexer geworden sei und viele Themen selbst Experten überfordere. Die Menschen suchten nach Antworten auf existenzielle Fragen und gesellschaftliche Probleme. Doch diese Sehnsucht nach Sicherheit und Orientierung liege nicht allein in der Komplexität unseres Lebens, sondern auch in der Fortschrittlichkeit der Medien. Tagtäglich würden die Menschen mit neuen Informationen versorgt, um anschließend mit dieser Fülle an Eindrücken allein gelassen zu werden. Es liege in der eigenen Verantwortung, diese Informationen zu verarbeiten, zu analysieren, wem man Glauben schenken könne, um sich daraus letzten Endes eine eigene Meinung zu bilden, schreibt vom Lehm.

Jahrzehntelang hätten Natur- und Geisteswissenschaftler einen Konkurrenzkampf geführt. Die Naturwissenschaft habe in unserer industrialisierten Gesellschaft häufig den Vorrang gehabt und so meist den Großteil an Forschungsgeldern für Projekte erhalten. Auch wenn heute noch Ingenieure und Naturwissenschaftler die "mehr verdienenden Akademiker" seien, könne sich dies innerhalb der nächsten Jahre ändern. Dann bestehe für Historiker, Theologen und Philosophen vielleicht die Chance auf eine Wende, so die Journalistin. Ethiker könnten zum praktischen Handeln zurückkehren und sich nicht mehr bloß auf abstrakte Theorien beschränken. So könne in naher Zukunft eine Ethikabteilung in einer Firma ebenso gängig sein, wie eine Marketingabteilung.

Gründe, warum das Thema Ethik bislang vernachlässigt wurde, sieht vom Lehn darin, dass es nicht in Mode war: "Es klang lange wahnsinnig altbacken, von ethischen Grundsätzen zu reden, wo man sich doch gerade vom lästigen konservativen Ballast befreit hatte." Im Gegensatz dazu stehe die neuere Erkenntnis, dass gerade junge Leute nach Ethik und moralischer Orientierung strebten. "Gefragt ist ein sauberes und unorthodoxes Argumentieren", so die Publizistin.

Als Beispiel für diese Fortschrittlichkeit führt sie die Studentenbewegung "Sneep" an, ein studentisches Netzwerk für Wirtschafts- und Unternehmensethik. Ziel der Organisation ist es, den Einstieg in das Thema Ethik in Verbindung mit Wirtschaft für Interessierte zu erleichtern und wertungsfreie Informationen zu liefern. Die Gründung von Lokalgruppen bildet dabei die wesentliche Grundlage für das Netzwerk, damit Projekte von Mitgliedern an Universitäten realisiert werden können. Die Praxis steht bei dem Netzwerk im Mittelpunkt, deshalb vermittelt die Organisation Praktika und bietet Veranstaltungen mit Vorträgen und Workshops an, um auf sich und ihre Anliegen aufmerksam zu machen. Die Publizistin zitiert den Bremer Wirtschaftswissenschaftler Rudolf Hickel, der der Meinung sei, dass sich dieser Weg und das Streben der Studenten nach moralischer Orientierung einmal für die Gesellschaft auszahlen werde. Auch in der Politik ist das Thema Ethik aktuell wie nie. Vom Lehm schreibt, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel zwar für viele Dinge kritisiert werden könne, aber sie habe das Potenzial des Strebens nach Ethik erkannt und daraufhin eine "Kommission für sichere Energieversorgung" eingerichtet. (pro)

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