Etwa 1.200 so genannte „Mega-Kirchen“ gibt es in den USA mittlerweile, in die jeden Sonntag mehr als 2.000 Menschen gehen. Und ein stetig wachsender Strom an evangelikalen Christen gestaltet ein lebendiges Gemeindeleben, das Auswirkungen auf die Infrastruktur ihrer Städte und sogar auf die internationale Politik hat.
1980 habe es gerade einmal 50 Großkirchen in den USA gegeben, schreibt Böhm in ihrem Artikel unter der Überschrift „Im Großeinsatz für Gott“. Heute wird die Zahl der Mitglieder der „Mega-Churches“ auf acht bis zwölf Millionen geschätzt. Rund ein Drittel der US-Bevölkerung erklärt sich als zu den „Evangelikalen“ zugehörig. „Die meisten Gläubigen der Mega-Churches halten die Bibel für unfehlbar, die Evolutionslehre für einen teuflischen Irrtum, Abtreibung für Mord und die Seele jedes Nicht-Evangelikalen für verloren.“
Die Autorin beschreibt die Methoden der amerikanischen Großkirchen so: „Klare spirituelle Botschaften, verbunden mit konkreten Handlungsanweisungen für alle Lebensbereiche.“ Dazu gehört etwa die „Lakewood Church“ in Houston: wenn Pastor Joel Osteen sonntags predigt, sind alle 17.000 Sitze in der ehemaligen Basketballhalle besetzt. Zusätzlich investiert die Gemeinde jährlich zwölf Millionen Dollar für die Übertragung des Gottesdienstes im Fernsehen. Auch die 30.000 Mitglieder der „Saddleback-Church“ von Pastor Rick Warren in Kalifornien benötigen für ihre Gottesdienste mittlerweile ein Baseball-Stadion.
Doch als das „Mekka der Evangelikalen“ gilt Colorado Springs, so Böhm, und benutzt wie viele ihrer Kollegen den falschen Begriff „christliche Fundamentalisten“. Hier gibt es christliche Zahnarzt- und Anwaltspraxen, christliche Grundstücksmakler, christliche Kredit-Institute, Schulbuchverlage und Karateschulen – und etwa 500 Kirchen und christliche Einrichtungen für 350.000 Einwohner.
Vom Keller ins Stadion
GEO-Reporterin Böhm besuchte die „New Life Church“ und berichtet von ihrer scheinbar sagenhaften Entstehung. Ted Haggard zog sich vor 20 Jahren zum Fasten und Beten in die Rocky Mountains zurück. Er empfing von Gott die Prophezeiung, dass Millionen gottesfürchtiger Menschen Sportstadien füllen und das Land erschüttern würden. Er gründete mit einer Hand voll anderen im Keller seines Wohnhauses die „New Life Church“. Sie gingen betend durch die Straßen und „eroberten und segneten eine Straßenkreuzung nach der anderen“. Böhm weiter: „Manche Gläubige zogen aus und sprühten Salatöl an Häuser, um sie als gottgeweihte zu markieren.“
Die Gemeinde wuchs, und bald reichte weder der Keller noch ein Laden in einem Einkaufszentrum aus. Die Gemeinde kaufte ein Grundstück im Norden der Stadt, wo jetzt auf einer kleinen Erhebung die Kirche steht: „A city upon a hill“. Die „Stadt auf dem Hügel“ bietet „Zugezogenen, was Stadtplaner und Lokalpolitiker oft nicht schaffen können: Sportstätten, Begegnungsräume, Kinderbetreuung, Erziehungs-, Finanz- und Gesundheitsberatung. Und natürlich christliche Selbsthilfegruppen für alle denkbaren Leiden und Versuchungen, die Gott über den Menschen bringt – auch über den Gläubigen: Übergewicht, Verschuldung, Ehekrisen, Depression oder Abhängigkeit von Pornografie oder Drogen.“
Beten, damit Europa nicht von Muslimen überrannt wird
Die Gemeinde bietet eine Art Zentrale für Gebetsanliegen an. Aus aller Welt treffen Gebetsanliegen per E-Mail ein. Auf mehreren Monitoren verfolgen Beter die eintreffenden Bitten – „ähnlich wie in der Börse“. Selma aus Texas sorgt sich um ihren arbeitslosen Sohn: „Betet, dass Gott ihm so schnell wie möglich einen Vollzeit-Job gibt.“ Einige Wochen später schreibt sie per E-Mail die „Erfolgsmeldung“: „Mein Sohn hat einen Zeitvertrag für sechs Monate. Gott hat ihn gesegnet.“ Reporterin Böhm merkt an: „Ein Zweifel ist nicht möglich.“ Auch internationale Anliegen haben Bedeutung: „Betet für Luxemburg, wo sich buddhistische Gruppen breit machen.“ Und, immer wieder: „Betet für den Irak, wo bereits 900.000 Bibeln auf Arabisch verteilt worden sind.“ Ähnliche Gebetstreffen gab es vor dem Angriff der USA auf den Irak im März 2003. Über die Webseite des „World Prayer Team“, einen virtuellen Gebetsraum, bündelten Christen aus der ganzen Welt ihre Gebete.
Pastor Ted Haggard gilt heute als „ein international gefragter Gesprächspartner, wenn es um die Bekämpfung von Aids geht, um Schuldenerlass, Handelsbeziehungen oder militärische Interventionen“. Der britische Premier Tony Blair wollte mit Haggard am Rande eines G8-Gipfels in Washington über die richtige Entwicklungshilfe für Afrika sprechen, schreibt Böhm.
Viele Gemeindemitglieder setzen sich für Nepalesen ein, arbeiten in Afghanistan und evangelisieren dort, oder beten für das „10/40-Fenster“, die Region zwischen dem 10. und 40. nördlichen Breitengrad, in der „95 Prozent aller Ungläubigen, darunter 2,7 Milliarden Buddhisten, Hindus und Muslime leben“. „Diese Generation wird mithilfe des Internets und der Globalisierung das Evangelium in den letzten Winkel dieser Erde tragen,“ sagt Pastor Haggard. Und auch nach Europa. Dort müsse man den Glauben an den „spirituellen Kreuzzug“ wiederfinden, sagt er. „Sonst wird Europa von den Muslimen überrannt.“