Die Medien tragen eine Mitschuld am zeitweisen Erfolg von Pegida und seinen Ablegern. Zu diesem Ergebnis kommen Experten auf der Suche nach den Ursachen für das Anschwellen der Islamfeindlichkeit und rechtspopulistischer Strömungen in Deutschland.
Die Medien sind mitverantwortlich, dass Pegida binnen weniger Wochen zu einer bundesweit bekannten Marke wurde
Die islamfeindliche Bewegung „Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“ (Pegida) scheint ihren Zenit bereits überschritten zu haben. Beim letzten „Abendspaziergang“ in Dresden am vergangenen Montag versammelten sich etwa 5.000 Demonstranten. Auf ihrem Höhepunkt konnte Pegida im Januar noch bis zu 25.000 Anhänger mobilisieren. Auch in anderen Städten zählten Beobachter zuletzt nicht mehr als einige Hundert Teilnehmer.
Der relative Bedeutungsverlust von Pegida dürfe aber nicht dazu verleiten, das Thema jetzt auszublenden, sagte Ralf Melzer, Leiter des Arbeitsbereiches Rechtsextremismus der Friedrich-Ebert-Stiftung. Vielmehr müsse darüber diskutiert werden, ob die Islamfeindlichkeit der Pegida-Anhänger nicht Treibstoff einer neuen rechtspopulistischen Bewegung in Deutschland ist. Ausdruck dieses Rechtspopulismus‘ seien etwa auch die Erfolge der eurokritischen Partei Alternative für Deutschland (AfD). Aus diesem Grund hatte die SPD-nahe Friedrich-Ebert-Stiftung am Dienstagabend Experten zu einer Podiumsdiskussion nach Berlin eingeladen.
„Wie gelingt die Gratwanderung, weder die reale Bedrohung durch Dschihadisten und Salafisten für unser Zusammenleben und unsere Sicherheit zu verharmlosen, noch Islamfeindlichkeit zu fördern?“, sei laut Melzer die zentrale Frage. Vertreter aus Wissenschaft, Politik und Medien suchten gemeinsam nach den Ursachen für die Zunahme rechtspopulistischer Bürgerbewegungen sowie der auf Muslime bezogenen Menschenfeindlichkeit in Deutschland. Sie kamen auch zu dem Ergebnis: Am raschen Anwachsen vor allem von Pegida waren die Medien mitverantwortlich.
Verletzte Eitelkeit der Journalisten
„Die Medien haben Pegida enorm angeheizt, weil sie auf Nachrichtenwerte hin operieren“, sagte Dieter Rucht, Protestforscher am Wissenschaftszentrum Berlin. Journalisten reagierten erst, wenn etwas aus dem Rahmen fällt. Die Botschaft der Pegida-Organisatoren und -Anhänger: „Wir sprechen nicht mit den Medien“, ist für Rucht der Skandal, der erst die mediale Aufmerksamkeit erzeugte. „Normalerweise drängen sich sofort alle um ein Mikro und wollen ihre Botschaft der Welt verkünden.“ Mit der Verweigerungshaltung hat Pegida „den Ehrgeiz der Medien angestachelt“ und so zu einer „überproportionalen Berichterstattung“ geführt, erklärte der Wissenschaftler.
Pegida begann im Oktober im kleinen Rahmen in Dresden und wurde zumindest dort rasch groß. Binnen weniger Wochen erfuhr die Protestbewegung bundesweit mediale Beachtung. In Dresden habe es einen Solidarisierungseffekt gegeben: „Erst der mediale Aufschrei und die Kritik durch die Medien hat Pegida wachsen lassen“, sagte Olaf Sundermeyer, Reporter des Rundfunks Berlin-Brandenburg. Das sähen selbst die Organisatoren der islamfeindlichen Kundgebungen so. Von Anfang an hatten die Medien außerdem ein Darstellungsproblem: „Radikale und Vermummte sehen Sie nicht in der Tagesschau, die geben keine O-Töne“, so Sundermeyer. So sei es den Medien anfangs nicht gelungen, „genau zu zeigen, wer da eigentlich mitläuft“.
„Die Medien sind bei Pegida auf ein Hysterisierungsmoment aufgesprungen“, erklärte Miriam Heigl von der Fachstelle gegen Rechtsextremismus der Landeshauptstadt München. Wochenlang sei die Berichterstattung in Deutschland total fixiert darauf gewesen, immer neue Teilnehmerzahlen zu präsentieren. Dadurch sei versäumt worden, die Absurdität der Parolen der Rechtspopulisten und Islamfeinde zu zeigen. Die Medien hätten die „Heterogenität muslimischen Lebens in Deutschland“ viel zu wenig zum Thema gemacht, so die Münchnerin. (pro)
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