Einvernehmlicher Geschlechtsverkehr zwischen erwachsenen Geschwistern soll nicht mehr unter Strafe stehen, wenn es nach der Mehrheit des Ethikrates geht. Dabei offenbaren die Experten ein irritierendes Verständnis von Familie – dem weitere fragwürdige Schritte folgen können. Ein Kommentar von Nicolai Franz
Von Nicolai Franz
26. September 2014
Foto: Dreamlandstudio.ru
Ob durch Inzest soziale Rollen gefährdet sind, kann nicht das einzige Kriterium für ein Verbot sein
Die Gefahr, dass aus einer Inzest-Beziehung behinderte Kinder entstehen könnten, lässt der Ethikrat nicht als Verbotsgrund gelten. Schließlich sei es anderen Risikogruppen wie älteren Frauen, Rauchern oder an Mukoviszidose leidenden Menschen ebenfalls erlaubt, sich fortzupflanzen. Fast überall gelte Inzest zwar als moralisches Tabu. Allerdings sei das Strafrecht nicht dafür da, um moralische Standards zu schützen, lautet die Argumentation. Bis an diesen Punkt erscheinen die Ausführungen des Ethikrates durchaus nachvollziehbar.
Problematisch ist, wie die Experten den Familienbegriff deuten. Sie interpretieren ihn rein von seiner Funktion her und nicht von biologischen Gegebenheiten. Die Deutung des Begriffs ist deswegen wichtig, weil ein Grund für das derzeitige Inzestverbot ist, dass die „Familie“ geschützt werden müsse.
Das sexuelle Selbstbestimmungsrecht zweier erwachsener Geschwister sei bedeutsamer als das „abstrakte Schutzgut der Familie“, sagt der Ethikrat. Er spricht daher nicht schlicht von „Familie“, sondern von „tatsächlich gelebtem Familienverbund“, teilweise auch von „real existierendem familialen Lebenszusammenhang“, um damit anzudeuten, dass die Kluft zwischen Theorie und Praxis, zwischen Biologie und Gesellschaft, groß ist.
Kritiker befürchten Dammbruch – zu Recht
Inzestuös lebende Geschwister lernen sich nach Angaben des Ethikrates meist erst kennen, wenn beide bereits erwachsen sind. Sie sind also nicht gemeinsam in einem „real existierenden familialen Lebenszusammenhang“ groß geworden, den sie zerstören könnten und der deshalb geschützt werden müsste. Doch auch wenn volljährige Geschwister gemeinsam aufgewachsen sind, sollen sie sich nach Meinung der Autoren für eine sexuelle Beziehung entscheiden dürfen.Kritiker befürchten völlig zu Recht, dass diese Argumentation einen Dammbruch auslösen könnte. Mit welchem Recht könnte es verboten bleiben, dass Eltern und mündige Kinder einvernehmliche sexuelle Beziehungen führen? Diese Frage hat der Ethikrat bewusst nicht beantwortet, auch wenn er vage Bedenken andeutet. Zwischen Eltern und Kindern gebe es größere Abhängigkeitsverhältnisse als zwischen Geschwistern – eine sehr schwache Begründung dafür, das sexuelle Selbstbestimmungsrecht einzuschränken.
Biologische Verwandtschaft und die sich daraus ableitende natürliche Blockade gegenüber sexuellem Kontakt darf man nicht als bloßes Reflexargument abtun, auch wenn diese Blockade offenbar nicht bei allen Menschen vorhanden ist. Die Entscheidung des Ethikrates, in der Inzest-Frage zwischen biologischer und sozialer Familie sauber zu trennen, führt in die Irre. Der Gesetzgeber ist gut beraten, diese Schleuse nicht zu öffnen. (pro)
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