Die göttliche Ordnung der Wirtschaft

Was haben wirtschaftliche Maßnahmen wie der aktuell geforderte "Schuldenschnitt" für Griechenland mit dem Reich Gottes zu tun? Für den Unternehmer Kim Tan eine ganze Menge. Geistliche Gesundheit, so behauptet er in seinem Buch "Das Erlassjahr-Evangelium", habe wesentlich eine wirtschaftliche Dimension.
Von PRO

Manch ein unverbesserlicher Marxist wird dieser Tage die Nachrichtenlage mit einigem Vergnügen sondieren. Hat es doch den Anschein, dass der Kapitalismus, einst strahlender Sieger im Kampf der Wirtschaftssysteme, es nun fertig bringt, sich selbst zu zerfleischen. Wiederkehrende Finanzkrisen und hochverschuldete Staaten jedenfalls lassen nichts Gutes ahnen. Heftige Proteste vor den Banken und Börsen der Welt fordern ein Ende des "Turbokapitalismus" und der "Zockermentalität".

Dass in dieser Gemengelage der Ruf nach Besserung oder gar Alternativen laut wird, dürfte kaum verwundern. Interessant sind aber Vorstöße wie Tans Buch, die für die Gegenwart eine Wirtschaftsordnung einfordern, wie sie in den Mose-Büchern festgehalten ist. Das Ziel: "Ein Wirtschaftsystem, das eine Gesellschaft entstehen lässt, in der sich Gottes Gerechtigkeit und Barmherzigkeit widerspiegeln."

Gottes Vision einer gerechten Gesellschaft

Dreh- und Angelpunkt dieses Systems ist das Erlassjahr. Alle 50 Jahre, so gibt Tan die mosaischen Gesetze wieder, habe es für die Israeliten einen umfassenden "Schuldenschnitt" gegeben. Familien, die aufgrund einer Notsituation Land verkaufen mussten, hätten es im Erlassjahr zurückbekommen. Auf diese Weise sei es den Israeliten möglich gewesen, eine Reihe von Missständen zu vermeiden, die noch heute die Gesellschaften geißelten: Ansammlung von Großkapital (damals in Form von Land), Verarmung der Bevölkerung, Stadtflucht aufgrund verloren gegangenen Landes.

Neben diesem zentralen Gebot führt Tan eine Reihe weiterer Gebote auf, deren Sinn die Unterstützung der Armen und Benachteiligten gewesen sei. Darunter fielen bekannte Forderungen wie die Abgabe des Zehnten. In diesem System habe aber nicht nur die Umverteilung eine Rolle gespielt. Von Gewicht seien auch die Zeiten der Ruhe für Menschen, Land und Vieh gewesen: jede Woche die Ruhe am Sabbat, jedes siebte Jahr eine ganzjährige Arbeitspause.

Ziel dieser wirtschaftlichen Bestimmungen, die Tan detailliert beschreibt, sei letztlich der "Shalom", der Friede im allumfassenden Sinn gewesen. Bei den Festen Israels sollten Arm und Reich an einem Tisch essen, die Erlassgebote sollten verhindern, dass Familien zerbrechen oder verarmen: "Diese Pläne machen klar, dass Gott viel mehr um unsere gesunden Beziehungen als um unseren materiellen Besitz besorgt ist", resümiert Tan.

Anfänglicher Eifer und Fall

Allerdings hätte Israel es nicht geschafft, die Gebote auf Dauer umzusetzen. In der Darstellung Tans verläuft die Geschichte Israels, wie sie die Bibel dokumentiert, nach dem Schema eines anfänglichen Eifers, die wirtschaftliche Ordnung umzusetzen, gefolgt von einem Abfall von diesem Weg. Da Israel die Bestimmungen für den "Shalom" aufgrund seines Egoismus nicht eingehalten hatte, habe Gott sein Volk bestraft, in Form von Armut oder des babylonischen Exils.

Eine grundsätzliche Erneuerung habe dann aber mit dem Wirken Jesu eingesetzt. Jesu Taten und das Kreuzesgeschehen hätten schon die Zeitgenossen im Sinne des Erlassjahres interpretiert. Neu daran sei gewesen, dass es nun als alltägliche Handlung verstanden wurde. Außerdem war es eine Fürsorge anderer Art, "denn sie entsprang den Banden der Liebe, nicht den Zwängen des Gesetzes". In der Kraft des Geistes Gottes hätte die urchristliche Gemeinde Jesu Wirken fortgesetzt, etwa durch die täglichen Tischgemeinschaften und die Armenfürsorge.

Anders als manche Wendungen im Buch glauben machen, geht es Tan in seinem Buch nicht um den "großen Wurf". Er strebt keine Veränderung "der Gesellschaft" oder des "wirtschaftlichen Systems" an. Auch gibt er zu verstehen, dass nicht jeder Gläubige dazu berufen sei, in einer radikalen Fürsorge-Gemeinschaft zu leben, wie er es selbst in jungen Jahren getan hat. So viel Gutes sie bewirkten, sie waren selten von Dauer. Dies zeigen auch die von Tan aufgeführten Beispiele aus der Kirchengeschichte, die dem bekannten Schema von Eifer und Fall folgten.

Dennoch spricht nichts dagegen, sich von den Erlassjahr-Geboten inspirieren zu lassen. Tan führt im letzten Kapitel einige Beispiele auf, wie Gemeinden, Firmenbesitzer oder Einzelpersonen im Sinne des Erlassgebotes handeln können und auch schon gehandelt haben. Die Christen einer australischen Stadt hätten etwa Geld gesammelt und der städtischen Versorgung gegeben. Auf diese Weise hätten verschuldete Bürger, die ihre Rechnungen nicht bezahlen konnten, wieder Zugang zu Strom, Gas und Wasser erlangt.

Im Christentum wird Liebe konkret

Die Beispiele verdeutlichen, worauf die Emphase des Buches liegt: Zum einen lädt Tan den Leser ein, das Prinzip des Erlassjahr-Gebotes kreativ in seinem Umfeld umzusetzen. Damit verbunden ist das zweite Anliegen Tans: Sein Buch ist auch ein Protest gegen die "Vergeistlichung" christlicher Anliegen. Im Gegensatz dazu betont der Autor die konkrete Dimension des Reiches Gottes: "Wir können unsere mündliche Verkündigung nicht von unserem praktischen Zeugnis trennen…"

Damit ist auch zu erklären, warum sich Tan sogar gegen die "christliche Wohltätigkeit" wendet: Das bloße Weitergeben von materiellen Gütern bewirke noch keinen "Shalom". Dazu gehöre eben auch die Gemeinschaft mit den Bedürftigen als konkreter Ausdruck gegenseitiger Annahme. Eine gute Gelegenheit hierfür sei die Tischgemeinschaft der urchristlichen Gemeinde, das "Liebesmahl". In diesem Sinne kritisiert Tan auch das Abendmahl, das heutzutage oft zu einem leeren Ritual verkommen sei.

Obwohl einige Passagen etwa zu detailliert ausgefallen sind, hat Tan ein empfehlenswertes Buch geschrieben. Es erinnert daran, dass das Reich Gottes keine bloße jenseitige Größe ist, sondern in konkreten Aspekten ohne großen Lärm, aber unaufhaltsam im Kommen ist.

Kim Tan: "Das Erlassjahr-Evangelium. Ein Unternehmer entdeckt Gottes Gerechtigkeit"
Neufeld-Verlag
14,90 Euro; 192 Seiten
ISBN 978-3937896991

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