Als Kulturstaatsminister Wolfram Weimer kürzlich in einem Interview über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk sprach, benutzte er auch das Wort „Zwangsbeiträge“. Auf der Plattform „X“ mokierte sich der ARD-Journalist Georg Restle, Chefredakteur des Formats „Monitor“ darüber: „‚Zwangsbeitrag‘ ist der zentrale Kampfbegriff einer Kampagne, die nichts anderes im Schilde führt, als den ÖRR abzuschaffen. Das weiß Wolfram Weimer natürlich – und verwendet diesen Begriff trotzdem oder gerade deshalb. Das macht ihn als Kulturstaatsminister untragbar.“
„Zwangsbeitrag“ ist der zentrale Kampfbegriff einer Kampagne, die nichts anderes im Schilde führt, als den ÖRR abzuschaffen. Das weiß Wolfram Weimer natürlich – und verwendet diesen Begriff trotzdem oder gerade deshalb. Das macht ihn als Kulturstaatsminister untragbar.
— Georg Restle (@georgrestle) October 3, 2025
Was hat es also auf sich mit diesem Begriff, der sich überspitzt auf den Rundfunkbeitrag bezieht?
Restle hat insofern recht, als Gegner des öffentlich-rechtlichen Rundfunks seine Finanzierung verbal gern mit Zwang in Verbindung bringen. Damit wollen sie diesem Rundfunksystem die Legitimität absprechen. Sie rücken die öffentlich-rechtlichen Medien damit semantisch in die Nähe eines „Staatsfunks“: Die Staatsmacht verdonnert seine Bürger per Gesetz dazu, für Medien zu zahlen, die ihm wohlgefällig sind. Also ist es in der Tat eine Formulierung, die als Kampfbegriff taugt und eingesetzt wird.
Recht hat Restle sicher auch damit, dass Weimer das weiß und den Begriff nicht zufällig fallen ließ. Auch der Deutsche Journalistenverband kritisierte Weimers Äußerungen und fragte, ob seine Wortwahl von „Naivität oder Kalkül“ zeuge.
Kein freiwilliger Beitrag
Von einem Minister, der für Medien zuständig ist, darf man erwarten, dass er sich sachlich zum Gegenstand seines Amtes äußert. Einen so aufgeladenen Begriff dabei zu verwenden, ist zumindest provokant. Völlig falsch ist es jedoch nicht, dieses Wort zu verwenden.
Der finanzielle Beitrag, den jeder Haushalt für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk abgeben muss, ist nicht freiwillig. Der Bürger kann nicht davon zurücktreten wie von einer Mitgliedschaft in einem Verein, bei der ebenfalls ein Beitrag fällig wird.
Nun handelt es sich beim Rundfunkbeitrag nicht um die Finanzierung privaten Vergnügens, wie das bei einem Verein der Fall ist, sondern um ein öffentliches Gut, das der Allgemeinheit zur Verfügung steht. Rein rechtlich betrachtet, erwächst dieser Beitrag also aus einer Beitragspflicht, die unabhängig davon herrscht, ob man die damit finanzierte Leistung selbst in Anspruch nimmt. Korrekt müsste man also von einem Pflichtbeitrag sprechen. Ähnlich verhält es sich etwa mit dem Semesterbeitrag für Studenten oder den Straßenbaubeiträgen, die Kommunen erheben können.
Zwangsabgaben an den Staat liegen dann vor, wenn keine Gegenleistung erfolgt. Zölle oder umweltbezogene Steuern etwa, die auf ein Gut erhoben werden, gehören dazu. Insofern ist es sachlich nicht richtig, beim Rundfunkbeitrag von „Zwang“ zu sprechen.
Ein Gefühl von Zwang
Allerdings kommt hier so etwas wie ein gefühlte Wahrheit ins Spiel. Wenn von „Zwangsbeitrag“ die Rede ist, ist das nicht nur ein Kampfbegriff der Rundfunk- und Systemverächter. Es spiegelt das Gefühl wieder, für etwas zahlen zu müssen, hinter dem man nicht steht. Das hat weniger mit dem Rundfunksystem selbst zu tun als mit einer inhaltlichen Entfremdung vieler Bürger von diesen Medien.
In diesen Kontext hat Weimer seine Wortwahl auch eingebettet: „Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat ein Akzeptanzproblem, weil er politisch links geneigt wirkt. Es ist nicht gut, wenn viele Millionen Deutsche zwar Zwangsbeiträge zahlen müssen, aber das Gefühl haben, dass sie dort nicht vertreten werden.“ Die jüngste Debatte um die Moderatorin Julia Ruhs und das Format „Klar“ ist das beste Beispiel dafür.
Gegenüber Jan Böhmermann, der ihn ebenfalls für den Begriff „Zwangsbeitrag“ kritisierte, meinte Weimer zwar, das sei wertfrei, er sage das schon immer so und es treffe ja auch zu. Doch er dürfte das Wort durchaus bewusst verwendet haben, um diesem Gefühl Ausdruck zu verleihen, was sich auch weit außerhalb rechtsextremer Umsturzfantasien findet. Man kann ihm unterstellen, dass das populistisch ist. Die Schlussfolgerung aber, er sei für das Amt aufgrund dieser Wortwahl untragbar, verliert völlig aus dem Blick, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk mit seiner Art der Berichterstattung zu einem guten Teil selbst erst dieses Gefühl von Zwang erzeugt.
Dass die Öffentlich-Rechtlichen weiterhin durch Beiträge finanziell abgesichert werden sollen, daran ließ Weimer im Übrigen keinen Zweifel.