Die „Facebook-Revolution“ will säkulares Ägypten

In der aktuellen Ausgabe des Magazins "Focus" äußern zwei bekannte Islam-Kritiker ihre Sorge über ein Erstarken der Muslimbruderschaft in Ägypten. Der Buchautor und Historiker Hamed Abdel-Samad ist überzeugt, dass die derzeit revoltierende "Facebook-Generation" eher die deutsche Revolution von 1989 als Vorbild habe als die islamische von 1979.
Von PRO

Abdel-Samad wurde in Ägypten geboren, im Alter von 23 Jahren kam er nach Deutschland. Einem breiteren Publikum bekannt wurde der Islam-Kritiker durch die ARD-Sendung "Entweder Broder", für die er mit dem Journalisten Henryk M. Broder in einem Auto durch Deutschland reiste. In den vergangenen Tagen fuhr der Buchautor in seine Heimat, um die Aufstände gegen Hosni Mubarak zu unterstützen. Auf die Frage, ob es sich in Ägypten um eine islamische Revolution handele, sagte Abdel-Samad: "Wenn es so weitergeht mit der Gewalt, werden die Islamisten gewinnen." Er habe bereits "Allahu Akbar"-Rufe (Allah ist groß) vernommen. Bislang seien die Islamisten nur am Rande mitgelaufen, "weil sie wussten, dass das nicht ihre Revolution ist, sondern die der Jugend, der Facebook-Generation, die säkular und freiheitlich leben will".

Die Muslimbrüder hätten weniger Rückhalt im Volk als gemeinhin angenommen, so Abdel-Samad, der als Sohn eines sunnitischen Imams religiös erzogen wurde. "Die Ägypter sind enttäuscht von ihnen, weil sie, wie Mubarak, nur Parolen bieten, aber keine wirtschaftlichen und politischen Konzepte." Der Autor ist überzeugt, dass die radikale Moslem-Gruppe, aus der unter anderem die palästinensische Hamas hervorgegangen ist, in einem normalen politischen Prozess in Ägypten "höchstens zehn bis 20 Prozent" erreichen würde. Er findet es "heuchlerisch", wenn der Westen gegen die Muslimbrüder Einspruch erhebe, sich jedoch heraushalte, wenn Mubarak sein Volk unterdrücke.

An sich wolle diese Generation wahrscheinlich westlich leben, aber "wenn der Westen so weitermacht und im Namen der Sicherheit im Nahen Osten an Mubarak und seinem Regime festhält, was außerdem eine Illusion ist, kann alles anders kommen", so der Autor. Die "Facebook-Generation", die derzeit vornehmlich in Ägypten demonstriere, habe sicher nicht den Iran als Vorbild. "Hier ist Berlin 89, nicht Teheran 79", so der Autor.

Hirsi Ali vermisst gute Konkurrenz zur Muslimbruderschaft

In derselben "Focus"-Ausgabe kommt eine andere Kritikerin des Islam zu Wort. Die in Somalia geborene Ayaan Hirsi Ali niederländische Politikerin und Frauenrechtlerin wurde bekannt durch ihre Kritik am Islam. Seit 2002 erhält sie Morddrohungen von Islamisten. Als 2004 der Filmemacher Theo van Gogh in Amsterdam von einem muslimischen Extremisten ermordet wurde, war an dessen Leiche ein Drohbrief an Ayaan Hirsi Ali befestigt.

Sie sei als Teenagerin selbst überzeugtes Mitglied in der Muslimbruderschaft gewesen, schreibt sie im "Focus". Sie hält es für "sehr wahrscheinlich, aber nicht unvermeidbar", dass diese Gruppe die ägyptischen Wahlen im September gewinnen. Die weltlichen Gruppen und Menschenrechtsorganisatoren zeigten bisher zu wenig, dass sie in der Lage sind, die grundlegenden Voraussetzungen für eine ernstzunehmende Partei erfüllen. Sie hätten kein politisches Programm, wie sie das Land regieren möchten, und sie seien nicht in besonders vielen Gemeinschaften verwurzelt.

Die Muslimbruderschaft, welche die Scharia einführen will, wiederum erfüllten dieses Voraussetzungen gut. "Sie sind sehr gut darin, die Ägypter daran zu erinnern, dass die Politik der anderen gottlos und damit verheerend für das Land ist. Vor allem haben sie es geschafft, sich tief in der ägyptischen Gesellschaft zu verankern."

Die weltlichen Gruppierungen jedoch schafften es nicht, eine oppositionelle Haltung zu formulieren, die "ja" zum Islam, aber "nein" zur Scharia beinhalte. "Es fehlt ein Programm, das Religion und Politik trennt." Oppositionsführer Mohammed ElBaradei und seine Anhänger müssten immer wieder verdeutlichen, dass eine Regierung auf Grundlage der Scharia die Bevölkerung unterdrücke und aggressiv gegen andere Länder vorgehe, so Hirsi Ali. (pro)

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