Die Doppelmoralisten

Die Pädophilie-Debatte bei den Grünen zeigt: Innerhalb der Partei wird mit zweierlei Maß gemessen. Dabei stehen gerade „grüne“ Christen wie Katrin Göring-Eckardt und Winfried Kretschmann in einer besonderen Verantwortung. Ein Gastkommentar von Alexander Kissler
Von PRO

Die Bibel warnt an vielen Stellen davor, mit zweierlei Maß zu messen. Nicht Wasser predigen und Wein trinken, nicht den Balken im eigenen Auge übersehen zugunsten des Splitters im Auge des Nächsten sollen jene, die sich Christen nennen. Die Grünen sind keine christliche Partei. Vielmehr gewinnt der kirchenfeindliche Flügel, wie er sich etwa in der „grünen Jugend“ manifestiert, beständig an Auftrieb. Da es aber prominente Christen gibt bei den Grünen, von Ministerpräsident Winfried Kretschmann bis hin zu Katrin Göring-Eckardt, ist die strukturelle Doppelmoral der Grünen keine Kleinigkeit. Sie zeigt sich derzeit im Umgang mit der Pädophilie.

Noch am vergangenen Samstag sprach der grüne Spitzenkandidat Jürgen Trittin einen verräterischen Satz: „Systematischen Missbrauch innerhalb der Partei der Grünen“ habe es nicht  gegeben. Darum sei es nicht nötig, eine Anlaufstelle für Opfer einzurichten. Die tatsächlichen Straftaten seien „nicht Parteistrukturen zuzuordnen, sondern Individuen.“ Auf eine solche Differenzierung durften die Kirchen nicht hoffen. Damals, vor gerade drei Jahren, stimmten Jürgen Trittin und Claudia Roth und Volker Beck in den Chor derer ein, die am liebsten jeden kirchlichen Bediensteten zum potentiellen Kinderschänder erklärt hätten. Heute wissen wir: Volker Beck warb noch im Jahre 1988 für die „Entkriminalisierung von unproblematischen sexuellen Kontakten zwischen Erwachsenen und Kindern“ – zumindest stand es so in dem Aufsatz „Plädoyer für eine realistische Neuorientierung der Sexualpolitik“, der von Beck stammt, aber laut Beck vom Herausgeber des entsprechenden Aufsatzbandes verfälscht worden sei.
Ebendieser Herausgeber, eine zentrale Figur der deutschen Pädophiliebewegung, editierte schon 1980 das sprechende Werklein „Pädophilie heute“. Eine hessische FDP-Politikerin, damals 19 Jahre jung, teilt darin die Forderung nach Straffreiheit für Kindersex. Deshalb trat sie nun von ihrer Kandidatur für den Deutschen Bundestag zurück. Volker Beck denkt nicht an Rückzug, Daniel Cohn-Bendit, der damals von nackten fünfjährigen Mädchen schwärmte, ebenso wenig. Darum ist die Doppelmoral der Grünen strukturell: die eigenen Abgründe verkleinert man zu Kollateralschäden der Emanzipation, die Perversionen der anderen sind Ausdruck eines prinzipiell falschen Denkens.

Katrin Göring-Eckardt lässt im Wahlkampf ihr Amt als Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland ruhen. Sie wird aber dennoch als protestantische Spitzenfrau und grüne Spitzenkandidatin zugleich wahrgenommen. Die Schlagzeile der Frankfurter Allgemeinen, „Pädophilie-Verstrickungen der Grünen umfangreicher als bislang bekannt“, kommentierte sie mit der Einschätzung, nun sei klar, dass ihre Partei die pädophilen Positionen „seit 20 oder 25 Jahren definitiv aufgegeben“ habe. Das mag sein, doch man stelle sich im Umkehrschluss einen Bischof vor, der erklärt hätte, „das alles“ sei lange her. Abermals ist die Doppelmoral strukturell. Eine Partei, die in ihrem ersten Grundsatzprogramm von 1980, aber auch in fünf Landesverbänden die weitgehende Legalisierung sexueller Beziehungen von Erwachsenen mit Kindern gefordert hatte, stellt sich auf den Standpunkt, Unrecht verjähre, und es sei nur eine verwirrte Minderheit gewesen. Wer sonst die Universalität der Menschenrechte einklagt, verwandelt sich in eigener Angelegenheit zum kleinlauten Relativierer, Abwiegler, Schönredner.

Zurecht schrieb Alice Schwarzer nun, die „herrschenden Alt-Grünen“ seien zwar „gegen Herrschaftsverhältnisse im gesellschaftlichen Bereich, leugnen jedoch die Machtverhältnisse im Privaten,“ und nennt als Beispiel Volker Beck. Angesichts der Enthüllungen, die vorliegen, und jener, die gewiss noch kommen werden, dürfe klar sein: Grüne Vorzeigechristen wie Göring-Eckardt und Kretschmann stehen in einer besonderen Verantwortung. Ziehen sie sich weiterhin auf die Parteilinie zurück, die pädophile Propaganda sei nur eine zeitbedingte Überdehnung des antiautoritären Denkens gewesen, beschneiden sie ihre eigene Glaubwürdigkeit. Denn war der hohe, zuweilen schrille moralische Ton nicht das Markenzeichen der Grünen immer gewesen? Entfernen sie sich aber von der Parteilinie und drängen auf großflächige personelle Aufklärung im Rahmen der „Historiographie der Schwulen- und Pädophilenbewegung“ (Franz Walter), stürzt das Kartenhaus des Moralismus in sich zusammen. So stellt sich die Frage: Kann Christen die Mitarbeit in einer Partei bekommen, die den Unterleib vergottet? (pro)

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