Die Bibel mit allen Sinnen erfahren

Seit 20 Jahren können Besucher in den Sinnenparks von Lutz Barth biblische Geschichten mit allen Sinnen erleben. Im Gespräch mit pro erklärt der Religionspädagoge, wie das Evangelium im digitalen Zeitalter andockfähig bleibt.
Von PRO
Im Ostergarten verschmelzen die Besucher mit den biblischen Berichten, wie hier in der Gerichtsverhandlung vor dem römischen Präfekt Pontius Pilatus

Die Idee, ganzheitlich, sinnlich erfahrbare Führungen über das Leiden, den Tod und die Auferstehung von Jesus Christus in christlichen Gemeinden durchzuführen, hat Kreise gezogen. Ostergärten und Sinnenparks sind hundertfach kopiert worden. Der Religionspädagoge Lutz Barth und seine Frau Annette haben das Konzept dazu vor 20 Jahren gemeinsam entwickelt. Auf Kopierschutz haben sie dabei bewusst verzichtet.

pro: Wie ist die Arbeit des Sinnenparks entstanden?

Lutz Barth: Eine kleine Osterschale mit Kreuz und Garten weckte bei uns den Wunsch, die Ereignisse der Passion und der Auferstehung auch im Großen im wahrsten Sinn der Worte „anschaulich“ und „begreifbar“ zu machen. Meine Frau und ich haben uns für die „große Lösung“ entschieden. Die Menschen sollten die biblischen Geschichten hautnah erleben. Der erste Ostergarten im Jahr 2000 war als einmalige Aktion gedacht. Wir hatten auf Anhieb 1.700 Besucher, die Zahl ist im folgenden Jahr auf 2.400 Besucher gestiegen und dann kontinuierlich in die Höhe geklettert.

Das stieß auch auf Medieninteresse?

Jeder Ostergarten in Deutschland oder der Schweiz hat für ein großes Interesse der Medien gesorgt. Sie waren froh, dass sie nicht nur über Osterhasen und Eier berichten mussten. Außerdem konnten sie hier Kameraszenen und Stimmen einfangen. Dadurch haben wir vermutlich noch mehr Evangelium durch die Medien zu den Menschen gebracht als durch unsere Ausstellung selbst. Auch wenn wir mit unseren 30 bis 40 Ausstellungen im Jahr insgesamt eine Million Besucher erreicht haben.

Warum funktioniert das Konzept noch, in einer Zeit, in der alles sonst digital sein soll?

Der Mensch ist einfach ein sinnliches Wesen, selbst wenn er noch so viel vor dem Bildschirm sitzt. Wir riechen, fühlen und schmecken. Wenn der Mensch diese Bodenhaftung verliert, dann verkümmert er. Deswegen soll das Konzept die Sinne ansprechen und bei den Besuchern wohltuende Schwingungen auslösen. Wenn das nicht gelingen würde, kämen die Menschen nicht so massenhaft.

Wie ist das Evangelium andockfähig im 21. Jahrhundert?

Da hat sich seit dem Beginn meiner Tätigkeit nichts verändert. Das Evangelium entfaltet sich am besten in der Freundschaft und indem ich jemandem Vertrauen schenke. Das bleibt die wirksamste Möglichkeit, einen Menschen für Jesus anzusprechen. Und das ja auch mit allen Sinnen. Wenn ich merke, dass ich gefragt und ernstgenommen bin, dann habe ich eine ganz andere Empathie für den anderen. Und dann muss ich mit Liebe gestalten, was ich erzähle. Ein muffiges und dreckiges Gemeindehaus atmet nicht die Schönheit und Wertschätzung des Evangeliums. Die Menschen spüren, wenn sie gemeint und angesprochen sind. Ich darf sie aber nicht als Opfer sehen, die nur dazu dienen, eine Kirchenbank zu füllen. Das funktioniert nicht.

Steht der Sinnlichkeit nicht die reformatorische Theologie entgegen?

Der reformatorische Ansatz besteht darin, nicht zu sehr vom Wesentlichen abgelenkt zu sein. Bei unserer Arbeit nehmen wir die Kulissen als selbsterklärende Predigt. Sie sollen die Worte des Erzählers und der Hörbeispiele unterstreichen und ergänzen. Bei Jesu Verhaftung haben wir einen Knüppel in die Kulisse gelegt. Hinterher haben mich die Menschen angesprochen, dass sie die Knüppel in der Bibelstelle bisher immer überlesen hatten. Sie wurden angesprochen und wollten die Bibel noch aufmerksamer lesen und genauer hinhören.

Können Gemeinden ihre Predigten so umgestalten, dass mehr Sinne angesprochen werden?

In unserer Gemeinde erlebe ich, dass der Pfarrer immer wieder in die Rolle einer biblischen Person schlüpft und predigt. Vielen Gemeinden haben Theater und Anspielgruppen, wo kreative Elemente eingebracht werden. Ich selbst gestalte Gottesdienste, in denen ich als Martin Luther oder Bewohner von Nazareth auftrete. Die Leute hören anders hin und nehmen es anders wahr. Ich verlasse den vorderen Bereich der Kirche, komme zu ihnen und spreche sie bewusst an. Dieses Format setze ich aber dosiert ein. Die Sinnen-Arbeit steht immer in der Gefahr, kitschig zu sein. Das war uns immer bewusst und das haben wir versucht zu berücksichtigen.

Wie planen Sie weiter?

Über die Zukunft müssen wir im Herbst sprechen. 2023 gehe ich in den Ruhestand. Wenn es nicht weitergeht, möchte ich die vorhandenen Kulissen für offene Kirchen und Gemeindehäuser anbieten. Etliches davon wurde mit enormem Aufwand gebaut, viele Ideen wurden investiert. Das in die Tonne zu klopfen, würde mir schwerfallen.

Vielen Dank für das Gespräch!

Die Fragen stellte Norbert Schäfer

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