Die Bibel als Podcast einlesen: Die „Recklinghausen-Bibel“

Ein Radio-begeisterter Journalist hat vor zwei Jahren 300 Menschen Bibeltexte als Podcast einsprechen lassen. Das Interesse war so groß, dass das Projekt „Recklinghausen-Bibel“ nun fortgeführt werden soll.
Von Jörn Schumacher
Podcast-Bibel

Oliver Kelch aus Recklinghausen ist Journalist und arbeitet unter anderem für das Domradio in Köln. Auch für andere christliche Magazine schreibt er, hauptberuflich ist er Presse- und Öffentlichkeitsreferent in der Pfarrei St. Antonius in Herten. Er ist nicht nur in seiner Gemeinde aktiv, vor einigen Jahren studierte er zudem katholische Theologie und hat nun eine Ausbildung als Diakon im Bistum Münster angefangen. Die beiden Bereiche Kirche und Journalismus brachte Kelch in seiner Arbeit immer mehr zusammen, vor zwei Jahren hatte der Medienfachmann eine besondere Idee, aus der schließlich die „Recklinghausen-Bibel“ wurde.

Als Vorsitzender des Vereins „Bürgerfunk Recklinghausen“ produziert Kelch bereits seit 2018 eine Radiosendung für die katholischen und evangelischen Gemeinden im Kreis Recklinghausen. Die monatliche Sendung „K wie KIRCHE“ läuft im „Radio Vest“, das an den privaten Verbund „Radio NRW“ angeschlossen ist. Die Sender bieten jeden Tag eine Stunde Zeit für Inhalte, die Bürger produziert haben – den so genannten Bürgerfunk.

Im Zuge der Sendung „K wie KIRCHE“ und in seinem Theologie-Studium kam Kelch die Idee für eine Podcast-Bibel. „Wie kann man die Menschen mit der guten frohen Botschaft erreichen?“, fragte er sich. Kelch weiß durchaus: Es gibt die Bibel bereits als Hörbuch. Eine davon wurde vom professionellen Sprecher Rufus Beck eingesprochen. „Aber es wäre doch cool, wenn die Bibel von möglichst vielen unterschiedlichen Menschen eingesprochen werden würde!“ Schon am Tag nach seinem Aufruf in den Zeitungen klingelte bei Kelch das Telefon, berichtet er gegenüber PRO. Seitdem bekam er Dutzende E-Mails von Menschen, die sofort mitmachen wollten.

„Nach 50 Jahren erstmals wieder die Schulbibel rausgeholt“

Ab Frühjahr 2021 wurde produziert. Jeder ab 14 Jahren konnte mitmachen. Auf einer Webseite konnte man sich für einen bestimmten Bibeltext eintragen. Lesezeit: zwischen zwei und fünf Minuten. Um sich rechtlich abzusichern, fragte Kelch beim Katholischen Bibelwerk in Stuttgart an, das die Rechte an der verwendeten Einheitsübersetzung vertritt. Das Bibelwerk genehmigte ihm offiziell das Einsprechen der Bibeltexte, allerdings darf Kelch mit der Hörbibel kein Geld verdienen.

Mehr als 300 Menschen meldeten sich an, und schließlich wurden an vier Tagen in vier verschiedenen Kirchen Recklinghausens die Texte eingesprochen. Die Evangelien liegen nun als 12 Stunden langes Audiomaterial vor. Die Versprecher schnitt Kelch heraus, die Kirchenglocken, die während der Aufnahmen läuteten, aber ließ er bewusst drin. Pünktlich zu Heiligabend 2021 wurde das Projekt als Podcast veröffentlicht. Nun ist die Recklinghausen-Bibel überall dort zu hören, wo es Podcasts gibt, also zum Beispiel bei Spotify, Deezer, Apple Podcast und Podcaster.de.

Schon nach dem ersten Wochenende verzeichnete Kelch 1.000 Aufrufe, inzwischen sind es über 10.000. Kelch berichtet von den begeisterten Reaktionen auf seine Aktion. Eine ältere Dame habe ihm gesagt: „Sie haben es geschafft, dass ich nach 50 Jahren meine Schulbibel aus dem Schrank gekramt habe, um mich auf meinen Text vorzubereiten.“ All das bestätigte Kelch darin, weiterzumachen.

Auch Akzente willkommen

Entsprechend soll das Projekt nun fortgeführt werden: Als nächstes kommen die Psalmen und die Offenbarung des Johannes dran. Dieses Mal möchte Kelch, dass die Menschen von zu Hause aus ihre Passagen einsprechen. Auf einer Webseite wird es ein Online-Tool geben, bei dem jeder seine Passage aussuchen kann, um sie dann aufzunehmen und hochzuladen, etwa über den eigenen Computer oder mit dem Smartphone. Auch über Whatsapp als Audio-Nachricht können die Passagen eingereicht werden, erklärt Kelch. „Wir schicken die Aufnahmen dann durch einen Kompressor, damit es besser klingt und setzen die Passagen an die richtigen Stellen.“ Der Start ist für Sommer 2023 geplant, im besten Fall können die Aufnahmen dann wieder zu Weihnachten dieses Jahres als Podcast veröffentlicht werden. Corona hat es gezeigt, sagt Kelch: „Die Technik, um so etwas in guter Qualität zu ermöglichen, ist da.“ Wenn mit der Online-App alles klappt, will der Kirchenjournalist es nicht ausschließen, dass später weitere Passagen der Bibel eingesprochen werden.

Foto: DOMRADIO.DE/Nicolas Ottersbach
Initiator Oliver Kelch

Dass keiner der Teilnehmer eine Sprecher-Ausbildung genossen hat, ist für Kelch kein Problem. In seiner Hörbibel sprechen Kinder ebenso mit wie alte Menschen. „Einer hatte einen polnischen Akzent. Andere haben die Betonung nicht gut drauf. Das alles ist egal. Ich möchte die große Bandbreite haben.“

Und selbst wenn sich jemand zur Vorbereitung auf seinen Part nur eine Viertelstunde mit der Bibel beschäftigt, dann sei es immerhin diese Viertelstunde, findet der engagierte Christ. „Wer weiß, manchmal wird ja auch mehr daraus. Und ich glaube, dass so ein Bibeltext auch im Nachhinein seine Wirkung haben kann.“ Eines sei ihm bei dem Projekt klar geworden, sagt der Journalist: „Es gibt viele Menschen, die immer noch gläubig sind, ihren Glauben aber nicht mehr so zeigen oder die nicht in die Kirche gehen. Im tiefen Kern steckt bei vielen aber immer noch eine Sehnsucht nach der Bibel. Mit solch einer unterschwelligen Aktion hat man sie gepackt.“

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