Die Angst geht um

Der Streit um den anti-islamischen Film "Innocence of Muslims" über den Propheten Mohammed zieht weite Kreise. Er sorgt nicht nur für Verwirrungen, sondern auch für jede Menge Dementi und strengere Sicherheitsvorkehrungen. Der Film gilt als Ursache für die Anschläge auf die US-Botschaft im libyschen Bengasi.
Von PRO

In dem Streifen tritt Mohammed als Kinderschänder, Frauenheld und Mörder auf. Im Islam gilt die Darstellung Allahs oder seines Propheten als verwerflich. Der Film betont zudem, dass kritische Christen und Juden angeblich von Mitgliedern der islamischen Gemeinde umgebracht worden seien. Hochgeladen auf die Video-Plattform "YouTube" hat den Film ein Nutzer mit dem Namen Sam Bacile (pro berichtete). Inzwischen ist die Identität des Filmemachers aufgeklärt. "YouTube" hat derweil verschiedene Teile des Films in Ägypten und Libyen blockiert.



Bei arabischen Christen geht die Angst um



Bei arabischen Christen geht derweil die Angst vor einer Welle von Gewalt und Diskriminierung um. "Wir hoffen sehr, dass alle friedlich reagieren. Denn so gibt man denjenigen, die andere beleidigen, nicht die Möglichkeit, Konflikte zwischen den Religionsgruppen zu schüren", sagte der irakische Erzbischof Louis Sako der Nachrichtenagentur dpa. Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan hat gewaltsame Angriffe als Reaktionen auf das amerikanische Schmähvideo über den Propheten Mohammed kritisiert. "Es handelt sich um eine ernste Provokation, eine schlimme Aufwiegelung", zitierten türkische Medien den Regierungschef. "Aber die Beleidigung der Religion kann keine Rechtfertigung für Angriffe auf Menschen sein."



Die libyschen Behörden haben wegen Sicherheitsbedenken Flüge in die Stadt Bengasi gestrichen, in der diese Woche vier US-Diplomaten getötet worden waren. Ab sofort benötige jede Fluggesellschaft, die Bengasi oder die Stadt Sebha ansteuern wolle, eine Sondergenehmigung, sagte ein Mitarbeiter. Wie lange der Flughafen Bengasi geschlossen bleiben wird, ist noch nicht klar.



Aus Angst vor gewalttätigen Protesten verschärft auch Deutschland seine Vorkehrungen in etlichen Botschaften islamischer Länder: "Wir beobachten die Entwicklung der Sicherheitslage mit größter Aufmerksamkeit und haben unsere Sicherheitsvorkehrungen an einigen Auslandsvertretungen verschärft", sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes am Freitagmorgen. "Spiegel-Online" ergänzte, das auch die Bundeswehr in Afghanistan ihre Sicherheitsmaßnahmen verstärkt habe. Der bayerische Imam Benjamin Idriz rief seine Gemeinde beim Freitagsgebet zur Besonnenheit auf. Die Muslime in aller Welt sollten die Provokation ignorieren und auf keinen Fall mit Gewalt darauf reagieren, sagte er der Nachrichtenagentur dpa. "Die Menschen, die diesen Film gemacht haben und zeigen, sind wertlos. Aber wir sollten darauf nicht wertlos antworten."



Zu den Demonstranten gegen den Film gehörten in Kairo nach Angaben der katholischen Kirche auch viele Christen. Insbesondere Kopten protestierten am Donnerstag gemeinsam mit Muslimen dagegen, sagte Rafic Greiche, Sprecher der ägyptischen Katholiken, dem vatikanischen Missionspressedienst "Fides". Zudem hätten die Oberhäupter der orthodoxen, katholischen und evangelischen Kirchen in einer auf arabisch verfassten Erklärung den Film verurteilt. Auch in sozialen Netzwerken im Internet solidarisierten sich Christen mit Muslimen.


Terry Jones um Mithilfe gebeten



Terry Jones, ein radikal-evangelikaler Pastor aus Florida, bekannt geworden durch seine öffentlichen Koran-Verbrennungen und als starker Werber für das Video, verschickte inzwischen eine Erklärung an Journalisten, in der es heißt, er sei vom Produzenten des Filmes gebeten worden, bei der Verbreitung zu helfen. Jones zeigte den Film nicht nur in seiner kleinen Gemeinde, sondern behauptet auch, mit dem Urheber des Videos in Kontakt gestanden zu haben. Der Prediger zeigt sich auf Fotos unter anderem mit Morris Sadek, einem US-ägyptischen Kopten, der in der Vergangenheit als antiislamischer Provokateur aufgefallen war. Sadek ist wohl für die Verbreitung des Films in der arabischen Welt verantwortlich: Letzte Woche verwies er in seinem arabischen Blog, seinem Twitter-Profil und seinem englischen Newsletter darauf sowie auf die Vorstellung der Ausschnitte in Jones‘ Gemeinde.



Die "Tageszeitung" (taz) und die "Basler Zeitung" dementieren Angaben, dass der Produzent ein 52-jähriger in den USA lebender israelischer Jude namens Sam Bacile sei. Auch hätten keine 100 Juden für die Herstellung des Films fast fünf Millionen US-Dollar gespendet. Laut "taz", die sich sich auf Recherchen von US-Medien und der Nachrichtenagentur Associated Press (AP) berufen, wurde das Video offenbar von rechten US-Evangelikalen und anderen christlichen Extremisten gedreht. Die Crew wusste davon nichts.

Urheber steht wohl unter Polizeischutz



Laut "Basler Zeitung" stehe der Urheber des Werks nun offenbar unter Polizeischutz. Dies sei laut Polizei der in Kalifornien lebende koptische Christ Nakoula Basseley Nakoula. Er war 2010 wegen Finanzdelikten zu 21 Monaten Haft verurteilt worden. Zudem darf er während fünf Jahren das Internet nur mit Erlaubnis seines Bewährungshelfers benutzen. Sam Bacile sei lediglich ein Pseudonym.

Laut "AP"-Informationen habe Nakoula Basseley Nakoula die Logistik für das Video bereitgestellt. Er sei allerdings nicht der Regisseur gewesen. Unterstützt wurde die Produktion auch durch den radikal-evangelikalen Ex-Marine Steve Klein. Über ihn gebe es beim Southern Poverty Law Center, einer Nicht-Regierungsorganisation, die Hassgruppen in den USA beobachtet, ganze Dossiers von antiislamischen Aktivitäten.



Schauspieler in die Irre geführt



Weil einige der provokativsten Dialoge noch nicht einmal in der englischen Version mit den Mundbewegungen übereinstimmten und offensichtlich im Nachhinein synchronisiert wurden, distanzierten sich auch die beteiligten 80 Schauspieler und Crewmitglieder von dem Gesagten. In einer Erklärung an CNN, die der "Los Angeles Times" vorliegt, schreiben sie: "Wir sind schockiert darüber, wie drastisch die Dialoge umgeschrieben und wie wir alle belogen wurden. Wir sind tief erschüttert über die Tragödien, die sich seit der Veröffentlichung ereignet haben." Die Schauspieler seien für ein Filmprojekt mit dem Titel "Wüstenkrieger" gecastet worden, eine mutmaßliche Satire über das Leben im Orient vor 2.000 Jahren. Alle den Propheten Mohammed beleidigenden Äußerungen seien nicht so gedreht und gesprochen, sondern nachträglich eingefügt worden. (pro)

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