Die Anfänge der Welt sind ein Gesang

Mit der alten Streitfrage, ob die Welt durch Schöpfung oder durch die Evolution entstanden sei, beschäftigt sich das Musical "Die Erschaffung der Welt" in Essen. Pro war bei der Uraufführung im Grillo-Theater dabei.
Von PRO

Für Gott ist es einer der seltenen Momente des Glücks: Nachdem er Eva, gespielt von Laura Kiehne, aus der Rippe Adams (Stefan Diekmann) erschaffen hat, zieht er sich zurück und betrachtet zusammen mit den himmlischen Heerschaaren, wie sich die beiden finden. Wie ein Kind freut er sich, als er sieht, wie sich die beiden einander erstaunt begutachten, um in heller Begeisterung füreinander aufzugehen. Die Engel mit Sonnenbrillen und Cocktails in der Hand heben anerkennend den Daumen Richtung Gott, gespielt von Tom Gerber.

Im Rest des Stücks, inszeniert von Caroline Stolz, ist Gott allerdings meist damit beschäftigt, seine Schöpfung und deren Urheberschaft zu verteidigen: Aminosäuren pochen ebenso wie Charles Darwin darauf, dass alles eigenständig entstanden sei. Adam und Eva konfrontieren Gott mit der Frage nach dem Leid. Jedes Mal kontert er: Selbst, wenn die Aminosäuren sich eigenständig zu neuen Lebensformen organisieren, woher kommen denn sie selbst? Und ja, das Leid gebe es, aber "ich gab euch Stimme und Gesang, ihr gebt euch Dieter Bohlen", hält Gott den Menschen vor.

Großes Thema mit Augenzwinkern

"Wir gehen relativ komödiantisch mit dem Thema Erschaffung der Welt um", erklärte Carola Hannusch, die Dramaturgin am Schauspiel Essen, bei der Einführung zum Stück. "Die Bibel nehmen wir ernst", betont sie. Die Darstellung der Erschaffung des Lebens werde jedoch mit einem Augenzwinkern dargestellt, etwa, wenn sich ein fleischfressender Dinosaurier Sorgen um seine Beliebtheit in der Tierwelt macht.

Auch die Position der Evolutionstheoretiker nimmt das dreiköpfige Autorenteam, darunter Thomas Gsella, der ehemalige Chefredakteur des Satiremagazins "Titanic", ernst. Zusammen mit dem Komponisten Stephan Kanyar und der Schauspielerin Maren Scheel lässt er Charles Darwin dessen Auffassung musikalisch zum Besten geben: Darwin selbst sieht sich als Produkt puren Zufalls, Ergebnis von Selektion und Mutation, eigentlich ein Stück Natur, und doch zu Kulturleistungen fähig: "Materie gab mir Geist."

Ein Stück mit vielen Perspektiven

Neben der meist ironischen Darstellungen kommt auch Ernsthaftigkeit ins Spiel, Vor allem die Beziehung zwischen Adam und Eva berührt, in aller Abhängigkeit voneinander und Zuneigung füreinander. Umso schwerer wiegt der Verlust des Partners, denn der Tod ist Teil der Schöpfung nach dem Fall. Und prompt treten Vertreter verschiedener Religionen auf, die bei Eva um ihre jeweilige Erklärung für das Leben nach dem Tod buhlen. Auch Gott hat in dem Orchester eine Stimme: Er ist ja barmherzig, denn er sorgt für das Leben nach dem Tod.

In raffinierter Manier wirbelt das Stück verschiedene Auffassung von Gott und Welt durcheinander. Der Theismus ist dabei, in dem Gott selbst für Menschenwerk die Urheberschaft einfordert ("Ich bin in allen Menschendingen"), doch die geradewegs zur Theodizee-Frage führt. Daneben steht ein Gott, der seine Geschöpfe machen lässt und fasziniert zuschaut, sie aber nicht ihrem Schicksal überlässt. Auf der anderen Seite besingt Darwin den Kampf ums Dasein und die Grausamkeit der Natur im evolutionären Prozess, der seinen Zweck in sich selbst hat, da es Gott nicht gebe.

Aus christlicher Sicht ließe sich die Beliebigkeit monieren, mit der das Stück das Publikum entlässt. Denn nur in einem Punkt können sich die Parteien verständigen: Das Leben ist lebenswert, unabhängig von der Frage, wie es entstanden ist oder ob es nach dem Tod weitergeht. Doch das offene Ergebnis regt zum Nachdenken an. Dem Zuschauer bleibt es überlassen, ob diese Welt genug ist. Die Aussicht auf ein Leben über dieses hinaus schließt das Stück jedenfalls nicht aus. (pro)

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