Die Allianz der „Wutchristen“ und Rechtspopulisten
Die Kirchen sehen sich mit einem neuartigen Problem konfrontiert: Konservative Gläubige und Rechtspopulisten verfolgen gleiche Ziele. Das berichtet das Magazin Der Spiegel in seiner aktuellen Ausgabe – mit inhaltlichen Mängeln. Die Evangelische Allianz kritisiert den Artikel.
Auf etlichen islamfeindlichen Protestzügen fänden sich konservative Christen und Rechtspopulisten zusammen, schreibt Spiegel-Autor Peter Wensierski
„Der Priester und die Glatzen: eine seltsame Allianz hat sich gebildet“, schreibt Peter Wensierski am Samstag im Spiegel. Damit meint er Rechtsextreme, Hooligans, NPD-Anhänger und auch Seelsorger wie Paul Spätling. Dem hatte der Münsteraner Bischof Felix Genn im Januar die Predigterlaubnis entzogen, da Spätling sich Pegida-Anhängern in Duisburg angeschlossen hatte.
„Wutchristen“ und Rechtspopulisten in gemeinsamer Sache – dieses Phänomen überschatte derzeit die Gesellschaft, so der Spiegel. Auf zahlreichen „islamfeindlichen“ Protestzügen vor allem im Osten Deutschlands trete diese Allianz auf. Sachsens Bischof Jochen Bohl forderte vorerst Verständnis und Dialog – „wohl aus Rücksicht auf die Evangelikalen in seinem Bistum, die im ‚Bibelgürtel’ vom Erzgebirge bis zum Vogtland beheimatet“ seien, heißt es im Spiegel. Allerdings gehört Bohl der evangelischen Kirche an und steht als Landesbischof an der Spitze der Sächsischen Landeskirche – nicht eines Bistums.
Evangelikale und die Junge Freiheit
Wesnierski verweist auf eine Studie über Evangelikale in Sachsen, die im Auftrag der den Grünen nahestehenden Heinrich-Böll-Stiftung durchgeführt worden war. Laut dieser kämpften „Populisten und fundamentalistische Christen“ gemeinsam gegen Islamisierung oder Homosexuelle und darüber hinaus für ein traditionelles Familienbild. „Natürlich ist die Mehrheit der beiden großen Kirchen weder fremden- noch islamfeindlich“, so der Journalist. Allerdings habe eine Studie der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung gezeigt, dass Gläubige beider Kirchen für rechtsextreme Positionen anfälliger seien als konfessionslose Bürger.
Gerade in der katholischen Kirche sei unter den Gläubigen ein „Rechtsruck“ auszumachen. „Hass und Häme prägen eine selbst ernannte Glaubenselite“, schreibt der Spiegel-Autor. Auf „vermeintlichen Nachrichtenportalen“ wie kath.net würde immer wieder positiv auf die Wochenzeitung Junge Freiheit verwiesen. Wensierski zitiert unter anderem Artikel mit den Überschriften „Ich will keinen Polit-Papst“ oder „Die Heuchelei der Medien“. Jedoch verzichtet er auf den Hinweis, dass es sich bei ersterem um ein Zitat des Schriftstellers Martin Mosebach handelt, bei letzterem hingegen um die Überschrift eines Gastkommentars des Churers Bistumssprechers Giuseppe Gracia.
„Mediale Wechselseitigkeit christlicher und neurechter Kreise“
Diese Tendenz sei auch unter Evangelikalen der evangelischen Kirche zu beobachten. „Führende Vertreter der ‚Deutschen Evangelischen Allianz’ kommen in der Jungen Freiheit zu Wort“, schreibt Wensierski. Auch umgekehrt bemühten sich „neurechte Medien“ wie das islamfeindliche Blog Politically Incorrect um konservative Christen. „Das mediale Zusammenwirken christlicher und neurechter Kreise verläuft in Wechselseitigkeit“, äußert sich die katholische Theologin Sonja Strube von der Universität Osnabrück im Spiegel. Strube hat bereits vor eineinhalb Jahren versucht, der Evangelischen Allianz rechte Tendenzen zu unterstellen. Die Deutsche Evangelische Allianz hatte die Vorwürfe zurückgewiesen und umfangreich dazu Stellung genommen.
Laut Spiegel fänden darüber hinaus in der Alternative für Deutschland (AfD) jene Christen ihren Platz, die sich in den christdemokratischen Parteien nicht mehr zu Hause fühlten. Damit wollten sie zu einer „wertkonservativen Politik beitragen“, zitiert Wensierski die „Christen in der Alternative für Deutschland“. Laut deren Angaben sei das „sittliche Fundament“ wichtiger als das Regelwerk der Demokratie.
Michael Diener: 1,3 Millionen Evangelikale nicht rechtsradikal
Der Vorsitzende der Deutschen Evangelischen Allianz, Michael Diener, wies den Spiegel-Bericht am Montag zurück. „Wir stehen in unserem Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung und uneingeschränkt zu den Basiswerten des Grundgesetzes“, sagte er der Evangelischen Nachrichtenagentur idea. Der Spiegel-Bericht erwecke den Eindruck, als seien die 1,3 Millionen theologisch konservativen Christen, die der Allianz nahestehen, durchweg rechtsradikal. Dies sei falsch. Der Generalsekretär der DEA, Hartmut Steeb, kritisierte, dass von den Medien bereits diejenigen, die sich für den Lebensschutz einsetzen, als rechtsextrem gebrandmarkt würden. (pro)
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