Dialog kommt bei öffentlich-rechtlichen Medien zu kurz

Die öffentlich-rechtlichen Sender haben in einer Studie untersucht, wie die Deutschen den Zusammenhalt im Land einschätzen – und welchen Beitrag sie dazu vom gebührenfinanzierten Rundfunk erwarten. Es zeigte sich: Der Dialog kommt zu kurz.
Von Jonathan Steinert
Norbert Himmler, Stefan Raue, Florian Hager

Um den gesellschaftlichen Zusammenhalt in Deutschland ist es nicht gut bestellt. Das finden drei Viertel der Menschen im Land: 76 Prozent gaben in einer repräsentativen Studie an, dass sie einer solchen Aussage weitgehend oder vollkommen zustimmten. Für die Studie haben die drei öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten ARD, ZDF und Deutschlandradio 1.351 Personen ab 14 Jahren befragt. Vor allem wollten die Anstalten wissen, welchen Beitrag sie in den Augen der Bevölkerung zum Zusammenhalt leisten können und inwiefern sie deren Erwartungen gerecht werden.

Die Ergebnisse wurden am Mittwoch in Frankfurt/M. vorgestellt. Ein brisanter Zeitpunkt für eine Studie zu diesem Thema, sorgt doch der öffentlich-rechtliche Rundfunk gerade in diesen Tagen für Diskussionen: wegen Äußerungen, die die ZDF-Journalisten Elmar Theveßen und Dunja Hayali über den ermordeten amerikanischen Polit-Aktivisten Charlie Kirk machten, dem Rückzug Hayalis aus den sozialen Medien und der Trennung des NDR von der Journalistin Julia Ruhs.

Norbert Himmler, Intendant des ZDF, betonte mit Blick auf Theveßen und Hayali, dass die Sender sich bei Angriffen auf ihre Mitarbeiter immer vor diese stellen würden. Was den Moderatoren derzeit an Hass entgegenschlage, sei zutiefst undemokratisch. Für die öffentlich-rechtlichen Anstalten formulierte er den Anspruch, „Zuhörer, Vermittler und Brückenbauer“ zu sein.

Was die Bedeutung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks angeht, zeigte sich zum einen, dass dieser einen sehr großen Teil der Gesellschaft erreicht. 94 Prozent der Befragten nutzen Angebote davon grundsätzlich. Zwei Drittel zählt die Studie zum Stammpublikum, das an mindestens vier Tagen pro Woche auf öffentlich-rechtliche Angebote zugreift, sei es digital, im Fernsehen oder Radio.

Zum anderen zeigt sich, dass die Menschen hohe Erwartungen an den gebührenfinanzierten Rundfunk haben: 82 Prozent der Befragten erwarten, dass dieser zum gesellschaftlichen Zusammenhalt beiträgt. Das soll auf verschiedenen Ebenen geschehen: durch die Berichterstattung über relevante Themen, um ein gemeinsam geteiltes Wissen zu ermöglichen, durch das Abbilden von vielfältigen Lebensweisen und Ansichten sowie durch Möglichkeiten zum Dialog zwischen gesellschaftlichen Gruppen, aber auch mit dem Publikum.

Medien für Zusammenhalt wichtiger als Kirche

Laut Medienstaatsvertrag gehört es zum Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu fördern. Dass er das tut, gestand jedoch nur etwas mehr als jeder Zweite den Sendern zu. Damit kamen sie bei einer Auswahl von zwölf gesellschaftlichen Einrichtungen auf den vierten Rang, vor den Tageszeitungen und hinter Sportvereinen, Wissenschaft und Bundesverfassungsgericht. Am wenigsten tragen aus Sicht der Befragten die Kirchen zum Zusammenhalt bei – diese landeten mit 28 Prozent Zustimmung auf dem letzten Platz, noch hinter Tiktok und den Parteien.

In einigen Punkten fallen die Anstalten deutlich hinter den Erwartungen der Befragten zurück. 59 Prozent sagen, dass die Öffentlich-Rechtlichen unabhängige und glaubwürdige Informationen liefern. 57 Prozent finden, dass unterschiedliche gesellschaftliche Gruppen, Meinungen und Anschauungen zu Wort kommen.

Gut die Hälfte hat den Eindruck, die Sender fördern das Verständnis für andere Menschen und bieten Anregungen für neue Sichtweisen. Weniger als jeder Zweite ist der Ansicht, die Öffentlich-Rechtlichen zeigen, wie sich Probleme lösen lassen. Nur 44 Prozent finden Möglichkeiten, um als Nutzer die Meinung zum Programm sagen zu können.

Am ehesten entsprechen die Sender den Erwartungen bei der Berichterstattung über gesellschaftlich relevante Themen und Ereignisse, die für viele Menschen interessant sind. Das Stammpublikum bewertete die Leistungen der Sender besser als der gesellschaftliche Durchschnitt und als jene, die die Angebote seltener oder nicht nutzen.

Demokratie braucht Auseinandersetzung

Jan-Hinrik Schmidt, der die Studie vonseiten des Hans-Bredow-Instituts für Medienforschung beratend begleitete, empfahl den Sendern, die gesellschaftliche Verständigung stärker zu fördern. Sie sollten ansprechbar sein, in den Dialog gehen und auch die Vielfalt von Ansichten abbilden. „Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat sich lange Zeit als Sender verstanden. Das Bedürfnis des Dialogs ist hingegen gewachsen“, sagte er bei der Präsentation der Studie.

Die Bedeutung des Dialogs hob auch die Friedens- und Konfliktforscherin Nicole Deitelhoff vom Forschungsinstitut Gesellschaftlicher Zusammenhalt in einer Keynote hervor: Die Kommunikation zwischen verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen und Milieus nehme ab, sagte sie. Demokratie beruhe aber auf der Auseinandersetzung miteinander, weil man dadurch eine Wahrnehmung füreinander gewinne.

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