Diakonie ruft das Verfassungsgericht an

Mit einer Verfassungsklage wehrt sich das Evangelische Werk für Diakonie und Entwicklung gegen eine Entscheidung des Arbeitsgerichtes – und dagegen, dass theologische Fragen von Juristen entschieden werden. Diakonie muss sich als Diakonie aufstellen können, sagt Diakonie-Präsident Ulrich Lilie.
Von Norbert Schäfer
Das Evangelische Werk für Diakonie und Entwicklung (EWDE) will die von der Verfassung garantierten Handlungsspielräume von Religionsgemeinschaften vom Bundesverfassungsgericht bestätigen lassen

Das Evangelische Werk für Diakonie und Entwicklung (EWDE) hat in einem Rechtsstreit darum, ob eine Bewerberin Mitglied der Kirche sein muss, das Bundesverfassungsgericht angerufen. Die Klage richtet sich gegen ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) und mittelbar gegen eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH). Das geht aus einer Pressemeldung des EWDE vom Dienstag hervor. „Wir sehen uns in unzulässiger Weise in unserem verfassungsrechtlich garantierten Selbstbestimmungsrecht beschränkt“, erklärt der EWDE-Vorstandsvorsitzende, Diakonie-Präsident Ulrich Lilie. „Mit unserer Verfassungsklage wenden wir uns dagegen, dass theologische Kernfragen von Juristen entschieden werden.“

Lilie möchte erreichen, dass „die von der Verfassung gewollten Frei- und Handlungsspielräume von Religionsgemeinschaften erhalten bleiben“. Demach dürfen sich Religionsgemeinschaften nach eigenen Werten organisieren und ihnen entsprechend auswählen, wen sie einstellen und wen nicht. Das EWDE stützt sich bei seiner Argumentation auf den garantierten Schutz der Religionsfreiheit nach Artikel 4 des Grundgesetzes, sowie den Artikel 140 und den darin enthaltenen Artikel 137 der Weimarer Reichsverfassung. Der Artikel 137 billigt den Religionsgemeinschaften in der Bundesrepublik Deutschland ein Selbstbestimmungsrecht in ihren eigenen Angelegenheiten zu. Dort lautet es: „Jede Religionsgesellschaft ordnet und verwaltet ihre Angelegenheiten selbständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes. Sie verleiht ihre Ämter ohne Mitwirkung des Staates oder der bürgerlichen Gemeinde.“

Der Hintergrund

Der Rechtsstreit war entbrannt, weil im EWDE 2013 eine Bewerberin nicht für ein Vorstellungsgespräch berücksichtigt worden war. Die Einrichtung hielt die Bewerberin nach eigenen Angaben für eine Referententätigkeit wegen mangelnder fachlicher Voraussetzungen für nicht geeignet und lud sie daher nicht zum Gespräch ein. Die Stelle wurde mit einem fachlich geeigneten Bewerber besetzt, der zudem Mitglied einer christlichen Kirche war. „Das Stellenprofil […] setzte dies voraus. Eine christliche Perspektive […] war für die Diakonie unabdingbar“, heißt es in der Pressemitteilung.

Die abgelehnte Bewerberin verlangte von der Diakonie eine Entschädigung wegen Diskriminierung und zog vor Gericht. Sie vertrat die Ansicht, sie habe, obwohl sie für die Stelle qualifiziert gewesen sei, diese wegen ihrer Konfessionslosigkeit nicht erhalten. Weil sie die Berücksichtigung der Religion bei der Stellenausschreibung als rechtswidrig ansah, klagte die Bewerberin.

Lilie: Diakonie muss sich als Diakonie aufstellen können

Der Fall ging zum BAG in Erfurt. Das Gericht urteilte im Oktober 2018, dass für die fragliche Stelle die Mitgliedschaft in einer christlichen Kirche nicht verlangt werden durfte, und sprach der Klageführerin einen Teil der von ihr geforderten Entschädigung zu. Das BAG regelte in dem Grundsatzurteil, wann eine Kirchenmitgliedschaft gefordert werden darf. Diesem Urteil war eine Entscheidung des EuGH im April 2018 vorausgegangen. Der Gerichtshof hatte in seinem Urteil infrage gestellt, ob die Kirchen grundsätzlich anhand der Religionszugehörigkeit einer Person über deren Anstellung entscheiden dürfen.

Die Diakonie sieht in dem BAG-Urteil vom Oktober 2018 eine Abweichung zur langjährigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Dieses hat den Kirchen bisher in einem festgelegten Rahmen die Entscheidung überlassen, für welche Tätigkeiten die Zugehörigkeit zu einer christlichen Kirche erforderlich ist. Das EDWE bemängelt, dass der EuGH in seinem Urteil „außerhalb seines Mandats gehandelt“ habe, sagte Präsident Lilie: „Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts mit seiner Übernahme der Luxemburger Auslegung ist verfassungsrechtlich problematisch.“ Lilie vertritt die Auffassung, dass die Diakonie die Gestaltungsmöglichkeit haben muss, „sich als Diakonie aufstellen zu können“ und nun Klarheit darüber brauche, „dass unser Recht auf Selbstbestimmung nicht durch EU-Recht ausgehöhlt wird“.

Von: Norbert Schäfer

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