Di Fabio: Engagement in Kirche stärkt rechtliche Situation

Viele Entwicklungen in Deutschland deuten auf eine religiöse Rückbesinnung hin, meint Udo di Fabio, Richter am Bundesverfassungsgericht und Professor für Staatsrecht an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität in Bonn. In einem Interview mit den Mitteldeutschen Kirchenzeitungen sprach er über die wichtige Rolle der Kirche im Staat und den überschätzten Einfluss des Islam in Deutschland.
Von PRO

Der deutsche Staat ist neutral, aber religionsfreundlich und offen für die Kooperation mit den Kirchen und Religionsgemeinschaften. So erklärt Di Fabio die Grundregeln des Staatskirchenrechts. Dieses „Neutralitäts- und Kooperationskonzept zwischen Staat und Kirchen“ könne aber nur dann aufgehen, wenn die Kraft des Glaubens und der religiösen Gemeinschaften stark sei und Rückhalt in der Gesellschaft behalte. „Wenn in manchen Regionen die Mehrheit der Bevölkerung nicht mehr religiös orientiert ist, dann wird es schwierig mit der Kooperation, auch mit dem schulischen Angebot zum Religionsunterricht, von dem das Grundgesetz ausgeht“, so Di Fabio in Bezug auf das Scheitern des Berliner Volksentscheids zum Religionsunterricht als Pflichtfach an öffentlichen Schulen. Die rechtliche Situation der Kirchen stehe und falle mit ihrer Mitgliederzahl, aber auch mit dem Engagement der Mitglieder. Damit der Staat reagieren könne, müssten die Gemeinschaften „lebendig und gestaltungswillig“ sein.

Befürchtungen, dass der Islam das Christentum in Deutschland verdrängen könnte, teilt der Verfassungsrichter nicht. Viele Deutsche ängstige aber der wachsende Einfluss muslimischer Gemeinschaften und das Erstarken religiös-fundamentalistischer Strömungen. Deshalb werde die Forderung immer lauter, „vom bewährten staatskirchenrechtlichen Konzept des Grundgesetzes abzuweichen und eine stärkere Säkularisierung des Staates anzustreben“. Weiter erklärt er: „Einige fürchten, dass die Muslime nicht so organisiert sind, wie christliche Kirchen oder jüdische Gemeinden, und wohl auch, dass ihr Glaube sich nicht parallel zur Aufklärung und zur gesellschaftlichen Säkularisierung entwickelt hat.“

Gesetze gelten für jeden – egal ob Muslim oder Christ

Nach deutschem Recht undenkbar sei es etwa, „wenn der Austritt eines Erwachsenen aus einer Religionsgemeinschaft mit Gewalt unterbunden würde oder jungen Frauen der freie Zugang zu öffentlichen Räumen verwehrt wäre“. Immer dann, wenn jemand aus seinem religiösen Glauben heraus den Geltungsbereich der staatlichen Rechtsordnung bestreite, gebe es Probleme. Das gelte keineswegs nur oder ganz besonders für Muslime. „Unter Berufung auf die Religionsfreiheit kann man nicht einfach den Gesetzesgehorsam verweigern“, so Di Fabio. Derjenige, der sich aus religiöser Überzeugung gegen das Recht auflehne, könne vor Gericht bei den Motiven vielleicht ein Zugeständnis, aber keineswegs Sanktionsfreiheit erwarten. „Der Staat schreibt nicht vor, was und wie die Menschen glauben. Aber wenn aus dem Glauben heraus Grundrechte Dritter verletzt werden, dann wird der Staat mit Recht die Grenzen sichtbar machen müssen“, sagt er.

Angst vor einem Rückgang des Christentums in Deutschland hat er aber nicht: „Wir haben in Deutschland noch immer 50 Millionen Christen, die sich in den beiden großen Kirchen zusammengeschlossen haben. (…) Ich bin auch keineswegs sicher, dass der Schwund der Kirchen immer weiter anhalten wird. Manches in unserer Gesellschaft deutet darauf hin, dass es eine religiöse Rückbesinnung gibt.“ In Deutschland wachse die Einsicht, dass eine areligiöse Gesellschaft auf Dauer vielleicht keine demokratische und humane Gesellschaft sei.

Udo di Fabio ist seit 1999 Richter des Bundesverfassungsgerichts. In der Vergangenheit beschäftigte er sich verstärkt mit dem Verhältnis von Staat und Religion. „Der Staat optiert nicht für eine Religion, aber er arbeitet mit den organisierten Religionsgemeinschaften zusammen“, hatte er 2007 in einem Spiegel-Interview erklärt. (PRO)

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