Das Recht, die Kinder zu Hause zu unterrichten, war den Romeikes aus Bietigheim-Bissingen in Baden-Württemberg wichtiger, als das alte Leben in ihrer Heimat. Uwe Romeike, ausgebildeter Pianist, verkaufte seine Flügel und zog mit seiner Frau und den fünf Kindern im Alter zwischen 3 und 11 Jahren an den Rand der Smoky Mountains in Tennessee, rund 60 Kilometer nordöstlich von Knoxville.
In Deutschland würden sie wegen des Wunsches, ihre Kinder zu Hause zu unterrichten, verfolgt, berichtet die Nachrichtenagentur „Associated Press“. Anders als in den USA ist der Heimunterricht in Deutschland verboten.
Im September 2006 hatte Uwe Romeike seine drei ältesten Kinder von der Schule genommen. Als Grund gibt er an, dass die Schulbücher Werte vermittelten, die denen der Familie widersprächen. Ihn störte etwa, dass der Älteste, Daniel, aus einem Schulbuch lernen musste, in dem Umgangssprache verwendet wurde, um den Geschlechtsakt zu beschreiben. Andere Bücher lehrten in seinen Augen Geringschätzung von Autoritätspersonen oder enthielten eine okkulte Bildergeschichte über Vampire und Hexen.
Als sich die Romeikes weigerten, die Kinder wieder zur Schule zu schicken, bekamen sie einen Brief vom Bürgermeister, laut dem sie 30 Euro Strafe für jedes Kind zahlen müssten. Als die Eltern sich weigerten, stand die Polizei vor der Tür. „Wir wollten die Tür nicht aufmachen, aber die Polizisten haben 20 Minuten lang an der Tür geklingelt“, erzählt Romeike. „Sie riefen uns an, sprachen auf den Anrufbeantworter und sagten, sie würden die Tür aufbrechen, wenn wir sie nicht öffnen würden. Dann öffnete ich schließlich.“ Die Polizisten nahmen die weinenden Kinder mit und brachten sie zur Schule. Die Eltern mussten mehrere hundert Euro Strafe zahlen. Im Jahr 2007 verloren die Romeikes vor Gericht. Uwe Romeike befürchtet, dass er verhaftet werden könnte, sollte er nach Deutschland zurückkehren.
USA toleranter, Strafen in Deutschland
Der Fall der Romeikes wird wahrscheinlich am Donnerstag von einem Richter in Memphis begutachtet. Das sagte Michael Donnelly, ein Anwalt der amerikanischen Vereinigung zur Verteidigung des Rechtes auf Homeschooling, der die Familie Romeike vertritt, laut AP. „Deutschland sticht in Westeuropa mit strengen Regeln gegenüber Eltern hervor“, so Donnelly. „Dort ist man der Auffassung, dass Homeschooling Parallelgesellschaften schaffe und sieht es deshalb als gefährlich an.“
Luz Görgens vom Generalkonsulat der Bundesrepublik für den Südosten der USA, sagte, er sei mit dem Fall nicht vertraut, stelle sich jedoch hinter das deutsche System. „Aus Gründen, die tief in unserer Geschichte verankert sind sowie in der Überzeugung, dass nur die Schulen das nötige Level an Bildung vermitteln können, weichen wir Deutschen ein wenig ab von dem Pfad, den andere Länder eingeschlagen haben.“
In den USA werden ungefähr 1,5 Millionen Kinder zu Hause unterrichtet. In Deutschland lediglich 500, schätzen Experten. Eltern, die ihre Kinder nicht in eine staatlich anerkannte Schule schicken, drohen Strafen, die bis zu einer Haft reichen können.
Bernadette Meyler, Rechtswissenschaftlerin der Cornell Law School in Ithaca, New York, sagte gegenüber AP, dass sie noch nie von einem vergleichbaren Fall gehört habe. Die USA gingen toleranter mit Homeschoolern um, schon weil die Religion bei der Staatsgründung eine wichtige Rolle gespielt habe.
Susanne Neib, Pressesprecherin des baden-württembergischen Kultusministeriums, sagte, wenn die Behörden von Eltern wie den Romeikes hörten, würden sie ihnen einen Besuch abstatten und ihnen die Vorzüge einer öffentlichen Schule darlegen. Insgesamt müsse der Staat aber sehr selten gegen Homeschooler vorgehen, fügte sie hinzu.
Das Interesse an Homeschooling scheint in Deutschland jedoch nicht erloschen. Elisabeth Kuhnle vom „Netzwerk Bildungsfreiheit“, sagte, bei einem Informationstreffen in Baden-Württemberg seien 50 interessierte Familien angereist. (PRO)