Wenige "Bild"-Titel sind den Deutschen dermaßen im Gedächtnis geblieben wie dieser: "Wir sind Papst!", verkündete das Boulevardblatt am 20. April 2005. An die "kollektive Freude" dieses Tages will "Bild"-Chefredakteur Kai Diekmann nun mit einer schier überdimensionalen Geste erinnern, wie er am Donnerstag mitteilte. Vom 19. bis 27. September soll das Axel-Springer-Haus, in dem ein Teil der Publikationen des gleichnamigen Verlages produziert wird, durch das Titelbild von damals verhüllt werden. Der streitbare Schmuck soll an zwei Seiten des Gebäudes angebracht werden. Die Planen werden jeweils 1.235 Kilogramm wiegen und 45 mal 64 Meter groß sein. "Wir möchten an diesen einzigartigen Moment von damals anknüpfen und zum Ausdruck bringen, dass es für Deutschland ein ganz besonderes Ereignis ist, ’seinen Papst‘ zu empfangen", ließ Diekmann verlauten.
Keine Demo am Brandenburger Tor
Einen Rückschlag mussten die Papst-Protestler hingegen in dieser Woche wegstecken. Ihre zunächst am Brandenburger Tor geplante Demonstration am 22. September ist nun endgültig untersagt worden und wird voraussichtlich am Potsdamer Platz stattfinden. Das Berliner Verwaltungsgericht hatte eine entsprechende Verfügung der Polizei am Mittwoch bestätigt. Laut "Evangelischem Presse-Dienst" (epd) begründete das Gericht seine Entscheidung mit dem hohen Gefährdungspotenzial und dem überragenden Schutzbedürfnis des Papstes und anderer hochrangiger Staatsgäste. Benedikt XVI. wird zeitgleich mit der Demonstration im Bundestag sprechen, der nur wenige Meter vom Brandenburger Tor entfernt liegt. Die Veranstalter der Anti-Papst-Demo rechnen mit 20.000 Teilnehmern.
Wie die "Deutsche Presse-Agentur" (dpa) berichtet, wollen rund 100 Abgeordnete dem Papst-Auftritt im Bundestag fern bleiben. Die betreffenden Parlamentarier von SPD, Grünen und Linken halten den
Auftritt des Pontifex demnach für unvereinbar mit der religiösen Neutralität des Staates. SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles hat unterdessen Respekt für den Papst gefordert. "Ich bin der Ansicht, dass der Deutsche Bundestag in keiner Weise missbraucht wird. Niemand ist gezwungen, katholisch zu sein oder das zu glauben, was der Papst verkündet. Trotzdem ist die katholische Kirche mit einer Milliarde Mitgliedern eine wichtige Stimme in der Welt", sagte sie der "Rhein-Zeitung". Bundestagspräsident Norbert Lammert sieht den Boykott gelassen. Dies gehöre zu einer freiheitlichen Gesellschaft und einem frei gewählten Parlament, sagte er dem Internetportal "katholisch.de", und weiter: "Ich habe keinen Anlass daran zu zweifeln, das der Deutsche Bundestag bei der Rede des Papstes nicht nur gut gefüllt, sondern überfüllt sein wird, und stelle mit einem gewissen Amüsement fest, dass die Zahl der Beteiligungswünsche bei diesem Ereignis die Zahl der kritischen Einwände um ein vielfaches überbietet."
Der Vatikan zeigt derweil laut dpa keinerlei Verständnis für den angekündigten Boykott der Rede von Papst Benedikt XVI. im Bundestag. "Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages müssen sich der Wirkung dieser Art von Protest im Ausland bewusst sein", sagte der deutsche Kurienkardinal Walter Brandmüller der "Bild"-Zeitung (Donnerstag). "Sie verstärken dadurch das Bild vom ‚hässlichen Deutschen‘, das leider immer noch existiert."
Zwei Drittel wünscht sich gemeinsames Abendmahl
Im Rahmen seiner Deutschland-Reise wird der Pontifex sich auch mit Vertretern der Evangelischen Kirche in Deutschland treffen. Eine Umfrage des Instituts "Emnid" im Auftrag der Evangelischen Kirche im NDR und der "Evangelischen Zeitung" zeigt aktuell, was die Deutschen für ein Zusammenwachsen beider Konfessionen für wichtig halten. Ganz oben auf der Wunschliste der Bundesbürger steht, dass die katholische Kirche auch Protestanten zum Abendmahl einlädt, wie die Redaktion der kirchlichen Sendung "Tacheles" am Donnerstag mitteilte. 71 Prozent erhoffen sich dies demnach. 65 Prozent der Befragten halten für wichtig, dass die katholische Kirche auch Frauen zum Priesteramt zulässt. Dagegen hält es nur eine Minderheit von 32 Prozent der Befragten für hilfreich, wenn evangelische Christen den Papst als Sprecher aller Christen anerkennen. (pro)