„Der Zweifel ist eine intensive Suche

Der Landesbischof von Hannover, Ralf Meister, ist seit 100 Tagen im Amt. Im Interview mit der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" (FAS) spricht er über Glaubenszweifel, die Verflachung der Religion und über die dunkle Seite Gottes.
Von PRO

Ralf Meister warnt vor dem Trend einer "Wellness-Spiritualität". Diese führe dazu, in einer  Selbsterfüllung zu verharren, deren Ziel das eigene Wohlsein in einem überschaubaren Zeitraum sei. "Dafür gibt es dann eine Fülle von Rezepten, und eine Reihe davon sind geistlicher Natur", so der Landesbischof. Die Kirche verspreche aber nicht das Heil dieser Welt. Es könne einem Christen durchaus passieren, dass sein ganzes Leben "wie ein Hiob-Martyrium" verlaufe. "Wir können dieser Frau oder diesem Mann oft dann nicht mehr sagen als dieses eine: Der Gott, an den wir glauben, hatte die Schmerzerfahrungen auch selbst", so Meister. Ihm gebe das in seinem Leben Trost. "Und das ist mehr als die Hoffnung, dass nach einem guten Abendessen mit Freunden alles wieder gut ist."

Dem Boom der Wellness-Spiritualität fehle die "gesellschaftliche Wucht". Von der Kirche wünscht er sich, dass sie den Zusammenhang zwischen Glauben und Vernunft stärker hervorhebt. "Spiritualität darf nicht als Freiheit verstanden werden, sich der Vernunft der Welt zu entziehen", mahnt der 49-Jährige.

"Sakralisierung des Alltäglichen"

Andererseits habe auch ein Bischof nicht auf alles eine Antwort parat. Als Bischof sei er nicht im alleinigen Besitz der Wahrheit, sagt er gegenüber FAS-Autor Reinhard Bingener. Wer seinen Glauben ohne intensiven Zweifel vortrage, der habe vom Glauben nicht viel verstanden. "Der Zweifel, von dem ich spreche, ist eine intensive Suche, die es sich eben nicht an dieser Welt genügen lässt. Das ist für mich ein wesentliches Kriterium für Religion", sagt Meister. Viel spirituelles Gewaber erkenne man daran, dass es in einem Binnenzirkel verbleibe und nicht mehr nach dem Transzendenten frage. Das führe dann entweder zur Banalisierung des Sakralen oder zur Sakralisierung des Alltäglichen.

Wenn beispielsweise von einem Fußballgott geredet werde, habe das nichts mit Gott nichts zu tun! "Der sogenannte Fußballgott besteht aus unseren Wünschen und Sehnsüchten und allem, was uns sonst noch einfällt. "Echte Frömmigkeit greift nach etwas vollständig anderem. Und genau das muss die Kirche deutlich machen", davon ist der Kirchenmann überzeugt.

"Die dunkle Seite Gottes lassen wir nicht zu"

Der Landesbischof wünschte sich mehr Klartext und theologische Inhalte in der Verkündigung: "Kein Mensch redet mehr über das Gericht. Wir reden nur noch sehr vage über das ewige Leben. Die dunkle Seite Gottes, die verborgenen Seiten – dieses Gottesbild lassen wir kaum noch zu."

In den ersten 100 Tagen als Landesbischof habe er allerdings bemerkt, dass die Medien kaum über eine gut reflektierte Theologie berichten. "Die Journalisten sagen mir: Wenn Sie nichts Politisches sagen, dann schreiben wir nicht darüber." Natürlich können die Theologie eine scharfe Waffe sein, dennoch sei Gesellschaftspolitik nicht das primäre Handlungsfeld der Kirche und entspreche nicht ihrem Auftrag. Wichtig findet er, dass Christen Formen finden, bei denen man spüre, dass Kirche mehr sei als eine kulturelle Tradition oder ein gesellschaftspolitischer Akteur, sondern auf ihrem religiösen Fundament lebe. Das könne dann auch mal zu einer scharfen politischen Attacke führen. (pro)

Das komplette Interview mit Landesbischof Ralf Meister kann man hier nachlesen.
http://www.faz.net/artikel/C30189/Die-dunklen-Seiten-Gottes-lassen-wir-kaum-noch-zu-30496769.html

http://www.faz.net/artikel/C30189/Die-dunklen-Seiten-Gottes-lassen-wir-kaum-noch-zu-30496769.html
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