Der Zufall braucht keinen Schöpfer

Das Buch „Gottes großer Plan“ vom Astrophysiker Erik Bertram ist zwar eine lehrreiche Einführung in die Physik. Aber das Versprechen, dem Plan eines intelligenten Schöpfers auf die Schliche zu kommen, hält es am Ende nicht. Eine Rezension von Jörn Schumacher
Von Jörn Schumacher
In dem Buch „Gottes großer Plan" erklärt der Astrophysiker Erik Bertram Grundlagen der Physik

Erik Bertram begann noch während des Abiturs mit dem Studium der Fächer Physik und Mathematik an der Universität Saarbrücken. Nachdem er das Abitur mit der Note 1,0 absolviert hatte, arbeitete er als Aushilfslehrer an seiner ehemaligen Schule. Er promovierte im Jahr 2016 in Theoretischer Astrophysik an der Universität Heidelberg, heute ist der 29-Jährige dort wissenschaftlicher Mitarbeiter und arbeitet zudem als Software-Entwickler bei SAP. Außerdem engagiert sich das CDU-Mitglied in der Politik.

Bertram hat ein Buch geschrieben, in dem er den Leser auf eine faszinierende Reise durch die Physik mitnimmt. Bertram vermag es, die wichtigsten Stationen auf dieser Reise dem Laien verständlich zu erklären – Von den Grundlagen der Physik geht es von Galileo über Newton bis Einstein und Heisenberg. Was ist Licht, was besagt die Relativitätstheorie, und wie sieht es in der Quantenwelt aus? Bertram weist dabei immer wieder – wenn auch am Rande – auf die „unglaublichen kosmischen Zufälle“ hin, die zur Entstehung von Marterie, unseres Planetensystems und schließlich des Lebens geführt haben.

Allerdings hält der Buchtitel leider kaum, was er verspricht. Wer sich Erkenntnisse über „Gottes großen Plan“ erhofft hat, wird eher enttäuscht. Denn Bertram hält sich aus einer religiösen Deutung seiner wissenschaftlichen Darlegungen größtenteils raus und stellt am Anfang klar: „Der Text ist frei von jeglicher religiöser Wertung, die ich mir nicht anmaßen würde.“ Auch das Vorwort, für das Bertram immerhin den ESA-Astronauten Thomas Reiter gewinnen konnte, der 2006 fünf Monate auf der Internationalen Raumstation ISS war, geht leider mit keiner Silbe auf die theologische Frage nach dem „Großen Plan Gottes“ ein.

Wunder oder Zufall?

Der Autor vermag es, mit dem Leser seine Faszination für die Physik zu teilen. Aber für ein religiöses Publikum wäre es wohl spannender gewesen, jeweils im Anschluss an die Erklärung eines physikalischen Zusammenhangs auch eine theologische Deutung anzuhängen. Denn rein populärwissenschaftliche Einführungen in spannende Fragen der Physik gibt es bereits zuhauf.

Erst im letzten Kapitel geht Bertram in wenigen Absätzen auf seine persönliche Erklärung für die „schier unglaubliche Aneinanderreihung von Zufällen“ ein, die der Leser in den Kapiteln zuvor kennen lernen durfte. Er spricht zwar von „wahren Wundern“, doch einen ungläubigen Menschen wird man damit schwer überzeugen können. Denn wenn all diese Zufälle nicht eingetroffen wären, würde es nun einmal niemaden geben, der sich darüber wundern könnte. Viel spannender ist die Frage, wieso die Kette der Zufälle am Ende, genau zur rechten Zeit, ein Wesen hervorgebracht hat, das über genau die richtigen Werkzeuge verfügt, um eben dieses wunder-volle Universum zu begutachten – vielleicht war dies eben kein Zufall? Interessant wäre zudem eine Betrachtung darüber gewesen, wie groß die Wahrscheinlichkeiten denn nun sind, die zu unserer Existenz führten, und ob diese denn auch an einer anderen Stelle des Universums zusammengekommen sein könnten – gerade von einem studierten Mathematiker wie Bertram wäre dies ein interessanter Punkt gewesen.

Bertram spekuliert: „Intelligentes Leben muss im All tatsächlich keine Ausnahme sein!“ Dann aber fragt man sich, warum man sich über die Entstehung des Lebens so sehr wundern soll. Denn dann liegt das Wunder nicht bei einem Gott, sondern eben beim Zufall, dem wir unsere Existenz verdanken, und dem eventuell andere Lebensformen ebenfalls ihre Existenz verdanken. Der Zufall braucht aber keinen Schöpfer.

In theologischen Fragen bietet „Gottes großer Plan“ leider wenig Mutiges oder Neues. Das überrascht auch weniger, wenn man beachtet, dass sich der Tectum Verlag vor allem als Wissenschaftsverlag sieht, in dem auch viele religionskritische Bücher erschienen sind, etwa „ Schluss mit Luther. Von den Irrwegen eines Radikalen“, „Der Glaubenswahn“, „Der entzauberte Glaube. Eine Kritik am theistischen Weltbild aus naturwissenschaftlicher, philosophischer und theologischer Sicht“ oder „Warum ich kein Christ sein will. Mein Weg vom christlichen Glauben zu einer naturalistisch-humanistischen Weltanschauung“.

Bertram selbst sieht eine Antwort auf die Frage, warum es unser scheinbar so unmögliches Universum überhaupt gibt, in der Theorie der Multiversen: Willkürlich entsteht dieser Theorie zufolge „eine Folge unendlicher vieler parallel existierender Universen“, und in einem davon waren alle Parameter zufällig genau so, dass wir darin entstanden konnten. Bertram: „Denn schließlich könnte man fragen, warum ein allmächtiger Schöpfer lediglich ein einziges Universum erschaffen sollte, wenn es für ihn ein Klacks wäre, unendlich viele Welten zu kreieren!“ Man könnte allerdings auch umgekehrt fragen: Warum sollte ein allmächtiger Schöpfer erst viele, unnütze Welten erschaffen, wenn es für ihn ein Klacks wäre, mit nur einem Versuch gleich das perfekte Universum zu erschaffen? Gottes großen Plan ist, wenn es ihn denn gibt, nach der Lektüre von Bertrams Buch für den Leser eher noch unwahrscheinlicher geworden. (pro)

Erik Bertram: „Gottes großer Plan. Eine Reise durch die Geschichte des Universums“, 250 Seiten, 18,95 Euro, Tectum Verlag, ISBN 978-3-8288-3962-5

Von: js

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