Was ist Wahrheit? Danach zu fragen und Antworten zu suchen ist eine Geisteshaltung, die der Protestantismus geprägt hat. Das war der Zweck von Universitäten, auch säkulare Humanisten und Atheisten wollten erkennen, was wahr und gut ist. Diese Zeiten sind vorbei. Das ist die Kernthese des indischen Intellektuellen Vishal Mangalwadi. In einem Vortrag in Marburg erklärte er am Mittwoch: „Heute sagt an den Universitäten niemand mehr, dass es die Wahrheit gibt oder dass sie erkennbar ist. Jeder, der behauptet, es gebe eine Wahrheit oder er kenne sie, gilt als Fundamentalist.“ Diese Haltung hält Mangalwadi für die größte Bedrohung der christlich geprägten Zivilisation. „Der Islam ist nicht euer Problem: Ihr habt die Wahrheit verloren, deshalb werdet ihr die Freiheit verlieren“, sagte er.
Das beobachtet Mangalwadi bereits. Echte Freiheit im Denken und Reden gebe es in der westlichen Welt nicht mehr. So könne ein Uniprofessor heute nicht mehr sagen, die Homo-Ehe sei verkehrt, denn dann würde er seine Anstellung riskieren. Ähnlich sei es, wenn jemand öffentlich behauptet, dass angesichts des Klimawandels kein Grund zu Alarmismus bestehe, oder wenn Evolution als Theorie statt als Tatsache behandelt würde. Selbst in evangelischen Gemeinden der USA spreche heute kaum noch ein Prediger über die Wahrheit des Evangeliums, nur von Geschichten aus der Bibel.