Der Verunglimpfung abgesagt

Dem deutschen Außenminister Gabriel den Laufpass zu geben, wie der israelische Premier Netanjahu es getan hat, ist alles andere als diplomatisch. Das Anliegen, auf Kritik statt Verunglimpfung zu bestehen, ist aber nachvollziehbar. Eine Analyse von Daniel Frick
Von PRO
Erhielt eine Absage vom israelischen Premier Netanjahu: der deutsche Außenminister Gabriel (SPD)

Er hat es tatsächlich getan. Der israelische Regierungschef beschwört diplomatisches Gewitter herauf, indem er den deutschen Außenminister Sigmar Gabriel brüskiert. Kurz vor einem geplanten Treffen erteilte Benjamin Netanjahu dem SPD-Politiker eine Absage. Netanjahu machte damit das wahr, was er zuvor angekündigt hatte: Wenn sich Gabriel mit israelkritischen Organisationen trifft, platzt das Treffen. Brüskiert hatte im Übrigen auch Gabriel den israelischen Premier: Als Netanjahu Gabriel via Telefon seine Maßnahme erklären wollte, nahm dieser einfach nicht ab.

Für die berichtenden deutschen Journalisten tat sich nun eine einfache Rechnung auf: Organisationen wie „Das Schweigen brechen“, die angebliche Kriegsverbrechen oder sonstige Untaten der Armee aufdecken möchte, oder die siedlungskritische „B’Tselem“ werden unkritisch zu „Menschenrechtlern“ erklärt. Netanjahu, der etwas gegen ein Treffen mit ihnen hat, steht damit unweigerlich auf der Seite derjenigen, die Menschenrechte brechen. Putin und Erdogan lassen grüßen.

Aufklärung tut not

Kaum ein Medium in Deutschland bemühte sich jedoch, die Organisationen näher zu beleuchten. Auf diese Weise erfuhr das Publikum nicht, mit welchen Mitteln etwa „Das Schweigen brechen“ arbeitet. Einer der Mitbegründer der Organisation, Jehuda Schaul, hatte das Gerücht in die Welt gesetzt, wonach Siedler das Wasser von Palästinensern vergiften. Der Präsident der Palästinensischen Autonomiebehörde Mahmud Abbas griff dieses antisemitische Klischee bereitwillig in seiner Rede vor dem EU-Parlament Ende Juni 2016 in Brüssel auf. Applaus erhielt er vom damaligen EU-Parlamentspräsidenten und heutigen SPD-Kanzlerkandidaten Martin Schulz.

Auch sonst wird in Deutschland niemand darüber aufgeklärt, dass „Das Schweigen brechen“ mit gänzlich oder teilweise falschen „Zeugnissen“ hantiert. Das haben israelische Journalisten von der Sendung „HaMakor“ (Die Quelle) herausgefunden, die nach eigener Aussage mit der Bewegung sympathisieren. Schwierig ist zudem, dass die Aussagen anonymisiert und damit nicht nachweisbar sind. Die Organisation gibt vor, dies sei zum Zeugenschutz nötig.

Der feine Unterschied

Mit anderen Worten: „Das Schweigen brechen“ ist beileibe keine Organisation, der es schlicht darum geht, Menschenrechtsverletzungen anzusprechen. Die Methoden scheinen vielmehr das zu rechtfertigen, was Bildungsminister Naftali Bennett aus aktuellem Anlass über die Organisation sagt: „Es ist keine gegen Netanjahu gerichtete Organisation, es ist eine gegen die Armee gerichtete.“ Netanjahus Büro lieferte nach der Absage eine Erklärung nach, die in diese Richtung geht: „Die Politik von Premierminister Netanjahu ist, sich nicht mit ausländischen Besuchern zu treffen, die auf diplomatischen Trips in Israel wiederum Gruppen treffen, die israelische Soldaten als Kriegsverbrecher verleumden.“

Eben weil es offenkundig nicht um bloße Kritik, sondern um Verunglimpfung geht, ist auch der Vergleich schräg, den Gabriel am Morgen im ZDF bemühte. „Man muss sich mal vorstellen, der israelische Premier, der ja auch Außenminister ist, würde nach Deutschland kommen, würde sich mit Kritikern der Regierung treffen wollen und wir würden sagen: Du, das geht nicht. Das wäre ja undenkbar.“

Winden um die Fakten

Zudem wird Netanjahu nun nicht vermutet haben, dass Gabriel seinerseits den Aktivisten diese Verunglimpfung von Staat und Armee vorhält. In der Vergangenheit ist es im Gegenteil mehrmals vorgekommen, dass Politiker der SPD, die die Nähe zur Abbas-geführten Fatah sucht, allzu gerne das glauben, was ihnen erzählt wird. Im Jahr 2014 präsentierte Martin Schulz in seiner Funktion als EU-Parlamentspräsident das als Faktum, was ihm ein Palästinenser über die Wasserversorgung vorgaukelte.

Eine Hingabe an Fakten ließ auch der heutige Bundespräsident und damalige Außenminister Frank-Walter Steinmeier vermissen. Im September 2016 weigerte er sich zunächst, mögliche Terrorfinanzierung durch deutsche Steuergelder auch nur in Betracht zu ziehen. Nur wenige Wochen später gestand er zumindest die Möglichkeit zu. Der Grünen-Politiker und Vorsitzende der Israel-Gruppe im Bundestag Volker Beck kommentierte diese Haltung als „unbegreiflich“.

Unkritische Haltung gegenüber Palästinensern

Ob das alles Faktoren waren, die Netanjahu letztlich zu der Absage bewegt haben, sei dahingestellt. Fest steht, dass eine laxe Haltung, wie Steinmeier sie an den Tag gelegt hatte, für Israel nichts anderes als Fortsetzung von Terrorismus bedeutet. Das allerdings interessiert in Deutschland kaum jemanden. Israelis werden auch registrieren, dass Abbas in aller Welt hofiert wird, obwohl er Palästinenser, die Juden töten, gerne mal als „Märtyrer“ bezeichnet. In Deutschland durfte er zuletzt sogar einen Preis in Empfang nehmen wegen seiner angeblichen „Geradlinigkeit, Offenheit, Menschlichkeit und Toleranz“.

Auch das war in Deutschland keine Empörung wert. Diese unkritische Haltung ist nicht nachvollziehbar, nicht für neutrale Beobachter, schon gar nicht für die Israelis. Dafür richtet sich die „Kritik“ allzugerne gegen die israelische Regierung oder gar den Staat Israel.

Vor diesem Hintergrund bildet ein Außenminister, der sich nun mit Aktivisten trifft, die mehr für Verunglimpfung denn für Kritik stehen, die Spitze des Eisberges. Dass Netanjahu es als unnötig empfindet, das hinzunehmen, ist nachvollziehbar.

Es ist nicht so, dass deutsche Politiker im Umgang mit Israel nichts dazulernen könnten; dazu gehört die Unterscheidung zwischen Verunglimpfung und Kritik. Oder, wie Staatspräsident Reuven Rivlin es formulierte: Kritik, die auf dem Boden der Realität stattfindet. Mit Rivlin traf sich Gabriel übrigens auf seiner Nahostreise. Je nach Anstieg der Lernkurve werden auch andere Treffen mit hochrangigen Politikern in Zukunft wieder möglich sein. (pro)

Von: Daniel Frick

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