„Der Sohn der Hamas“, dein potenzieller Feind

Der eine ist der Sohn eines Hamas-Gründers, der andere ein israelischer Top-Agent – und sie arbeiten zusammen. Die Ende November anlaufende Kino-Dokumentation „The Green Prince“ gibt einen seltenen Einblick in das Verhältnis zweier Menschen, die Feinde sein sollten, aber füreinander ihr Leben riskieren. Eine Filmkritik von Martina Schubert
Von PRO
„The Green Prince“ ist die filmische Adaption des Buches „Sohn der Hamas“, Mosabs Autobiografie
„The Green Prince“ erzählt die packende Lebensgeschichte des zum Glauben an Jesus gekommenen Muslims Mosab Hassan Yousef. Er ist der Sohn des Hamas-Mitgründers Scheich Hassan Yousef. Im Alter von 17 Jahren wird Mosab vom israelischen Inlandsgeheimdienst Schin Bet rekrutiert. Er wechselt die Seiten, weil er während seiner Zeit im Gefängnis für sich erkennt, dass das Streben der Hamas auf einer Lüge basiere. Indem er sich von diesen Idealen lossagt, fehlt ihm ein Grund, für den es sich zu kämpfen lohnt. Er entscheidet sich für die Moral. Freunde und Familie verrät Mosab, um als Informant in das Herz der Organisation seines Vaters vorzudringen.

„Zweifel ist das wichtigste Instrument“

Mosabs israelischer Kontaktmann ist Gonen Ben Itzhak, einst Agent des Geheimdienstes mit großen Aufstiegschancen. Der Führungsoffizier beweist Fingerspitzengefühl, als er 1996 Mosab rekrutiert. Im Film zeichnet er sein genaues Vorgehen nach. Gonen nennt das Rüstzeug eines Geheimdienstlers: „Zweifel ist das wichtigste Instrument eines Führungsoffiziers. Wer nicht zweifelt, wird scheitern.“ Es sei gefährlich, zu vergessen, „dass der Informant kein Freund ist, sondern ein potenzieller Feind.“ Mosabs Deckname ist „Grüner Prinz“ (englisch Green Prince), weil grün nicht nur die Farbe des Islam, sondern auch der Hamas ist. Er hadert damit, dass ihm der Geheimdienst kein Vertrauen schenkt: „Sie vertrauen mir nicht und ich riskiere so viel.“ Um seinem Informanten Mosab zu zeigen, was er ihm bedeutet, trifft Gonen ihn ohne Bodyguard. Damit verstößt er wiederum gegen das Schin Bet-Protokoll und gerät in Schwierigkeiten. Gonen versteht später: „Er war mehr als eine Quelle, wir konnten uns immer auf ihn verlassen.“ Im Laufe der Geschichte riskiert der Agent alles, sogar eine Verurteilung als Vaterlandverräter, um Mosab zu beschützen. Gerade die persönlichen Schilderungen und Empfindungen der Beteiligten machen das 95-minütige Werk emotional packend und lassen den Zuschauer nicht los.

Das Leben riskieren, um das Richtige zu tun

Regisseur Nadav Schirman überschreitet mit „The Green Prince“ Genre-Grenzen. Obgleich der Zuschauer einen Dokumentarfilm sieht, hat Schirman das Werk als dramatischen Thriller inszeniert. Herausgekommen ist eine Kino-Dokumentation, beruhend auf wahren Geschehnissen. Als der Filmemacher von der Geschichte der beiden hörte, war er beeindruckt von den einzigartigen Umständen ihrer Verbindung: „Beide Protagonisten haben ihr Leben riskiert, um das Richtige zu tun. Sie haben beide eine moralisch starke Veranlagung und keine Angst, gegen den Strom zu schwimmen. Das ist die absolute Ausnahme im Israel-Palästina-Konflikt, in dem die meisten Menschen einfach folgen, statt zu führen.“ Agent Gonen und der „Sohn der Hamas“ erzählen ihre Sicht der kompletten Geschichte: Von Mosabs Rekrutierung bis zu seiner späteren Ausreise in die USA, wo er sich sicher glaubt, ihm aber sogar die Abschiebung und damit der Tod droht. Auch geht es um Gonens Rettungsaktion, die Mosabs Leben rettet, sie Freunde werden lässt und sie für immer verbindet. In einer Welt der Lügen und des Betrugs lernen sie, sich aufeinander zu verlassen. Regisseur Schirman sagt: „Ihre Freundschaft gibt Hoffnung und ist ein Beispiel für das, was passiert, wenn Menschen trotz der vorgefassten Denkbilder den Mut haben, sich gegenseitig zu vertrauen.“

Seltene Innenansicht von Geheimdienst und Hamas

Der Film zeigt zwei visuelle Ebenen, zum einen die Sicht des Systems, das das Geschehen durch Drohnen und Überwachungskameras aufzeichnet und die Menschen als funktionale Markierungen auf einer Karte sieht, erklärt Regisseur Schirman. Zum anderen wirft die menschliche Sicht einen fragilen und emotionalen Blick auf die Ereignisse. Die Kombination aus diesen beiden Blickwinkeln ist die Stärke des Films. Gerade der menschliche Blick zieht den Zuschauer emotional in das Geschehen, denn „nichts interessiert den Menschen so wie der Mensch“, wie ein journalistischer Leitsatz lautet. „The Green Prince“ ist ein beeindruckender Dokumentarfilm. Durch ihn hat der Zuschauer die außergewöhnliche Möglichkeit, in die Welt des Schin Bet einzudringen. Er erfährt von Augenzeugen, wie dieser israelische Geheimdienst agiert. Gleichzeitig erhält der Zuschauer eine Innensicht auf die Geheimnisse der Terror-Organisation Hamas. Die zwei Hauptakteure Mosab und Gonen machen diese abstrakte Welt greifbarer. Der Film ist ein wertvolles und sehenswertes Dokument der Zeitgeschichte. Mitte Januar feierte „The Green Prince“ in den USA auf dem „Sundance Film Festival“ Weltpremiere. Er ist die filmische Adaption des Buches „Sohn der Hamas“, Mosabs Autobiografie. Im Oktober wurde er mit dem Hessischen Filmpreis ausgezeichnet. Ab 27. November läuft der Film in den deutschen Kinos an. (pro) „The Green Prince“, Kinostart 27. November, 95 Minuten, Deutschland, Israel, Großbritannien 2014, Originalton mit Untertiteln, FSK 12
https://www.pro-medienmagazin.de/kultur/buecher/detailansicht/aktuell/seitenwechsel-hamas-anhaenger-wird-christ-83894/
https://www.pro-medienmagazin.de/film/detailansicht/aktuell/sohn-der-hamas-verfilmt-leben-mohammeds-81209/
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