Am Donnerstag hat der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) Gaby Wentland und ihren Verein Mission Freedom für sein Engagement gegen Menschenhandel und Zwangsprostitution ausgezeichnet. Trotz breiter Kritik haben die Verleger an ihrem Preisträger festgehalten. Das weist auf einen Gesinnungswandel hin. Ein Kommentar von Anna Lutz
Von PRO
Foto: pro
Gaby Wentland hat den Bürgerpreis der Deutschen Zeitungen erhalten
Was nach einem Vorgang klingt, wie er in Deutschland nahezu täglich passiert – Verbände zeichnen Organisationen für ihre Wohltätigkeit aus – ist im Fall von Gaby Wentland und dem BDZV alles andere als selbstverständlich. Denn kurz nach Bekanntwerden des Preisträgers brach im vergangenen Herbst ein mediales Kreuzfeuer auf Wentland los. Dass die Zeitungsverleger dennoch an Wentland festhielten, markiert eine neue deutsche Sicht auf das Thema Prostitution.
NDR, taz, Spiegel Online und diverse Hamburger Medien kritisierten Mission Freedom dafür, dass die Vorsitzende zum Beispiel dem Evangelisten Reinhard Bonnke nahe steht. Die Presse witterte eine Vermischung von Mission und Sozialarbeit. Es fanden sich Zeugen, die erlebt haben wollten, wie Mission Freedom Frauen mit christlicher Musik quasi zwangsbeschallt und zudem Ausgehverbote erteilt habe. Eine linke Politikerin warf Wentland vor, Opfer von Zwangsprostitution unnötig in Gefahr gebracht zu haben, weil sie deren Schicksal veröffentlichte, andere Organisationen verweigerten dem Verein ganz die Zusammenarbeit und berichteten davon in der Presse.
Derweil hat Gaby Wentland unter anderem in einem Interview mit pro zu allen Vorwürfen breit Stellung bezogen. Sie stelle den Frauen, die bei ihr Hilfe suchten, frei, welcher Religion sie anhängen wollten. Wenn sie Opferschicksale öffentlich gemacht habe, sei das auf ausdrücklichen Wunsch der entsprechenden Personen hin geschehen, sie würde dies dennoch nicht wieder tun. Es gebe ein Zerwürfnis mit dem LKA, weil dieses behauptet habe, in Hamburg existierten keine minderjährigen Zwangsprostituierten. Ob Wentland die gegen sie vorgebrachten Vorwürfe damit gänzlich entkräftet, mag nun jeder Leser für sich entscheiden. Fakt ist aber: Der Bundesverband der Zeitungsverleger hat sich von der eigenen Branche nicht verschrecken lassen. Er hat am Preisträger festgehalten.
Mehr wert als 20.000 Euro
Bei der Preisverleihung erklärte Verbands-Präsident Helmut Heinen, es habe wie in jedem Jahr viele großartige Vorschläge für die mit 20.000 Euro dotierte Auszeichnung gegeben, etwa eine Organisation, die mittellose Menschen medizinisch betreut oder eine andere, die sich um Flüchtlinge kümmert. Das ist beides ebenfalls ehrenwert, warum also haben sich die Verleger ausgerechnet für Mission Freedom entschieden? Vermutlich liegt der Grund weniger im Engagement des Vereins selbst, auch wenn die Arbeit, die dort geleistet wird, ohne Zweifel Anerkennung verdient. Doch der BDZV besteht nunmal aus Journalisten, Chefredakteuren und Verlegern. Daraus lassen sich zwei Dinge schließen, die Gaby Wentland noch mehr freuen sollten, als dass sie ausgezeichnet wurde. Erstens hat das lange ignorierte Thema Zwangsprostitution in der Wahrnehmung der Journalisten zu „Dauerbrennern“ wie der Flüchtlingsproblematik aufgeschlossen. Die Blattmacher empfinden das Thema als so drängend, dass eines ihrer Gremien nun sogar einen Verein auszeichnet, der sich gegen eine Verharmlosung der Problematik in der Öffentlichkeit stellt. Zweitens werden all jene, die der Preisverleihung direkt oder indirekt beigewohnt haben, das Thema weiter in ihre Redaktionen tragen. Die Tatsache, dass Deutschland eine Art Drehscheibe für Menschenhandel geworden ist, wird weiterhin berichtet werden. Redakteure und Reporter werden recherchieren, Druck auf die Politik und letztlich auch auf Zuhälter und Bordellbesitzer ausüben.
Ein lange gut gehütetes Geheimnis deutscher Rotlichtviertel ist offenbar geworden und wird es bleiben: In der Sexbranche sind Menschenrechtsverletzungen an der Tagesordnung. Oder wie die Sozialarbeiterin Sabine Constabel bei der Preisverleihung sagte: Eine Differenzierung zwischen guter und schlechter Prostitution ist so gut wie unmöglich, die Grenzen sind fließend. „Ich glaube, dass es sinnvoll ist, an einer Gesellschaft zu arbeiten, in der es Prostitution nicht gibt“, ist sie überzeugt. Dass diese Erkenntnis sich auch bei Journalisten breit macht, ist der wahre Sieg der Gaby Wentland. (pro)
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