Dass eine „Scharia-Polizei“ deutschen Frauen sagt, wie sie sich zu kleiden haben, hält Imam Hassan Dabbagh für völlig ok. Bei „Hart aber fair“ war der in weiß gekleidete Muslim wieder einmal das Zentrum einer hitzigen Diskussion um die Beschneidung von freiheitlichen Werten in unserer Gesellschaft. Eine TV-Kritik von Jörn Schumacher
Von Jörn Schumacher
Foto: WDR/Oliver Ziebe
Der Imam der Leipziger Al-Rahman-Moschee, Hassan Dabbagh, sieht sich selbst nicht als Salafist. Andere Gäste von „Hart aber fair“ sehen das anders
Dabbagh, der wie immer in weißem Gewand und mit weißer Kopfbedeckung auftrat, ließ es sich nicht nehmen, in der Fernsehsendung „Hart aber fair“ am Montagabend aufzutreten, nicht ohne in die Opferrolle zu schlüpfen. Er zeigte sich überzeugt: „Es gibt eine Medien-Kampagne, die den Islam schlecht darstellen will, damit die Leute den Islam nicht annehmen!“
Die Gäste der Sendung diskutierten über 60 Minuten lang über eine handvoll junger Männer, die in deutschen Städten als „Scharia-Polizei“ Muslime dazu ermutigten, den Islam ernster zu nehmen. Frauen forderten sie auf, ein Kopftuch zu tragen, wie in einem Video-Beitrag eine junge Frau aus Düsseldorf berichtet. Dass viele Deutsche angesichts dieser religiösen Sittenpolizei iranischer Coleur Skepsis und Sorge haben, ist für den Imam Dabbagh nicht verständlich. Das Problem liege nämlich wiederum bei den Deutschen und ihren Vorurteilen: „Man hat in Deutschland die ganze Zeit eine Strategie verfolgt, bei der man klassische Konditionierung gemacht hat“, sagte Dabbagh. Pawlow habe Hunde konditioniert, und so würden die Menschen in Deutschland über die Medien konditioniert. „Islam, Bomben, Terrorismus. Wenn Sie nur von Bomben sprechen, dann denken die Leute an den Islam“, sagte der Imam.
„Jemand, der Frauen nicht die Hand gibt, hat in dieser Runde nichts zu suchen“
Widerspruch regte sich unter fast allen Gästen, als Dabbagh die Aktion der „Scharia-Polizei“ mit denen der Zeugen Jehovas verglich. Volker Beck, innenpolitischer Sprecher von B’90/Grüne, sagte: „Die Zeugen Jehovas, deren Freund ich nun wirklich nicht bin, die klingeln mal an der Tür und fragen, ob man mit ihnen über Gott reden kann, und auf der Straße stehen sie und bieten ihre Literatur an. Aber sie belästigen nicht und sagen den Leuten nicht, wie sie zu leben und wie sie sich zu kleiden haben!“
Deutliche Worte fand der erst später hinzugekommene Journalist und Nahost-Experte Ulrich Kienzle. Es sei zwar falsch, in jedem Salafisten einen „Totschläger“ zu sehen, denn es gebe auch friedfertige Salafisten. Dennoch müsste man feststellen: „Nicht jeder Salafist ist ein Terrorist, doch die meisten jener junger Leute, die in den Krieg ziehen, haben Kontakt mit Salafisten gehabt.“ Den neben ihm sitzenden Imam Dabbagh bezeichnete er als einen „gefährlichen Mann“, denn: „Hier macht er auf Friede, Freude, Eierkuchen, aber wenn er draußen ist, predigt er was anderes.“ Später warf Kienzle, auf Dabbagh zeigend, ein: „Jemand, der Frauen nicht die Hand gibt, hat in dieser Runde eigentlich nichts zu suchen.“
Volker Beck pflichtet dem Journalisten bei: „Wenn man in die Moschee von Herr Dabbagh guckt und was die an Literatur verteilt, und was er nach dem Bericht des Verfassungsschutzes alles predigt, dann muss man sich nicht wundern, dass das zu einer weiteren Radikalisierung führt und in Gewalttaten enden kann.“ Dabbagh selbst wollte sich nicht als Salafist bezeichnen lassen, musste sich jedoch mehrmals den Vorwurf anhören, seine Theologie gründe fest auf salafistischen Gelehrten.
„Gottesstaaten“ gibt es bereits
Kienzle sagte, die Anhänger des IS verstünden es, junge Menschen hierzulande in ihrer Sprache anzusprechen. Dazu gehöre sogar das Verbreiten von Köpf-Videos. Mohammed selbst habe bei seiner ersten Schlacht Hunderte Menschen geköpft. „Salafismus bedeutet, leben wie die Altvorderen. Das heißt: Leben wie im siebenten Jahrhundert.“
Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann warnte davor, dass sich der muslimische Fanatismus in Deutschland Bahn breche. Daher sei es richtig, auch nur bei fünf Aktivisten der „Scharia-Polizei“ zu signalisieren: „Stop, hier ist Schluss.“ Weiter sagte der CSU-Politiker: „Es kann niemand hierher kommen und sagen: Ich habe eine andere Glaubensvorstellung, und mit der setze ich mich über das, was hier in Deutschland Verfassung und Rechtsordnung ist. […] Gegenüber den total intoleranten Leuten darf es keine falsche Toleranz geben.“ Er wies darauf hin, dass es bereits selbsternannte muslimische „Gottesstaaten“ gebe, etwa im Iran oder in Saudi Arabien; Dort gebe es auch eine entsprechende muslimische Sittenpolizei.
Eklat am Ende
Lamya Kaddor, Lehrerin für Islamkunde, sagte in Bezug auf die Scharia-Polizei: „Das geht nicht! Wir können nicht auf Muslime oder Nichtmuslime zugehen und die Sittenpolizei durchführen.“ Das gehe letztendlich auf alle Muslime zurück, von denen es dann heiße, sie alle versuchten zu missionieren, was nicht so ist. Dennoch warnte sie vor einer Hysterie, die hinter jedem Muslim einen Terroristen ausmache.
Moderator Frank Plasberg hatte das letzte Wort eigentlich Imam Dabbagh zugedacht, doch der nutzte es, um eine Bemerkung zu machen, die Beck zu dem Ausruf veranlasste: „Der ist doch nicht bei Trost!“ Der Geistliche behauptete, man könne israelische Soldaten mit IS-Kämpfern vergleichen. Daraufhin erklärte Plasberg: „Sie haben einen Vergleich gezogen, der diskussionswürdig ist. Das ist blöd, wenn das am Ende der Sendung passiert. Sie sollten das letzte Wort haben, das haben Sie aber jetzt nicht mehr, das hat Herr Beck.“ Der stellte klar: „Man kann doch nicht jemanden, der in einer regulären Armee kämpft wie in Israel, weil er die israelische Staatsbürgerschaft hat, gleichsetzen mit jemanden, der in einer Terror-Organisation wie der ISIS (sic) kämpft. Damit haben Sie ihre Maske fallen gelassen und gezeigt, was für ein übler Hetzer Sie eigentlich sind.“ (pro)
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