Der „Rebell Gottes“ und seine Geschichte im „Focus“

Anlässlich des Reformationsjubiläums hat das Magazin "Focus" die Titelgeschichte seiner jüngsten Ausgabe dem Reformator Martin Luther gewidmet. Auf acht Seiten beschäftigt sich das Nachrichtenmagazin mit dem "Rebell Gottes" und seiner Geschichte – und transportiert en passant die reformatorische Lehre von der Erlösung zu seinen Lesern.
Von PRO

"Vor 500 Jahren kam Martin Luther nach Wittenberg – und das weltgeschichtliche Drama der Reformation nahm seinen Anfang", so steigen der stellvertretende Chefredakteur des "Focus", Markus Krischer, und Leipzig-Korrespondent Alexander Wendt in die Titelgeschichte ein – und berichten dann von einem Vorgang, der sich erst fünf Jahre später, nämlich 1517, in Wittenberg ereignet hat: Die Veröffentlichung der 95 Thesen, die als Beginn der Reformation gilt. Dieser Vorgang führte "zum Untergang der alten und zum Aufgang einer neuen Welt – und einer neuen Zeit", sind die Autoren überzeugt. Allerdings sei der Anschlag der Thesen allenfalls der sichtbare Auslöser einer historischen Kettenreaktion.

Berufsberatung unterm Birnbaum

"Wer nach den Anfängen der Reformation sucht, der wird in das Jahr 1512 zurückblicken müssen", behaupten Krischer und Wendt, und verweisen auf ein Gespräch, das Luthers Mentor Johann Staupitz mit dem 28-Jährigen im Hof des Augustiner-Klosters von Wittenberg unter einem Birnbaum geführt hat. Staupitz forderte den jungen Mönch damals auf, er möge sich zum Doktor der Theologie promovieren lassen. Viel später habe der Reformator die "Berufsberatung unterm Birnbaum als prophetisches Ereignis" gedeutet. "Luther war nun ein Lehrender, einer, der den Auftrag und das Recht besaß, die Botschaft der Bibel zu deuten und zu propagieren", beschreibt der "Focus" die neue Autorität des Doktors der Theologie. Das Magazin zitiert den Kirchenhistoriker Martin Brecht, nach dem "Luther mit der Autorität seines Sachverstands gegen die Definitionsmacht der Kirche" antrat.

Die Ursache von Luthers Reformationserfolg sehen die Autoren jedoch in der Zeit, in der er lebte: "Nur wer sich darüber im Klaren ist, welche enorme Bedeutung Glaubensfragen im späten Herbst des Mittelalters besaßen, vermag die Kraft des ketzerischen Mönchs aus Wittenberg einzuschätzen." "Luthers Pfadfinder ins gelobte Land" sei zweifellos der Apostel Paulus gewesen. Dessen Schriften wiederum hätten mehr als 1.000 Jahre vor dem Reformator einem christlichen Denker den Weg gewiesen, nämlich Augustinus, der "sich von Paulus zu einer eigenwilligen und für die christliche Kirche entscheidenden Heilslehre" habe inspirieren lassen.

Erlösung als ein Gnadengeschenk Gottes

Die Autoren fassen die Lehre Augustinus‘ so zusammen: "Die Erlösung des Menschen, und hier bezog sich Augustinus ausdrücklich auf den Römerbrief des Paulus, sei einzig und allein ein Gnadengeschenk Gottes." Als eifriger Augustiner-Eremit habe sich Luther in die Gedanken des Ordensvaters vertieft, dessen Schriften in den ersten Jahren des 16. Jahrhunderts eine ungeheure Aktualität gehabt hätten. Augustinus wurde damals von der Wissenschaft wieder "entdeckt". So habe im Jahr 1512 der französische Gelehrte Jakob Faber Stapulensis seine Kommentare zu den Paulus-Briefen veröffentlicht, in denen er darüber sinnierte, dass Menschen mit ihrem Tun niemals die Erlösung erzwingen könnten. "Zu genau dieser Anschauung sollte Jahre später auch Luther gelangen – und damit die Glaubensrevolution auslösen", stellen Krischer und Wendt fest.

Der Beitrag geht ausführlich auf das Bekehrungserlebnis Luthers ein: Er berichtet, wie der Reformator nach der Erlösung gesucht und mit dem Begriff der göttlichen Gerechtigkeit gerungen hatte, um schließlich zu erkennen, "dass Gott allen Menschen seine Gerechtigkeit und damit das Heil bereits geschenkt habe – und zwar durch den Glauben an seinen Sohn". Wieder zitieren die Autoren den Luther-Forscher Brecht: Das Evangelium habe plötzlich die "passive Gerechtigkeit" Gottes offenbart, "der durch gute Werke oder Buße allein deshalb nicht mehr zu besänftigen war, weil er den Menschen Barmherzigkeit und Vergebung bereits zugesprochen hatte". Für den Gläubigen komme es nur darauf an, dieses Geschenk anzunehmen – die Schrift zu lesen, auf Christus zu hören und auf die Gnade Gottes zu bauen. Mit dieser Erkenntnis habe Luther die Welt erschüttert.

Im Zweifel ins Feuer

Krischer und Wendt weisen darauf hin, dass Luther den ketzerischen Gehalt seines Denkens nicht zu erkennen vermochte. Sie beschreiben ausführlich die Auseinandersetzung des Reformators mit Kirche und Papst, die gemeinsam mit der Confessio Augustana 1530 und dem Augsburger Religionsfrieden 1555 schließlich zur Entstehung einer neuen Kirche geführt habe. Nebenbei sei der Prototyp eines neuen Christen geboren worden, der im Zweifel ins Feuer gehen würde, um an seinem Gewissen keinen Schaden zu nehmen. "Diese charakterliche Figur blieb für den Protestantismus über die Jahrhunderte hinweg prägend. Große Gestalten gehören in diese Tradition genauso wie große Selbststilisierer: Dietrich Bonhoeffer ebenso wie Margot Käßmann."

Der "Focus" transportiert mit seiner Titelgeschichte die grundlegenden Lehren der Reformation und bietet dem Leser die Gelegenheit, sich mit den Themen Gnade und Erlösung auseinanderzusetzen. Zahlreiche historische und aktuelle Bilder illustrieren den Artikel und ergänzen so das Bild, das der Text von Luther zeichnet. Die "Bühne eines weltgeschichtlichen Dramas" wird in einer Karte dargestellt, die Liste "Luthers Stationen" vermittelt die wichtigsten biographischen Daten. Alles in allem eine schöne, gehaltvolle "Weihnachtsgeschichte". (pro)

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