Der Pastor und der Atheist: „Newsweek“ bat zum Streitgespräch

L a k e F o r e s t (PRO) - Das amerikanische Magazin "Newsweek" hat den bekanntesten Pastor der USA, Rick Warren, und einen der engagiertesten Atheisten, Sam Harris, zu einem Streitgespräch eingeladen. Die beiden unterschiedlichen Männer unterhielten sich fast vier Stunden über Fragen wie "Ist Gott real?" und "Warum soll man glauben?".
Von PRO

„Viele Atheisten verstecken sich hinter einem Rationalismus; wenn man nachbohrt, stößt man auf recht emotionale Reaktionen“, sagte Warren. „Ich habe noch nie einen Atheisten getroffen, der nicht wütend wurde.“ Harris: „Lass mich der erste sein.“

Warren gründete 1980 die Saddleback-Gemeinde, an deren Gottesdiensten jeden Sonntag 25.000 Menschen teilnehmen. Sein Buch „Leben mit Vision. Wozu um alles in der Welt lebe ich?“ ist mit bisher 26 Millionen verkauften Exemplaren das erfolgreichste Hardcover-Sachbuch aller Zeiten im amerikanischen Buchhandel. Der „Newsweek“-Redakteur Jon Meacham lud ihn und den promovierten Neurowissenschaftler Sam Harris in Warrens Büro in Lake Forest, Kalifornien, zu einem Schlagabtausch ein. Harris ist Autor der beiden Bücher „Das Ende des Glaubens“ und „Brief an eine christliche Nation“.

Harris habe „ziemlich wütende Bücher“ geschrieben, so Warren. „Sam hat in seinem Buch geschrieben, dass Religion schlecht für die Welt ist. Aber es wurden viel mehr Menschen von Atheisten getötet als in allen religiösen Kriegen zusammengenommen. (…) Es gibt heutzutage eine Heimat für Atheisten, die heißt Nordkorea. Ich kenne keinen Atheisten, der gerne dorthin möchte. Ich würde lieber unter Tony Blair oder sogar George Bush leben wollen.“

„Um das Leid in der Welt kümmern sich Christen, nicht Atheisten“

Warren betonte, dass sich hauptsächlich Christen um das Leid in der Welt kümmerten, und nicht Atheisten. „Alle großen Vorwärtsbewegungen in der westlichen Zivilisation kamen von Gläubigen. Es waren Pastoren, die zur Abschaffen der Sklaverei führten. Es waren Pastoren, die das Wahlrecht für Frauen brachten. Es waren Pastoren, die zu Bürgerrechtsbewegungen führten. Nicht Atheisten.“ Alle großen Fragen des 21. Jahrhunderts seien religiöse Fragen, so der Pastor. „Wird sich der Islam friedlich modernisieren? Was passiert mit dem Einfluss der Moslems im säkularen Europa, das seinen Glauben ans Christentum verloren hat und diesem Verlust in religiösen Fragen nichts entgegenzusetzen hat? Was wird den Marxismus in China ablösen? Da geht es überall ums Christentum.“ Harris antwortete: „Ich denke, die Antworten werden, in geistlicher und ethischer Hinsicht, nicht konfessionsgebunden sein. Wir erleiden das Aufeinandertreffen von Konfessionen, besonders mit dem Islam. Egal, was wir an Wahrheiten haben, sie sind nicht christlich. Und sie sind nicht muslimisch. Physik ist nicht christlich, auch wenn sie von Christen erfunden wurde. Algebra ist nicht muslimisch, auch wenn sie von Moslems erfunden wurde.“

Es gebe keine Evidenz für einen Gott, sagte Harris auf die Frage „Ist Gott real?“. In Bezug auf den griechischen Gott Zeus etwa und andere „tote Götter“ seien praktisch alle Menschen Atheisten. Warren antwortete: „Ich sehe überall die Fingerabdrücke Gottes, sei es in der Kultur, in der Rechtssprechung, in der Literatur, in der Natur. Ich sehe sie in meinem eigenen Leben.“

In Harris‘ Augen sei die Bibel „genauso wie der Koran nur ein Buch, das von Menschen geschrieben wurde. Es gibt Teile in der Bibel, die ich absolut brillant und poetisch unerreicht finde. Und es gibt Teile in der Bibel, die blanker Barbarismus sind, die nur eine göttlich angeordnete Moralität erklären sollen.“ Taten, wie sie das Volk Israel im Alten Testament beging, würden es heute vor den Internationalen Gerichtshof bringen, ist sich Harris sicher.

Warren: „Glaube nicht an die Evolution“

Auf die Frage des „Newsweek“-Reporters „Glauben Sie, dass die Welt erschaffen wurde, wie es in der Genesis beschrieben wird?“, antwortet Warren: „Wenn Sie danach fragen, ob ich an die Evolution glaube, lautet die Antwort: Nein, tue ich nicht. Ich glaube, dass Gott in einem Moment den Menschen erschaffen hat. Ich glaube, dass die Genesis wortgetreu ist, aber ich weiß auch, dass metaphorische Ausdrücke benutzt wurden. Kam Gott wirklich herunter und blies dem Menschen in die Nase? Wenn man an Gott glaubt, hat man kein Problem damit, Wunder zu akzeptieren. Wenn Gott das also so tun wollte, ist das für mich okay.“

Einer der „großartigsten Hinweise auf Gott“ seien zudem beantwortete Gebete, so Warren. „Wenn so etwas immer wieder geschieht, ist dies ein untrüglicher Hinweis auf die Existenz Gottes.“ Wenn Gott jedoch Gebete nicht erhöre, etwa wenn ein kleines Mädchen an Krebs sterbe, glaube er dennoch an Gottes Güte. „Und ich glaube, dass er besser Bescheid weiß als ich. Manchmal sagt Gott ‚Ja‘, manchmal ‚Nein‘, und manchmal sagt er: ‚warte einfach‘. Ich musste den Unterschied zwischen ‚Nein‘ und ’noch nicht‘ erst lernen.“

Zudem sei der Glaube an Gott einer der wichtigsten Gründe für moralisches Verhalten. „Wenn es keinen Gott gibt, wenn ich nur ein Haufen komplizierter Schlamm bin, dann ist mein Leben egal, und Dein Leben ist egal.“ Dann gelte lediglich das Recht des Stärkeren, man würde jemanden töten, wenn es dem eigenen Überleben helfen würde. „Über Jahre hinweg haben Atheisten so gelebt, als gebe es keinen Gott, aber sie wollten so leben, als gebe es ihn. Sie wollten so leben, als hätte ihr Leben eine Bedeutung.“

„Jesus zwingt zu einer Entscheidung“

Beide, den Pastor und den Atheisten, verbinde ein „Glaube“, so Warren: „Du glaubst, dass es keinen Gott gibt. 1974 verbrachte ich einige Zeit in Japan, und ich studierte alle Weltreligionen. Alle Religionen verweisen auf die Wahrheit. Buddha machte am Ende seines Lebens die berühmte Aussage: ‚Ich suche immer noch nach der Wahrheit.‘ Mohammed sagte: ‚Ich bin der Prophet der Wahrheit.‘ Die Veda sagt: ‚Die Wahrheit ist trügerisch, sie ist wie ein Schmetterling, man muss sie suchen‘. Und dann kommt Jesus und sagt: ‚Ich bin die Wahrheit.‘ Das zwingt dich auf einmal zu einer Entscheidung.“

Harris: „Das haben viele, viele Propheten und Gurus gesagt.“ Warren: „Es gibt hier einen Unterschied. Jesus sagt: ‚Ich bin der einzige Weg zu Gott‘. Entweder er lügt, oder er lügt nicht.“ Letztendlich hätte keine Religion großen Einfluss, wenn es den Tod nicht gäbe, stellt der Interviewer fest. Auf die Frage, ob er glaube, dass der Atheist Harris ohne Jesus verloren sei, antwortete Warren: „Die politisch inkorrekte Antwort ist ja. Religionen schließen einander aus. Jemand, der sagt: ‚Ich kann an alle Religionen glauben‘, ist ein Idiot. Man kann nicht gleichzeitig an die Wiedergeburt und an einen Himmel glauben.“

Sowohl Harris als auch Warren würden Wetten abschließen, so der Pastor: „Er wettet um sein Leben, dass er richtig liegt. Ich wette um mein Leben, dass Jesus kein Lügner war. Wenn wir sterben, und er gewinnt, hab ich nichts verloren. Wenn ich Recht habe, hat er alles verloren. Da werde ich nicht zocken.“

Das Original-Interview auf Englisch finden Sie hier http://www.msnbc.msn.com/id/17889148/site/newsweek

Helfen Sie PRO mit einer Spende
Bei PRO sind alle Artikel frei zugänglich und kostenlos - und das soll auch so bleiben. PRO finanziert sich durch freiwillige Spenden. Unterstützen Sie jetzt PRO mit Ihrer Spende.

Ihre Nachricht an die Redaktion

Sie haben Fragen, Kritik, Lob oder Anregungen? Dann schreiben Sie gerne eine Nachricht direkt an die PRO-Redaktion.

Offline, Inhalt evtl. nicht aktuell

PRO-App installieren
und nichts mehr verpassen

So geht's:

1.  Auf „Teilen“ tippen
2. „Zum Home-Bildschirm“ wählen