Der Papst kommt… und seine Ketzer!

Eine gezielte Provokation der Ökumene? Arnd Brummer, Chefredakteur des Monatsmagazins "Chrismon", erzählt in seinem Buch "Unter Ketzern - Warum ich evangelisch bin" die Geschichte seiner Suche nach einer kirchlichen Heimat. Bei seiner Konversion zum evangelischen Glauben soll Papst Benedikt XVI. eine ganz entscheidende Rolle gespielt haben. Pro hat sich das Buch angesehen, das ausgerechnet vor dem Papstbesuch am 22. September erschienen ist und in der Presse bereits für Wirbel gesorgt hat.
Von PRO

"Es waren zwei Frauen, die mich im Glauben erzogen, die mich beten
lehrten, mich mit Marienliedern in den Schlaf sangen, mir vom heiligen
Franz von Assisi und der heiligen Clara erzählten: meine Mutter und
deren Mutter, meine geliebte Oma." Brummer erzählt in seinem Buch, wie
er in einer katholischen Familie in Konstanz aufgewachsen ist. Mit zehn
Jahren entdeckte er sein Interesse für Jan Hus, Priester in Prag und
Reformer. Das Konstanzer Konzil verurteilte ihn im Juli 1415 als
Häretiker und verbrannte ihn bei lebendigem Leibe. "Ein Ketzer! So sagte
meine Religionslehrerin. Einer, der dem Papst und der Kirche nicht
gehorsam sein konnte", schreibt Brummer, dessen Faszination für Hus
daraufhin nicht abnahm.

"Der Tag, an dem ich beschloss, dem Evangelischen in mir Raum zu geben, hatte mit einem Ratzinger-Wort zu tun, das inzwischen der wohl bekannteste Beitrag des heutigen Papstes zur Definitionsdebatte der römischen Kirche ist." Der damalige Kurienkardinal Joseph Ratzinger verteidigte in diesem Beitrag die eine heilige, römischen Kirche, so Brummer in seinem Buch. Er las die Literatur von Karl Barth, Martin Luther sowie anderer Reformatoren und fand sich immer mehr in der evangelischen Theologie wieder. Motiviert durch seine neuen theologischen Erkenntnisse suchte er später in Bonn die evangelische Kirche auf.

"Die Kirche ist wie ein Leuchtturm, sagt der Papst. Sie verkündet, wo es langgeht. Die römische Kirchen-Idee vom unfehlbaren Lehrgebäude des Papsttums, die gottlob von den katholischen Christen an der Basis täglich ad absurdum geführt wird, steht außerhalb des Lebens wie der Leuchtturm außerhalb des Ozeans", schreibt Brummer. Damit distanziert er sich vom althergebrachten Standpunkt der katholischen Kirche. Offensichtlich ist Brummer diese Entscheidung nicht leicht gefallen. In seinem Buch beschreibt er, dass sich der Weg zum evangelischen Glauben über 20 Jahre hingezogen hat. Ein Weg, der geprägt war, von vielen Begegnungen: enttäuschenden wie ermutigenden. Seine bei den evangelischen Christen neu gefundene Definition von Kirchengemeinde beschreibt er so: "Christsein heißt: mit im Boot sitzen, gemeinsam mit den anderen nach Lösungen suchen, die Ruder ergreifen, die Pinne halten, besonders dann, wenn der Sturm aufkommt."

Der Sturm ist aktuell aufgekommen. Die Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland, Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (Bündnis 90/Die Grünen), sagte gegenüber der "Rheinischen Post": "Das Bild, das Herr Brummer zeichnet, ist nicht das Bild, das ich heute von der katholischen Kirche habe. Es ist ein sehr altes, sehr persönliches Bild." Die Veröffentlichung hat kurz vor dem Papstbesuch in Deutschland zur Verärgerung bei der katholischen Kirche geführt. Die "Rheinische Post" zitiert den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz: "Robert Zollitsch sagte, er habe sich über die Veröffentlichung ‚gewundert‘ und kündigte an, mit den Verantwortlichen darüber zu sprechen." Besonders dürften Aussagen wie diese zum Befremden der Leser beigetragen haben: "Ich empfand die Hochämter an Weihnachten oder Ostern als ‚Holy Horror Picture Shows‘. Priester und ein Dutzend Ministranten lieferten eine Inszenierung ab."

Brummer geht in seinem Werk darauf ein, wie er in seiner Kindheit und als Heranwachsender den katholischen Kontext seiner Umgebung erlebt und es ihn zur evangelischen Kirche gezogen hat. Er beschreibt sein Ankommen auf dem "Evangelischen Schiff", seine Erfahrungen mit den dortigen Christen und gemeindlichen Strukturen. Der Chefredakteur verfasst ein Kapitel darüber, was ihm Martin Luthers Kirchenbild bedeutet. Was die Ökumene anbelangt, berichtet er von der Trägheit der neu eingesetzten Bischöfe hinsichtlich der Kooperation mit evangelischen Gemeinden. Am Ende seines Buches betont er mit dem "Hohelied der Liebe" die Wichtigkeit von menschlicher Wärme und Nähe in christlicher Gemeinschaft.

In "Unter Ketzern" berichtet Brummer offen und ehrlich von seinem gemeindlichen Werdegang. Gerade durch die persönliche Note des Chefredakteurs ist es interessant zu lesen. Immer wieder betont er menschliche Gesichtspunkte und legt die Widersprüchlichkeiten im Alltag des Katholizismus dar. Sein Werk gibt Einblick in die Kirchenstruktur beider Konfessionen, sowie in die Geschichte und Theologie. Für Laien in Sachen Kirche ist es stellenweise etwas mühsam, die Biografie nachzuvollziehen. Die durchgängige Einstreuung persönlich-menschlicher Beweggründe jedoch erleichtert das Aufnehmen der trockenen Hintergrundinformationen auch für Nicht-Katholiken.

Eine empfehlenswerte Lektüre, die unterhaltend ist und Diskussionszunder zum aktuellen Papstbesuch bietet. Ob der Zeitpunkt der Veröffentlichung wirklich so glücklich gewählt ist, sei dahingestellt. Der Ökumene hat Brummer sicher keinen Gefallen getan.

"Unter Ketzern – Warum ich evangelisch bin", Edition Chrismon, 14,90 €, 142 Seiten, ISBN 9-783869-210889.

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