Der Papst – anmaßend oder liebenswürdig?

Warum er Papst Benedikt für antidemokratisch hält, hat der Publizist Alan Posener jüngst in der "Frankfurter Rundschau" (FR) erklärt. Das katholische Oberhaupt sei anmaßend, fundamentalistisch und absolutistisch, so der Vorwurf Poseners. Der katholische Bestseller-Autor Manfred Lütz hat ihm in der FR geantwortet – und ein wesentlich tolerantes Portrait des Papstes gezeichnet.

Von PRO

"Sie hat letzten Endes mit dem fundamentalistischen Islam mehr gemeinsam als mit der säkularen Gesellschaft Europas", schreibt Posener über die Lehre Papst Benedikts. Abkehr von Moderne und Aufklärung, Einschränkung der Demokratie und Wissenschaft – all das seien Markenzeichen des Katholizismus unter dem ehemaligen Kardinal Ratzinger. Er habe etwa die Conquistadoren, die Entdecker Südamerikas, gelobt, indem er sich freudig über die Verbreitung des Christentums in diesem Teil der Welt äußerte – eine Rechtfertigung religiöser Gewalt, findet Posener.

Blasphemie als Grundlage der Demokratie

Im Rahmen des "Katholisch-Muslimischen Forums" habe sich der Papst im vergangenen Jahr für die "Einschränkung der Rede" stark gemacht, weil er sich gegen blasphemische Äußerungen ausgesprochen habe. "Das Recht nicht nur der Kritik, sondern der Verächtlichmachung religiöser Vorstellungen bleibt aber die Grundlage jeder Demokratie", schreibt Posener. Nur so könne vermieden werden, dass sich gesellschaftliche und politische Autoritäten hinter der Religion versteckten. Besonders wichtig sei diese Freiheit in der islamischen Welt: "Wer das Christentum kritisiert, riskiert dank der Aufklärung in den westlichen Demokratien nicht viel mehr als böse Worte; wer aber den Islam kritisiert, riskiert sein Leben."

Eine gemeinsame Erklärung des Vatikan und schiitischer Geistlicher aus demselben Jahr zeigt für Posener nicht nur die Absurdität der Lehre des Papstes, sondern auch, dass er gemeinsame Sache mit iranischen Extremisten mache. In dieser Publikation heiße es, Glaube und Vernunft seien "in sich" nicht gewalttätig. Posener nennt diese Erklärung "offenkundig unwahr", was "die Geschichte des Christentums und des Islam zur Genüge beweist". "Messt uns nicht an unseren Taten", sei die Erklärung der Gläubigen, "sondern glaubt unbesehen, dass wir Männer des Friedens sind". In der FR präsentiert er Auszüge seine Buchs "Benedikts Kreuzzug – Der Angriff des Vatikans auf die moderne Gesellschaft".

"Posener hat sich bekehrt"

Posener habe sich zu einem tapferen Atheisten bekehrt, antwortet der Autor Manfred Lütz in der aktuellen Ausgabe der FR. Ganz im Sinne Richard Dawkins‘ vertrete Posener einen atheistischen Fundamentalismus, der "jede andere Auffassung entweder als lächerlich, böswillig oder geistesgestört hinstellt". Papst Benedikt sei das alles freilich nicht, sondern "einer der großen Intellektuellen unserer Zeit". So wimmele Poseners Argumentation von "allerlei Skurilitäten". Er werfe einem Mann Rückschrittigkeit und Absolutheitsanspruch vor, der bei seinem Jesusbuch ausdrücklich um Kritik gebeten habe, dessen "Regensburger Rede", nebst allen extremistischen Drohungen, vor allem den Dialog zwischen den beiden Weltreligionen gefördert habe, der sich auf Intellektuelle wie Adorno oder Nietzsche berufe und sich der Debatte mit Jürgen Habermas gestellt habe.

Das Argument, die Verächtlichmachung der Religion sei demokratisch, wischt Lütz weg: "Da hat man im Nationalsozialismus und im Stalinismus erstaunlich viel für die Grundlage der Demokratie getan!" Überhaupt fahre Posener eine Reihe "längst widerlegter kirchenkritischer Ladenhüter" auf. Die Conquista etwa sei kein "Heiliger Krieg" gewesen, sondern "ein schmutziger Krieg unserer goldsüchtigen europäischen Vorfahren, für den wir uns alle schämen müssten". Weil der Papst Gespräche mit Muslimen suche, unterstelle Posener, das Kirchenoberhaupt plane gemeinsam mit dem Islam einen Kreuzzug gegen den Westen.

"Zutiefst antifundamentalistisch"

Dabei sei der Papst "zutiefst antifundamentalistisch". So zitiert ihn Lütz mit den Worten: "Die Kirche darf sich nicht selbst zum Staat erheben oder als Machtorgan in ihm oder über ihn wirken wollen. Dann macht sie sich selbst zum Staat und bildet so den absoluten Staat, den sie gerade ausschließen soll." Lütz selbst folgert: "Im Ergebnis wirft Posener dem Papst in immer neuen Anläufen vor, wirklich an einen Schöpfergott zu glauben, an Jesus Christus als Gottes Sohn – und daraus die logische Konsequenz zu ziehen." Manfred Lütz ist Arzt, katholischer Theologe und Autor des Buches "Gott – Eine kleine Geschichte des Größten". (PRO)

http://www.fr-online.de/in_und_ausland/panorama/?em_cnt=1993962&
http://www.fr-online.de/in_und_ausland/panorama/?em_cnt=2009102&
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