„Der Missionsbefehl gilt auch für Tiktok“

Auch wenn der Kirchentag vor allem vor Ort stattfindet, hat er Menschen versammelt, die Kirche digital gestalten. Eine von ihnen ist Theresa Brückner. Sie sagt: Selbst Taufen sind online vorstellbar.
Von Anna Lutz

Die Pfarrerin Theresa Brückner ist überzeugt: „Digitale Gemeinschaft ist keine Zukunftsvision, sie ist schon längst da.“ Sie feiert mit ihrer Aktion „Brot und Liebe“ regelmäßig Zoom-Gottesdienste. Inklusive Abendmahl oder Gebet. Davon berichtete sie am Freitag auf dem Evangelischen Kirchentag. 

Kirche tue oft so, als gäbe es eine Grenze zwischen analoger und digitaler Welt. „Dabei ist unser Alltag durchzogen von Onlinekommunikation.“ Deshalb steht für sie fest: „Die Frage ist nicht, ob Kirche im Digitalen sein sollte, sondern wie sie dort unterwegs sein sollte.“

Theologische Debatten fänden nicht nur auf Synoden statt, sondern in den Kommentarspalten oder in sozialen Medien. Seelsorge gebe es nicht nur telefonisch oder vor Ort, sondern auch in Chats. „Der Missionsbefehl gilt auch für Tiktok“, sagte Brückner.

„Wir sind zu wenig experimentierfreudig“

Selbst Taufen könnten digital stattfinden, etwa, wenn Paten das Wasser über den Kopf gössen und die Worte digital gesprochen würden. „Wir sind zu wenig experimentierfreudig“, sagte Brückner über ihre Kirche und betonte: „Wir dürfen Fehler machen.“

Das hat für sie Konsequenzen auch für die Pfarrerausbildung. „Wir brauchen digitale Verkündigung als Kernkompetenz“, forderte sie. Sie habe nach ihrem Theologiestudium massive Probleme gehabt, „eine Sprache zu lernen, die Menschen verstehen, nachdem ich jahrelang eine Sprache gelernt habe, die sie nicht verstehen“. Sie wolle so beten, dass ihre Freunde das nachvollziehen können. Auch jene, die keine theologischen Kenntnisse und Kirchenhintergrund haben. 

Kritik an der Kirche äußerte auch die Theologin Christine Wenona Hoffmann. In der evangelischen Kirche gebe es bisher „eher Einzelpersonen, die vorpreschen“. Insgesamt hinke sie in Sachen Digitalisierung hinterher. Auch, weil digitalisierte Formen von Kirche sich von Vor-Ort-Gemeinden unterschieden. Sie seien fluider. Mitgliedschaftsmodelle wie das der Kirche funktionierten im Digitalen nicht. Das fordere die Kirche im digitalen Raum heraus. Die Zusammengehörigkeit entstehe dort eher durch das gemeinsame Interesse an einer Sache oder einer Person. 

Seelsorge im Digitalen bestehe vor allem darin, Themen in die Community einzubringen, nach dem Motto: „Schau, das sind meine Themen, wo kannst du anknüpfen?“ Das durchbreche Hierarchien und helfe, Kirche neu zu denken, „zum Beispiel jenseits von Mitgliedschaften“. Wenona Hoffmann ist sich sicher: „Das Digitale verändert die Kirche, aber Glaube, Liebe, Hoffnung bleiben auch.“

Auf dem Deutschen Evangelischen Kirchentag treffen sich von Mittwoch bis Sonntag Protestanten, um aktuelle Themen aus Politik und Gesellschaft zu diskutieren und geistliches Leben zu teilen. Unter den 1.500 Veranstaltungen finden sich Vorträge, Gottesdienste, Workshops und Podiumsdiskussionen. Ziel der Veranstaltung ist es laut den Organisatoren, aktuelle gesellschaftliche Fragen aus christlicher Perspektive zu diskutieren.

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