Der „Meister“ von Scientology

"Wenn es jemals einen Film geben sollte, der die Blinden sehend und die Lahmen gehend macht, müsste es 'The Master' sein", schreibt die britische Zeitung "The Guardian" über den neuen Film von Regisseur und Drehbuchautor Paul Thomas Anderson ("Magnolia", "There Will Be Blood"). Das Drama "The Master" feierte bei den diesjährigen Internationalen Filmfestspielen von Venedig am vergangenen Wochenende Premiere.
Von PRO

Der Film dreht sich um einen Sektengründer der Nachkriegszeit und seine "Rechte Hand". Besonderen Zündstoff enthält die Handlung auch wegen ihrer Parallelen zur Entstehungsgeschichte von Scientology. Während die Produktionsfirma Anspielungen auf die neureligiöse Glaubensgemeinschaft dementiert, sagte Anderson laut "Associated Press", die Ähnlichkeit der Hauptfigur Lancaster Dodd mit L. Ron Hubbard sei kein Geheimnis.

Die Handlung spielt in den USA der 1950er Jahre, eine Zeit der Sinnsuche. Protagonist ist der fiktive Offizier und Kriegsheimkehrer Freddie Quell, gespielt von Joaquin Phoenix ("Gladiator", "Walk The Line"). Er ist dem Alkohol scheinbar hoffnungslos erlegen und sucht den Rausch um jeden Preis. Eines Tages gerät er an Bord eines Vergnügungsdampfers zufällig  auf eine Hochzeit von Familienangehörigen der Dodds. "The Guardian" beschreibt Lancaster Dodd als "verspielt und mühelos charismatisch". Er wird von Oscar-Gewinner Philip Seymour Hoffman verkörpert, der in Filmen wie "The Big Lebowski", "Magnolia" und "Capote" zu sehen war.

Der selbsternannte "Meister" verkauft sich den Leuten als "Autor, Arzt, Nuklearphysiker und theoretischer Philosoph". "Des Meisters große Idee ist, dass die Wissenschaft sich irrt und die Erde in Wirklichkeit Trillionen von Jahren alt ist. Alle, die auf ihr leben […], tragen eine Vielzahl vergangener Leben und Traumata aus vergangenen Zeitaltern in sich. Befreie diese Leben und versorge die Wunden, dann gibt es keine Limits mehr. Man kann Krebs heilen und der Welt den Frieden bringen", fasst "The Guardian" die Glaubensgrundlage der Sekte zusammen.

Mit jeder Szene festigt sich der Griff des Meisters um den Rowdy Quell, bis Letzterer eines Tages auf den Sohn des Sektenführers  trifft, der im Schatten döst und Freddie Quell unbeeindruckt aufklärt: "Der denkt sich das alles nebenbei aus. Merkst du es nicht?" In Quell kommen Zweifel auf.

Dies sei auch die Szene gewesen, die Tom Cruise besonders in Rage gebracht haben soll, berichtet "The Guardian". Der Schauspieler und bekennende Scientologe war 1999 ebenfalls in Andersons Film "Magnolia" zu sehen. Die Freundschaft der beiden sei aber nicht in Gefahr, behauptet der Regisseur laut "Associated Press": "Wir sind immer noch Freunde. Ich habe ihm den Film gezeigt und der Rest ist eine Sache zwischen uns beiden." Anderson stellte zudem heraus, es gehe in dem Film auch "nur um die beiden Typen und ihr Verhältnis zueinander".

Einige Internetseiten hatten spekuliert, dass Scientology versuchen könnte, die Dreharbeiten zum Stillstand zu bringen. Es habe aber kein Scientologyfunktionär Kontakt zu Universal Pictures aufgenommen, berichtet die "New York Times". Karin Pouw, eine Sprecherin der "Kirche", bemerkte dazu: "Wir wissen nichts über den Film als das, was die Presse berichtet."

Markante Parallelen zwischen Film und Wirklichkeit sind etwa, dass L. Ron Hubbard (1911-1986) die Glaubensgemeinschaft 1952 nach seinem Dienst im 2. Weltkrieg und Entlassung aus dem Krankenhaus gründete, genau wie der Sektengründer im Film. Eine weitere Übereinstimmung ist, dass Hubbards Organisation auf einem Boot gegründet wurde und seine Frau genau wie die Gattin des Gurus im Film Mary Sue hieß.

Wie viele andere Zeitungen spart "The Guardian" nicht mit Lob. Der Film stelle die surreal komplizierten persönlichen Entwicklungen der Charaktere in ihrer Beziehung zueinander mit virtuoser Leichtigkeit dar. "Nach einem Mal Anschauen fühlt sich ‚The Master‘ bereits wie ein Meilenstein der amerikanischen Filmgeschichte an. Worte wie ‚außergewöhnlich‘ klingen völlig untertrieben." "The Telegraph" wird noch drastischer. Der Film habe die Kritiker mit "schwindeligen Köpfen" und "kribbelnden Extremitäten" zurückgelassen. (pro)

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