Neuwirth hat am Montag den ersten von fünf Bänden einer historisch-kritischen Koran-Ausgabe vorgelegt. Das Buch "Der Koran als Text der Spätantike. Ein europäischer Zugang." ist im Suhrkamp-Verlag erschienen. Neuwirth studierte Arabistik, Semitistik und Klassischen Philologie in Berlin, Teheran, Göttingen, Jerusalem und München.
Die Forscherin vermutet, dass der Koran zwar in Arabien entstand, aber doch "im Kontext der mediterranen Welt zwischen Rom, Konstantinopel, Damaskus und Alexandrien". "Das ist ein Wagnis, aber wir erkennen immer deutlicher: Da war viel mehr kulturelle Auseinandersetzung, als wir annahmen. Dem kann man im Koran nachspüren."
"Mose war das große Vorbild für Mohammed"
Von Allah heiße es im Koran beispielsweise: "Er zeugte nicht und ist nicht gezeugt." Dies sei ein direkter Bezug auf das Glaubensbekenntnis von Nicäa, wo es von Jesus heißt, er sei "gezeugt, nicht erschaffen". Auch das "Schma Jisrael" (Höre Israel) klinge im Koran nach. In Sure 102 heiße es: "Sprich: Gott ist einer." Dies sei eine "freie Übersetzung des jüdischen Glaubensbekenntnisses "Höre Israel: Der Herr, unser Gott, ist einer", so Neuwirth.
Die frühen Suren, in denen Mohammed sein religiöses Erweckungserlebnis verarbeitete, seien wie Psalmen. Man könne sie nicht verstehen, ohne die Psalmen der Bibel zu kennen, sagt die Arabistin. "Was Mohammed von den Mekkanern unterscheidet, ist die Freude am Wort Gottes, die man ja auch im Judentum findet. Denken Sie an die Freude beim Seder-Mahl. Ich wurde in Jerusalem oft von Freunden eingeladen, und wenn man danach hinausgeht, hat man das Gefühl, dass die Alltagswelt banal ist. Und diese religiöse Ur-Erfahrung ist das Thema der frühen Suren." Mose sei "das große Vorbild" für Mohammed gewesen. "Alles, was Moses erlebt hat, erlebt auch Mohammed, und seine Gemeinde ist das erwählte Volk."
Spekulationen darüber, dass Mohammed gar nicht existiert habe, lehnt Neuwirth als unwissenschaftlich ab. "Ich würde den Koran von A bis Z auf den Propheten zurückführen. Das kann man an der Sprache sehen. Diese Sprache ist nicht Produkt eines Irrtums."
Bundespräsident Christian Wulff, der in seiner Ansprache zur Deutschen Einheit gesagt hatte, der Islam gehöre zu Deutschland, habe damit schon deshalb Recht, "weil der Koran genetisch zu Europa gehört", so die Forscherin. "Das ist eine Einladung, uns selber neu zu denken. Und für Muslime eine Einladung, neuen Raum zu gewinnen."
Viele muslimische Intellektuelle wie etwa der inzwischen ermordete libanesische Gelehrte Samir Kassir gingen von einer "kopernikanischen Wende" im Islam aus, die eintreten würde, "wenn die Araber begreifen, dass ihre Geschichte nicht mit Mohammed beginnt".
Die Leiterin des Instituts für Islamfragen der Deutschen Evangelischen Allianz, Christine Schirrmacher, bestätigte gegenüber pro, dass viele Textstellen des Koran eine enge Verbindung zur Bibel nahelegen. Sie nannte etwa die Schöpfungsgeschichte sowie die biblischen Personen Mose, Abraham und Jesus. "Da liegt die Annahme nahe, dass diese Dinge der Bibel entstammen und im Dialog mit Juden und Christen aufgenommen wurden", so die Islamwissenschaftlerin, die unter anderem an der Evangelisch-Theologischen Fakultät Leuven in Belgien lehrt. "Es gibt einzelne Intellektuelle, die schon eine Wende vollzogen haben, hin zur Aufklärung oder zur Trennung vom politischen Erbe des Islam. Es gibt vermehrt Menschen, die sagen: Mohammed war vielleicht Politiker und Feldherr zugleich, aber das hat für uns heute keine praktische Bedeutung mehr. Aber aus dem Mainstream der muslimischen Theologie kommt noch keine Wende." Schirrmacher betont zugleich: "Eine solche Wende müsste von innen kommen." (pro)
Die Forscherin vermutet, dass der Koran zwar in Arabien entstand, aber doch "im Kontext der mediterranen Welt zwischen Rom, Konstantinopel, Damaskus und Alexandrien". "Das ist ein Wagnis, aber wir erkennen immer deutlicher: Da war viel mehr kulturelle Auseinandersetzung, als wir annahmen. Dem kann man im Koran nachspüren."
"Mose war das große Vorbild für Mohammed"
Von Allah heiße es im Koran beispielsweise: "Er zeugte nicht und ist nicht gezeugt." Dies sei ein direkter Bezug auf das Glaubensbekenntnis von Nicäa, wo es von Jesus heißt, er sei "gezeugt, nicht erschaffen". Auch das "Schma Jisrael" (Höre Israel) klinge im Koran nach. In Sure 102 heiße es: "Sprich: Gott ist einer." Dies sei eine "freie Übersetzung des jüdischen Glaubensbekenntnisses "Höre Israel: Der Herr, unser Gott, ist einer", so Neuwirth.
Die frühen Suren, in denen Mohammed sein religiöses Erweckungserlebnis verarbeitete, seien wie Psalmen. Man könne sie nicht verstehen, ohne die Psalmen der Bibel zu kennen, sagt die Arabistin. "Was Mohammed von den Mekkanern unterscheidet, ist die Freude am Wort Gottes, die man ja auch im Judentum findet. Denken Sie an die Freude beim Seder-Mahl. Ich wurde in Jerusalem oft von Freunden eingeladen, und wenn man danach hinausgeht, hat man das Gefühl, dass die Alltagswelt banal ist. Und diese religiöse Ur-Erfahrung ist das Thema der frühen Suren." Mose sei "das große Vorbild" für Mohammed gewesen. "Alles, was Moses erlebt hat, erlebt auch Mohammed, und seine Gemeinde ist das erwählte Volk."
Spekulationen darüber, dass Mohammed gar nicht existiert habe, lehnt Neuwirth als unwissenschaftlich ab. "Ich würde den Koran von A bis Z auf den Propheten zurückführen. Das kann man an der Sprache sehen. Diese Sprache ist nicht Produkt eines Irrtums."
Bundespräsident Christian Wulff, der in seiner Ansprache zur Deutschen Einheit gesagt hatte, der Islam gehöre zu Deutschland, habe damit schon deshalb Recht, "weil der Koran genetisch zu Europa gehört", so die Forscherin. "Das ist eine Einladung, uns selber neu zu denken. Und für Muslime eine Einladung, neuen Raum zu gewinnen."
Viele muslimische Intellektuelle wie etwa der inzwischen ermordete libanesische Gelehrte Samir Kassir gingen von einer "kopernikanischen Wende" im Islam aus, die eintreten würde, "wenn die Araber begreifen, dass ihre Geschichte nicht mit Mohammed beginnt".
Die Leiterin des Instituts für Islamfragen der Deutschen Evangelischen Allianz, Christine Schirrmacher, bestätigte gegenüber pro, dass viele Textstellen des Koran eine enge Verbindung zur Bibel nahelegen. Sie nannte etwa die Schöpfungsgeschichte sowie die biblischen Personen Mose, Abraham und Jesus. "Da liegt die Annahme nahe, dass diese Dinge der Bibel entstammen und im Dialog mit Juden und Christen aufgenommen wurden", so die Islamwissenschaftlerin, die unter anderem an der Evangelisch-Theologischen Fakultät Leuven in Belgien lehrt. "Es gibt einzelne Intellektuelle, die schon eine Wende vollzogen haben, hin zur Aufklärung oder zur Trennung vom politischen Erbe des Islam. Es gibt vermehrt Menschen, die sagen: Mohammed war vielleicht Politiker und Feldherr zugleich, aber das hat für uns heute keine praktische Bedeutung mehr. Aber aus dem Mainstream der muslimischen Theologie kommt noch keine Wende." Schirrmacher betont zugleich: "Eine solche Wende müsste von innen kommen." (pro)