Nach 22 Jahren Missionsdienst in Papua-Neuguinea will Jakob Walter von der Liebenzeller Mission den Menschen in Ostdeutschland den Glauben näher bringen. Die Filmemacherinnen Wiltrud Baier und Sigrun Köhler haben den Missionar in dem Dokumentarfilm „Der große Navigator“ bei Gesprächen mit Punks, Landratsangestellten und ehemaligen Sportlern begleitet.
„Unser Gott heißt Bier“, sagen etwa die Jugendlichen, die Jakob Walter auf den Glauben anspricht. Der schwäbische Missionar erlebt den Alltag vieler ostdeutscher Bürger zwischen Arbeitslosigkeit, Enttäuschung und Hoffnungslosigkeit. Ihnen will er den Begriff „Kirche“ erläutern, mit den Menschen über den Glauben ins Gespräch zu kommen, egal ob mit Teilnehmern einer Gymnastikstunde in Neubrandenburg oder einem Jugendlichen bei einer Jesus-House-Feier, der sich selbst als Satanisten bezeichnet. So trifft Jakob Walter auch die Ex-Leichtathletin und „Dopingsünderin“ Kathrin Krabbe. Sie sagt ihm im Gespräch etwa, dass ihre sportlichen Erfolge nur auf mentale Stärke und nicht auf Glaube zurückzuführen seien.
Die Frage nach dem „Warum?“
Jakob Walter steht immer wieder vor neuen Herausforderungen: Für viele Ostdeutsche, geprägt vom DDR-Atheismus, existiert Gott gar nicht. Etwa für die Angestellte des Landratsamts in Neustrelitz, auf die er beim Ummelden seines Autos trifft. Denn wenn es einen Gott gäbe, warum hat er dann ihre Freunde bei einem Autounfall sterben lassen, fragt sie. Eine Frage, die auch Jakob Walter nicht beantworten kann. Dennoch bleibt er im Gespräch – und such immer wieder den Kontakt zu den Menschen.
„Das Thema Glaube zieht sich wie ein roter Faden durch den Film“
Missionar und „Hauptdarsteller“ Jakob Walter im Interview mit pro-medienmagazin.de
pro: Herr Walter, Sie sind Missionar der Liebenzeller Mission in Mecklenburg-Vorpommern, waren zuvor im Missionsdienst in Papua-Neuguinea – und sind jetzt der Hauptdarsteller in einem Kinofilm, der am 6. Dezember in Deutschland in die Kinos kommt: „Der große Navigator“. Warum eigentlich dieser Titel?
Jakob Walter: Als wir Ende Juli 1993 nach Mecklenburg-Vorpommern zogen, habe ich mir bei Aldi meinen ersten Navigator, ein Navigationssystem für das Auto, gekauft. Das war wohl der Anlass zum Filmtitel, von dem wir allerdings damals noch nichts wussten. Das Thema „Pro und Kontra Glaube“ zieht sich, denke ich, wie eine Art Navigator durch den ganzen Film.
Die Regisseure Sigrun Köhler und Wiltrud Baier haben Sie in Ihrem Missionsdienst über einen Zeitraum von zwei Jahren begleitet. Wie ist es zu dem Kontakt gekommen?
Auf einer Pressekonferenz hat die Liebenzeller Mission die Anfrage nach einem Missionar für Mecklenburg erwähnt. Eine Bekannte von Frau Köhler und Frau Baier hat das Filmteam auf diesen Schritt aufmerksam gemacht. Das Filmteam hat dann Kontakt mit der Liebenzeller Mission aufgenommen und in Folge mit uns.
„Menschen, die noch nie eine Kirche betreten haben“
Es geht in der Filmdokumentation um Ihre Arbeit als Missionar unter Menschen, die auch in Fragen des Glaubens und 18 Jahre nach der Wiedervereinigung tief von einem DDR-Atheismus geprägt sind. Gespräche und Begegnungen werden mit der Kamera festgehalten, die eine enorme Distanz zu Kirche und Christentum erkennen lassen. Gibt der Film den Alltag in Neubrandenburg, Schwerin und Wismar, Ihren Einsatzorten, und Ihre Arbeit als Missionar ausgewogen wieder?
Zu einem großen Prozentsatz gibt der Film die Situation in Mecklenburg-Vorpommern wieder. Es kommt allerdings sehr darauf an, wen man anspricht. Jedenfalls treffen wir Menschen, die noch nie in ihrem Leben eine Kirche betreten haben und keine Vorstellung haben, wie eine Kirche von innen aussieht. Manche aber äußern den Wunsch, dass sie schon mal gerne wissen wollten, wie es in einer Kirche aussieht, jedoch den Schritt nicht wagen wollen. Was die Beweggründe sind, den Schritt nicht zu tun, wissen sie in der Regel selber nicht so recht.
Wie steht es um die Vielzahl der Menschen in der ehemaligen DDR und ihren Glauben?
Es kommt auf den Hintergrund ihrer Beziehungen an und wo sie aufgewachsen sind, in was für einer Familie, in was für einem Umfeld. Während der DDR-Zeit war Glaube einfach nicht populär und mit Nachteilen verbunden. Ich erinnere mich an ein Ehepaar, die beide evangelisch getauft waren. Das war sozusagen der erste und letzte Kontakt mit der Kirche. Mit 64 Jahren verstarb der Mann, ohne jemals weiteren Kontakt mit etwas Christlichem gehabt zu haben, genauso seine Frau. Er wird anonym beerdigt, und das war sozusagen das Leben ohne Gott und somit mit einer sehr fraglichen Zukunft, was die Ewigkeit anbelangt. Viele Menschen haben einfach keinerlei Bezug zum christlichen Glauben und der Kirche. Man muss mit ihnen ganz vorne anfangen und kann absolut kein Wissen voraussetzen. Der einzige Weg ist das Gebet und der zunächst „neutrale Kontakt“ auf einer „neutralen Ebene“. Auf der anderen Seite findet man eine abgrundtiefe Leere und Sehnsucht bei den Menschen, ein absolutes Vakuum, das eine große Unzufriedenheit hervorruft. Man glaubt, dass es nur die Arbeitslosigkeit und die unfähige Politik sei, die für diesen Zustand verantwortlich zu machen sei. Allerdings bin ich davon überzeugt, dass das nur eine Seite ist, und auf der anderen Seite die bewusste Gottesferne, das Vakuum erzeugt.
Unwissenheit und Ungewissheit
„Unser Gott heißt Bier“ oder „Wenn ich Hilfe brauche, rufe ich die Polizei“, sagen Ihnen die Menschen, wenn Sie auf der Straße mit ihnen über Gott sprechen. Wie gehen Sie mit dieser Abweisung um? Wie schaffen Sie es, immer wieder neu auf Menschen zuzugehen, die scheinbar keinerlei Interesse am Glauben haben?
Wir wissen im Vorfeld um die Situation und sehen hinter solchen Aussagen zum einen eine Unwissenheit über etwas, was man eben nicht kennt oder kennen gelernt hat. Andererseits steht hinter solchen Aussagen eine ganz große Sehnsucht nach Veränderung, auch wenn diese nicht bewusst wahrgenommen wird. Ich denke an die Gedanken Jesu und was er wahrgenommen hat, als er über den Markt ging: Sie sind wie Schafe ohne Hirte und wie Verschmachtete. Die Liebe Christi, der für jeden am Kreuz gestorben ist, treibt uns an, zu den Menschen hinzugehen. Auch das Wissen: Wer stirbt, ohne Gott und Jesus in seinem Leben kennen gelernt zu haben, wird mit einem ganz großen Vakuum von dieser Zeit in die Ewigkeit hinübergehen müssen, auch in eine ganz große Ungewissheit. Es ist ein Sterben, ohne die Wahrheit erkannt zu haben. Da ich selber erst mit 21 Jahren Christ geworden bin, weiß ich, warum und wie man sich davor drückt, über Glauben zu reden und überhaupt den Gedanken, dass Gott Realität ist, zuzulassen.
Was, würden Sie sagen, ist die Kernbotschaft des Films?
Ich würde behaupten, dass sich das Thema Glaube wie ein roter Faden durch den Film zieht. Allerdings mit allen Pro und Kontra-Varianten. Der Film versucht nicht unbedingt dahingehend Einfluss zu nehmen, für eine Position Partei zu ergreifen. Der Zuschauer muss sich seine eigene Meinung bilden. Aber ich habe auf jeden Fall den Eindruck, dass der Film sehr zum Nachdenken animiert.
Herr Walter, wir danken Ihnen für das Interview!
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„Der große Navigator“ im Kino:
ab 06. Dezember: DachKino Leipzig
06. bis 10. Dezember: Kino im Schafstall, Schwäbisch Hall
ab 12. Dezember: Schauburg, Karlsruhe
ab 13. Dezember: Atelier am Bollwerk, Stuttgart
ab 17. Januar: Kino im Waldhorn, Rottenburg