„Der Glaube an Gott ist die Regel“

Historisch gesehen ist der Atheismus die absolute Ausnahme. Darauf hat der Politikwissenschaftler und Journalist Andreas Püttmann in einem Kommentar für das Online-Debattenmagazin "The European" aufmerksam gemacht. Der Hype um Buddhismus und Spiritualismus werde nichts daran ändern, "dass der christliche Glaube hierzulande weiter ein Anker für die Menschen bleibt".
Von PRO

In seinem Beitrag macht Püttmann deutlich, dass die politische Linke zwar fordert, sich an ärmeren, naturverbundenen Völkern zu orientieren, statt diesen einen "entfremdeten" Lebensstil im kapitalistischen Materialismus zu verkaufen. Auf der anderen Seite mache sie jedoch einen weiten Bogen um die ganz selbstverständliche Religiosität afrikanischer und südamerikanischer Völker, von der "unsere Linken partout nicht lernen" wollten. In Ländern wie Brasilien, Mexiko oder auf dem schwarzen Kontinent liege die Rate der Nichtgläubigen meist unter 10 Prozent. "Der theoretische und praktische Atheismus grassiert, von wenigen, meist zwangsatheistisch erzeugten Ausnahmen abgesehen, vor allem in den wohlstands- und sicherheitsverwöhnten Gesellschaften des ‚Westens‘." Aber selbst dort sei der Glaube an Gott meistens noch die Regel, dezidierter Unglaube die Ausnahme.

"Der Mensch erscheint als ‚unheilbar religiös’"

Anhand verschiedener Studien belegt der Politikwissenschaftler, dass sowohl im historischen wie im globalen Maßstab gilt: "Gottesglaube ist der Normalfall, sein Gegenteil somit erklärungsbedürftig." Im geografischen und kulturgeschichtlichen Weitwinkel erscheine der Atheismus als verwegenes anthropologisches Experiment, der Mensch als "unheilbar religiös", zitiert Püttmann den russischen Philosophen Nikolaj Berdajew.

Das Terrain, das die christliche Hochreligion bei uns aufgebe, erobere folglich, nach dem Prinzip der kommunizierenden Röhren, der Aberglaube, stellt Püttmann fest. Diese These belegt er wiederum mit Statistiken, nach denen Symbole wie etwa vierblättrige Kleeblätter, Sternschnuppen, Schornsteinfeger und die berühmte "schwarze Katze von Links" für die Deutschen an Bedeutung gewinnen. Demnach lasen ihr Horoskop oft oder "manchmal" 1977 erst 46 Prozent, 2001 dagegen 77 Prozent – wovon fast ein Drittel bekenne, schon "nach dem Horoskop gegangen" zu sein.

Die als Kompensation der Entchristlichung vermutete "Alternativreligiosität" von New Age, Buddhismus oder Spiritismus stelle in Deutschland quantitativ und qualitativ – hinsichtlich der sozialen Relevanz – "keine wirkliche Alternative dar", zitiert Püttmann den deutschen Religions- und Kultursoziologen Detlef Pollack. Dabei stellt er fest, dass die kirchlichen Verluste bisher nicht durch Zugewinne anderer Religionen ausgeglichen werden. Dass Religiosität eine anthropologische Konstante sei, heiße nicht, dass sie jederzeit und überall gleich vital bleiben müsse. "Zeiten der ‚Gottesfinsternis‘ kann es insbesondere bei reduzierten Kontingenzerfahrungen geben." Zu diesen Erfahrungen zählen etwa Enttäuschungen, Abstürze des Lebens, Todesfälle und Trennungen. Bei einem Verlust existenzieller Sicherheiten könne sich das Blatt schnell wenden, schreibt der Politikwissenschaftler  – und verweist auf den Entertainer Harald Schmidt, der von seinem Zivildienst berichtete, oft sei der Pfarrer "von sogenannten Atheisten schreiend ins Krankenhaus geholt worden, wenn der Tumor im Endstadium war. Ich glaube, ob man Atheist ist, kann man erst auf den letzten Metern sagen". (pro)

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