Der gläubige Parlamentspräsident und die Provokationen

Als Landtagspräsident leitet Thadäus König die Sitzungen des Thüringer Parlaments. Mit PRO hat der gläubige Katholik darüber gesprochen, was ihn herausfordert, aber auch, warum ihm sein christlicher Glaube bei der Amtsführung hilft.
Von Johannes Blöcher-Weil
Thadäus König (CDU) ist seit Beginn der Legislaturperiode Präsident des Thüringer Landtags

PRO: Seit Ende September vorigen Jahres sind Sie Präsident des Thüringer Landtags, obwohl nicht Ihre Partei, sondern die AfD stärkste Kraft im Parlament ist. Ist es schwierig für Sie, oberster Repräsentant eines Landes mit einer so starken AfD zu sein?

König: Ich sehe das nicht als Bürde und halte es mit Adolph Kolping, der folgenden Satz geprägt hat: „Wenn jeder auf seinem Platz das Beste tut, wird die Welt besser aussehen.“ Ich möchte mich daran messen lassen, den Thüringer Landtag bestmöglich zu führen. Mein Ziel ist es, dass Thüringen politisch wieder in ruhige Fahrwasser kommt. Dabei gibt es bereits erste Erfolge mit der Bildung der Landesregierung und der Verabschiedung des Landeshaushalts 2025.

Normalerweise hätte Ihre Position der AfD zugestanden.

Hier muss ich widersprechen. Die Thüringer Verfassung ist an dieser Stelle sehr eindeutig, und der Thüringer Verfassungsgerichtshof hat es auch nach dem Eilantrag der CDU-Fraktion bestätigt: Der Präsident wird aus der Mitte des Parlaments gewählt und es gibt keinen Rechtsanspruch irgendeiner Fraktion auf dieses Amt, auch nicht der stärksten. In Thüringen haben wir schon länger die besondere Situation, dass der Verfassungsschutz die AfD als gesichert rechtsextrem einstuft. Für mich steht diese Einstufung wichtigen Aufgaben eines Landtagspräsidenten diametral entgegen, zum Beispiel vertritt der Präsident das Parlament bei offiziellen Gedenkveranstaltungen für die Opfer des Holocausts oder er konstituiert die Geheimschutzgremien. Diese Argumente wiegen für mich schwerer als das allein quantitative Kriterium der stärksten Fraktion.

Haben Sie Tipps für Ihre Amtsführung bekommen?

Tipps weniger, aber viel Zuspruch. Meine Vorgängerin Birgit Pommer und viele andere haben gratuliert und mir gesagt, dass sie mir gerade in dieser schwierigen Situation dieses Amt zutrauen. In der vergangenen Legislaturperiode sind Beteiligungsformen entstanden, die ich fortführen möchte. Als oberster Repräsentant des Parlaments möchte ich aber auch mit den Bürgern direkt sprechen und regionale Diskussionen zwischen den Fraktionen über die gesamte Legislaturperiode ermöglichen.

Wie gehen Sie mit Provokationen von den politischen Rändern um?

Unsere Geschäftsordnung kennt keine politischen Ränder. Sie hat klare Spielregeln, die es für alle einzuhalten gilt. Wenn es zu persönlichen Angriffen kommt, keine vernünftige Debatte möglich ist oder etwas gegen die Verfassung verstößt, werde ich es ahnden. Ich sehe mich als Vermittler zwischen den Fraktionen. Mir ist es wichtig, meinem Gegenüber zuzuhören, seine Argumente zu verstehen und auf sie einzugehen. Bedingung dafür ist, dass alles mit den Werten der Verfassung und den Regeln der Geschäftsordnung konform ist.

Zur Person

Dr. Thadäus König (*1982) ist seit 2019 Abgeordneter im Thüringer Landtag. Vor seiner Wahl zum Landtagspräsidenten im September 2024 war er sozial- und sportpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion. König wuchs in Heilbad Heiligenstadt im Eichsfeld auf und studierte Politikwissenschaften in Jena und Tartu (Estland). Anschließend war er einige Jahre Geschäftsführer des Kolping-Bildungswerks in Erfurt, das sich für benachteiligte Jugendliche einsetzt.

Wie viel Druck müssen Sie als Politiker aushalten?

Sehr viel. Die sozialen Medien haben den Ton noch einmal verschärft. Da brauche ich ein dickes Fell und darf mir nicht alles zu Herzen nehmen. Das fällt nicht immer leicht. Ich muss mir auch klar machen, dass das nicht alle sind, die zum Beispiel abfällig reden oder einen beschimpfen. Viele andere sind dankbar für meinen Einsatz. Das gibt mir Kraft.

Gibt es für Sie eine rote Linie?

Die rote Linie ist dann erreicht, wenn jemand mein persönliches Umfeld angreift. Nach meiner Wahl habe ich massive Anfeindungen erlebt bis hin zu Morddrohungen. Das war intensiv.

Muss man das alles an sich abprallen lassen?

Das lässt einen natürlich nicht unberührt. Ich habe die Drohungen gegenüber mir zum Anlass genommen, alle Abgeordneten zu informieren, an wen sie sich in solchen Situationen wenden können. Ich bin sicher nicht der Einzige, der das erlebt hat oder erleben wird. Die Hemmschwelle ist durch die sozialen Medien deutlich gesunken. Es ist ein Unterschied, ob ich jemandem etwas ins Gesicht sagen muss oder ihn vom Sofa aus über das Handy beleidige. Hinzu kommen Desinformationen und Fake News, die polarisieren und Ängste schüren. Da muss man manches an sich abprallen lassen, um nicht zu zerbrechen.

Politik hat zu lange das Bild vermittelt, dass sie alle Probleme lösen kann. Wir sollten verdeutlichen, dass wir das Beste probieren, aber nicht immer eine Lösung haben.

Hat Politik an Glaubwürdigkeit verloren?

Sie ist komplizierter geworden. Politik hat aus meiner Sicht zu lange das Bild vermittelt, dass sie alle Probleme lösen kann. Wir sollten verdeutlichen, dass wir das Beste probieren, aber nicht immer eine Lösung haben. Ansonsten büßen wir an Glaubwürdigkeit ein. Und wir müssen Fehler ehrlich zugeben, vor allem, wenn sich etwas im Nachgang als falsch herausgestellt hat. Und auf keinen Fall sollte der Eindruck entstehen, dass sich Politiker an ihren Entscheidungen bereichern.

Welche Lösungsansätze haben Sie noch?

Wir müssen den politischen Diskurs stärken und mehr auf die Alltagsprobleme der Menschen schauen. In Thüringen fällt jede zehnte Unterrichtsstunde aus und viele Schüler verlassen die Schule ohne Abschluss. In der Automobilbranche sind gerade viele Arbeitsplätze in Gefahr. Hierfür Lösungen zu finden, ist mir wichtiger als Debatten übers Gendern oder andere Dinge, die wenig mit den Alltagsproblemen der Menschen zu tun haben.

Der thüringische Landtag befindet sich in der Hauptstadt Erfurt (Foto: Thüringer Landtag/Michael Reichel) Foto: Thüringer Landtag/Michael Reichel
Der thüringische Landtag befindet sich in der Hauptstadt Erfurt

Sie sind im katholisch geprägten Eichsfeld im Nordwesten Thüringens aufgewachsen. Welche Rolle hat der Glaube in Ihrer Familie gespielt?

Eine große, mich hat das katholische Milieu des Eichsfelds geprägt. Der Kirchgang am Sonntag, Wallfahrten und die Hochfeste gehörten selbstverständlich dazu. Das Leben im Eichsfeld ist immer noch eng mit der Kirche verbunden, auch nach den erlebten zwei Diktaturen auf deutschem Boden.

Was hat Sie an der Kirche fasziniert?

Dass sie nicht dem Zeitgeist hinterhergelaufen ist. Ich habe den Glauben und die Kirche mit ihren Werten immer als Stabilitätsanker wahrgenommen, der mir Kraft gegeben hat. Auf diesem Fundament möchte ich leben. Meine Pfarrgemeinde ist eine starke Gemeinschaft.

Welche gesellschaftliche Rolle sollte die Kirche heute spielen?

Die Grundwerte der Kirche sind das beste Gerüst für ein gutes Leben, deswegen brauchen wir eine starke Kirche als moralische Instanz. Wenn sich jeder Mensch an die Zehn Gebote hielte, hätten wir deutlich weniger Probleme. Die katholische Kirche beschäftigt sich aus meiner Sicht aktuell zu stark mit inneren Prozessen. Wichtig ist, sich deutlich um Themen zu kümmern, die Menschen bewegen. Für mich sind zum Beispiel der Lebensschutz und die Stärkung der Familien wichtige Themen.

Das klare Wertfundament der Kirche würde ich mir auch für die Politik wünschen.

Wie kann es gelingen, die Familien zu stärken?

Wir müssen den Familien wieder mehr zutrauen. Ich bin selbst Vater von zwei Kindern und bin der Meinung, dass die Familie Probleme am besten selbst lösen kann, ohne staatliche Vorgaben. Dafür braucht sie geeignete finanzielle und gesellschaftliche Rahmenbedingungen.

Wie geben Sie Ihren Glauben an Ihre Kinder weiter?

Wir beten mit den Kindern. Sie kennen natürlich auch ein paar biblische Geschichten, die sie als Vier- und Achtjähriger schon begreifen können. Das kirchliche Umfeld hat sich allerdings seit meiner Kindheit massiv verändert. Auch wenn es das breite Angebot von früher nicht mehr gibt, ermöglichen wir als Eltern unseren Kindern, das Gemeindeleben und den Gottesdienst kennenzulernen.

Wie gehen Sie als Christ mit politischen Niederlagen um?

Niederlagen gehören zum Leben dazu. Als Christen wissen wir, dass kein Mensch unfehlbar ist. Deswegen sollten wir auch zu unseren Fehlern stehen. Daraus können wir lernen und es beim nächsten Mal besser machen. Auch Niederlagen und Rückschritte muss ich akzeptieren und die richtigen Schlüsse daraus ziehen. Dabei hilft natürlich eine Quelle wie der christliche Glaube.

Was kann Politik von Kirche lernen?

Politik sollte nicht jedem Zeitgeist hinterherlaufen. Das klare Wertfundament der Kirche würde ich mir auch für die Politik wünschen. Politiker laufen oft Gefahr, ihre Vorhaben an Meinungsumfragen oder Stimmungen zu koppeln. Stattdessen sollten wir unsere Überzeugungen vertreten. Der Glaube verbindet die Menschen quer durch alle gesellschaftlichen Schichten. So ein gemeinsames Band in der Politik wäre wertvoll. Die Volksparteien haben früher viele Bevölkerungsgruppen vereint und eine gemeinsame Position nach außen vertreten. Heute haben wir immer mehr Parteien, wodurch die Debatten im Parlament unübersichtlicher werden. Es entsteht der Eindruck, dass sich alle nur noch streiten und keine konsensfähigen Positionen mehr finden. Hierin sehe ich eine große Aufgabe, der wir uns in Zukunft stellen müssen.

Vielen Dank für das Gespräch.

Dr. Thadäus König (*1982) ist seit 2019 Abgeordneter im Thüringer Landtag. Vor seiner Wahl zum Landtagspräsidenten im September 2024 war er sozial- und sportpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion. König wuchs in Heilbad Heiligenstadt im Eichsfeld auf und studierte Politikwissenschaften in Jena und Tartu (Estland). Anschließend war er einige Jahre Geschäftsführer des Kolping-Bildungswerks in Erfurt, das sich für benachteiligte Jugendliche einsetzt.

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