Der Fall Asia Bibi: Vom Schluck Wasser bis zum Volksaufstand

Der Fall der pakistanischen Christin Asia Bibi bewegte Millionen Menschen auf der Welt. Weil sie einen Schluck Wasser aus einen Becher trank und damit muslimische Arbeiterinnen empörte, brach für die damals 38-Jährige eine Hölle los. In seinem Buch „Eine Frau glaubt um ihr Leben“ beschreibt der Journalist Joseph Scheppach eindrucksvoll einen Fall, der ein ganzes Land in Unruhe versetzte. Eine Rezension von Jörn Schumacher
Von Jörn Schumacher
Den erschütternden Fall der inhaftierten pakistanischen Christin Asia Bibi und wie sie schließlich frei kam, beschreibt der Journalist Joseph Scheppach in seinem lesenswerten Buch „Asia Bibi. Eine Frau glaubt um ihr Leben“

Wer von dem Hass liest, den muslimische Fanatiker gegen eine harmlose Frau aus einem Dorf Pakistans entwickeln können, kann es zunächst kaum glauben. Der deutsche Journalist Joseph Scheppach, der viele Jahre Pressesprecher bei der „Hilfsaktion Märtyrerkirche“ war, hat in seinem Buch „Asia Bibi. Eine Frau glaubt um ihr Leben“ den Fall der 38-jährigen Christin beschrieben, der um die Welt ging. Asia Bibi hatte am 19. Juni 2009, einem normalen Arbeitstag, bei der Feldarbeit Wasser aus einem Becher getrunken. Zwei Muslima beschuldigen die Christin, damit Brunnenwasser „verunreinigt“ zu haben. In dem von den Frauen provozierten Streit verliert Bibi angeblich gotteslästerliche Worte. Das konnte nie bewiesen werden, doch für die Frau begann ein Martyrium, das sie neun Jahre ins Gefängnis, durch Höllenqualen und bis an den Rand ihrer Lebenskraft brachte.

„Neun quälend lange Jahre muss die bitterarme Mutter von fünf Kindern bei jedem Klick des Eisenschlosses ihrer Zelle den Henker fürchten“, schreibt Scheppach. „Lebendig begraben vegetiert sie in einem dunklen Kerker, die Wände schwarz vor Dreck. Der Boden durchtränkt von Schlamm, Kot und Urin.“ Kaum ein Fall krempelte die Wahrnehmung Pakistans in der Welt so um wie dieser, und er zeigte exemplarisch, wie es Christen in dem islamischen Land ergeht. Daher wünscht man dem Buch Scheppachs, dass es dazu beiträgt, den Fall Asia Bibi noch bekannter zu machen.

Krepieren und trotzdem am Leben bleiben

Der Autor beschreibt Bibis Zelle, die drei mal 2,4 Meter groß war; in den für ursprünglich für 500 Häftlinge gebauten Trakten lebten über 2.500 Insassen: Mörder, Drogenabhängige, Diebe, Vergewaltiger, Entführer und andere Kriminelle. „Bei Regen tropft es hinein. Dann muss sie in ihren Plastiksandalen durch den Schlamm waten“, so Scheppach. Gerade Christen hätten es in solchen Gefängnissen besonders schwer. Hinzu kämen wegen der schauerlichen hygienischen Zustände viele Krankheiten. Scheppach beschreibt zudem die in pakistanischen Gefängnissen üblichen Foltermethoden. Bibi selbst erinnert sich später: „Hier habe ich gelernt zu krepieren und trotzdem am Leben zu bleiben.“ In ihrer Verzweiflung schöpfte sie Trost aus dem Gedanken, dass Jesus „Immanuel“ genannt wird – „Gott ist mit uns“. „Das gibt ihr die Gewissheit, nicht allein zu sein.“

Sie erfuhr davon, dass Papst Benedikt XVI. auf dem Petersplatz in Rom ihren Namen genannt hatte, was ihr neue Hoffnung gab. „Asias Fall hat mittlerweile in Pakistan die Ausmaße einer Staatsaffäre angenommen und in Lahore, Karatschi und Islamabad gehen Zigtausende auf die Straße, um lauthals Asia Bibis Tod zu fordern“, schreibt Scheppach über jene Zeit. „Die Demonstranten recken Fotos von Asia mit einer Schlinge um den Hals in die Höhe.“

Viele der Unterstützer, die Bibi in der Öffentlichkeit findet, werden hingegen ermordet. So etwa der Minister für religiöse Minderheiten und einzige Christ im pakistanischen Kabinett, Shahbaz Bhatti. Unter Bhatti war überhaupt erst das Ministerium geschaffen worden, und er hat viel für die Religionsfreiheit im Land getan. Am 2. März 2011 wird er von drei Fanatikern niedergeschossen. Er hatte Bibi besucht und den pakistanischen Präsidenten gebeten, Bibi zu begnadigen. Hervorzuheben ist auch „der mutigste Anwalt der Welt“, Saif-ul-Malook, der Bibis Verteidigung übernahm. Er war sich der großen Gefahr bewusst, der er sich aussetzte. Gegenüber Spiegel Online sagte er, er selbst sei Muslim. „Aber spielt das eine Rolle? Für einen Arzt ist das doch auch irrelevant.“ Einer anderen Zeitung sagte er: „Überall auf der Welt muss es Menschen geben, die aufstehen, wenn sie gebraucht werden.“ Schließlich veröffentlichten mehrere internationale Zeitungen einen offenen Brief von Asia Bibis Mann, und der sorgte international für Betroffenheit.

Tausende Protest-Mails aus aller Welt gingen bei der pakistanischen Regierung ein, die deutsche Bundesregierung sandte ihren Menschenrechtsbeauftragten nach Pakistan, die Stadt Paris sprach sich für die Verleihung der Ehrenbürgerschaft an Bibi aus, am Hauptgebäude der Pariser Stadtverwaltung hing ein Foto von ihr. Eine britische Online-Petition für Bibis Freilassung bekam über eine halbe Million Unterschriften. In sozialen Netzwerken posteten viele ein Selfie, auf dem sie ein Glas Wasser trinken – als Symbol der Solidarität mit Asia Bibi. Am 24. Februar 2018 empfing Papst Franziskus Asia Bibis Ehemann und seine Töchter im Vatikan.

Der Druck auf die pakistanische Regierung wuchs, doch gleichzeitig nahmen die Proteste fanatischer Moslems zu. Es gab Anschläge auf Kirchen, bei denen Hunderte Kirchenbesucher starben. Der Mob steckte in vielen Städten Autos und Läden in Brand, in Lahore versuchten sie das Parlament zu stürmen. Die Armee wurde vor dem Parlamentsgebäude und den Gerichten in Islamabad postiert. Nach offiziellen Schätzungen entstanden Schäden in Höhe von 1,2 Milliarden Euro. Zehn Millionen Pakistaner waren in jenen Tagen laut Zeitungsberichten bereit, Asia Bibi eigenhändig umzubringen.

Verfilmung erwünscht

Am 31. Oktober 2018, nach einem neun Jahre dauernden, kräftezehrenden juristischen Tauziehen, wurde Asia Bibi freigesprochen. Neun Monate später durfte sie nach Kanada ausreisen. Kaum in Freiheit machte Asia Bibi öffentlich: Trotz des unsagbaren Leids, das sie ertragen musste, vergebe sie ihren Peinigern. Und sie wies sofort auf Leidensgenossen hin: „Es gibt viele andere Beschuldigte, die Jahre im Gefängnis verbringen. Auch hier sollten die Gerichte zu deren Gunsten entscheiden.“

Wichtig ist Scheppachs Buch vor allem, weil er ein Schlaglicht setzt auf die Situation vieler Christen in Pakistan. Er gibt wichtige Hintergrundinformationen, etwa dass seit 1986 mehr als 1.200 Menschen wegen Blasphemie in Pakistan angeklagt wurden; es hockten wahrscheinlich 187 „Asia Bibis“ derzeit wegen Blasphemie in Pakistans Gefängnissen; aus religiösem Hass seien in der islamischen Republik in den letzten Jahren mindestens 28 Christen ermordet worden. Zahlreiche Kirchen und christliche Häuser wurden zerstört. Hunderte Christinnen wurden mit Muslimen zwangsverheiratet und entführt; über 1.400 Christen wurden auf offener Straße oder in ihrem Heim verprügelt.

Viele andere Beispiele, die Scheppach nennt, zeigen: In Pakistan kann es schon gefährlich werden, in einem Schulaufsatz über Mohammed ein einziges Wort falsch zu schreiben. Und wer Papier für das Kochen auf dem Herd anzündet, kann wenige Tage später vom Mob verfolgt werden, weil dazwischen zerrissene Seiten eines Koran steckten. Das eindrucksvolle Buch „Eine Frau glaubt um ihr Leben“ schildert die Umstände zwar oftmals romanhaft, aber der Leser bekommt einen Einruck davon, was Menschen in Pakistan zu erleiden haben, wenn sie auch nur in den Verdacht geraten, etwas gegen Mohammed getan oder gesagt zu haben. Vielleicht wird die Geschichte Asia Bibis ja demnächst auf Basis dieses Buches verfilmt. Es wäre ihm – und allen wegen ihres Glaubens Verfolgten – zu wünschen.

Joseph Scheppach: „Asia Bibi. Eine Frau glaubt um ihr Leben“, Brunnen, 160 Seiten, 15 Euro, ISBN 9783765507380

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