Der Eiertanz der Polit-Muttis

Die Bundespolitik ist derzeit ein schlechter Platz für Mütter. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Hanns-Seidel-Stiftung. Demnach lassen sich Mutterschaft und Berufspolitik nur schwer vereinbaren. Hauptgründe dafür sind die hohe zeitliche Belastung der Abgeordneten, die räumliche Distanz zur Familie – und die Vorurteile von Kollegen und Medien.

Von PRO

Eines vorweg: Muttersein fällt – zumindest statistisch – jeder Bundespolitikerin schwer, ganz unabhängig von der Parteizugehörigkeit. Die Ergebnisse, die die CSU-nahe Hanns-Seidel-Stiftung am Dienstagnachmittag in Berlin präsentiert hat, gelten gleichermaßen für junge Mütter wie Andrea Nahles (SPD), Kristina Schröder (CDU) oder Dorothee Bär (CSU). Sie können in etwa so zusammengefasst werden: Mütter haben es im Deutschen Bundestag schwer. Rund zwei Drittel der Abgeordneten haben Kinder. Von den 204 Politikerinnen sind 125 auch Mutter. Die meisten Kinderlosen gibt es in der Gruppe der unter 40-Jährigen. Deutsche Politikerinnen mit kleinen Kindern nennen die Verfasser der Studie "Politik mit ‚Kind und Kegel’" gar eine "Rarität". Im Durchschnitt hat jede weibliche Bundestagsabgeordnete 1,22 Kinder – das ist noch weniger als der im internationalen Vergleich ohnehin schon geringe deutsche Durchschnitt von 1,36 Kindern pro Frau.

Geheimakte Privatleben

Für die Erhebung wurden online 69 Abgeordnete befragt, mehr wollten sich zu dem Thema nicht äußern. Zusätzlich wurden deutsche Medien ausgewertet. Die Ergebnisse zeigen: Politikerinnen leiden unter der Distanz zur Familie, unter überdurchschnittlich langen Arbeitszeiten und unter dem Leistungsdruck von Kollegen, Wählern und Journalisten – und zwar nicht bezüglich ihrer politischen Leistungen. Vielmehr sind die Frauen häufig mit der Meinung konfrontiert, eine gute Mutter könne keine Politikerin sein und umgekehrt. Ein Grund für viele, ihr Privatleben geheim zu halten.

Eines der größten Probleme stellt für die meisten Abgeordneten die Distanz zwischen Wahlkreis und dem Parlamentssitz in Berlin dar. Während sie 22 Sitzungswochen pro Jahr in Berlin verbringen müssen, wird in der übrigen Zeit die Präsenz im Wahlkreis erwartet. Dazwischen liegen je nach Herkunft oft hunderte Kilometer und viele Stunden Reisezeit. So verbringen die Abgeordneten zwischen zwei und fünf Tagen pro Woche in Berlin. Viele Abgeordnete sind in dieser Zeit von der Familie getrennt. Am Heimatort versorgen in erster Linie die Lebenspartner die Kinder, in vielen Fällen unterstützt von der Familie, insbesondere den Großeltern. Kinderkrippe, Kindergarten und Hort spielen dabei nur untergeordnete Rollen, genauso wie Tageseltern oder Au-Pairs. Während bei den Männern oft die Ehefrau die Familienarbeit vollständig übernimmt, ist es bei den weiblichen Abgeordneten nicht die Regel, dass ihnen der Ehemann den Rücken von diesen Verpflichtungen frei hält und selbst auf eine Vollzeitbeschäftigung verzichtet, heißt es in der Erhebung. Freizeit ist für Politiker zudem rar, 17-Stunden-Tage hingegen häufig.

Politiker-Beruf ist nicht kinderfreundlich

Alle befragten Abgeordneten erklärten, ihr Beruf sei nicht kinderfreundlich. Als besonders belastend bewerteten sie den Rhythmus der Sitzungswochen. Mütter leiden zudem unter der Reisetätigkeit und dem Anspruch, immer und überall verfügbar zu sein. Bei all dem stehen Politikerinnen noch unter öffentlicher Beobachtung. Die Studie hält fest, dass sich Abgeordnete durch die Medien, Kollegen im Bundestag oder Wähler häufig unter Druck gesetzt fühlen. Bundesfamilienministerin Kristina Schröder erklärte dazu in der "Zeit": "Einige Menschen erwarten, dass eine Familienministerin genau darüber Auskunft gibt, wer den Pastinakenbrei anrührt und wer nachts aufsteht, wenn das Kind schreit. Wir sind wild entschlossen, diese privaten Fragen auch weiter nicht öffentlich zu beantworten." SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles gab in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" Auskunft: "Ich habe überhaupt keine Angst, meinen Job zu verlieren. Aber ich mache mir sehr wohl die gleichen Gedanken wie hunderttausend andere Frauen. (…) Jede weiß, was das für Folgen haben kann, wenn man zu lange draußen ist aus dem Job." (pro)

Helfen Sie PRO mit einer Spende
Bei PRO sind alle Artikel frei zugänglich und kostenlos - und das soll auch so bleiben. PRO finanziert sich durch freiwillige Spenden. Unterstützen Sie jetzt PRO mit Ihrer Spende.

Ihre Nachricht an die Redaktion

Sie haben Fragen, Kritik, Lob oder Anregungen? Dann schreiben Sie gerne eine Nachricht direkt an die PRO-Redaktion.

Offline, Inhalt evtl. nicht aktuell

PRO-App installieren
und nichts mehr verpassen

So geht's:

1.  Auf „Teilen“ tippen
2. „Zum Home-Bildschirm“ wählen