Der Bibel-Milliardär

Der Skandal um die abgehörten Telefone berühmter Personen durch das britische Boulevardblatt "News of the World" zieht nun auch Kreise in der christlichen Publizistik. Denn zum Unternehmen des erfolgreichsten Verlegers der Welt, Rupert Murdoch, gehört auch das internationale christliche Medienhaus "Zondervan". Am Dienstag entschuldigte sich der Medienmacher unterdessen vor dem britischen Parlament.
Von PRO

Der Verlag Zondervan, der Teil der "Evangelical Christian Publishers Association" (ECPA) ist, ist einer der größten Bibel-Herausgeber weltweit. Inhaber ist Rupert Murdochs Unternehmen "News Corporation", zweitgrößtes Medienunternehmen der Welt. Zu "News Corp." gehören unter anderem "The Times" (London), die "Sun", "The Sunday Times", "British Sky Broadcasting Group", das Filmunternehmen "20th Century Fox" und sechs Fernsehstationen. Der andere Verlag von "News Corp" neben "Zondervan" ist "HarperCollins".

Der 80-Jährige Rupert Murdoch ist seit zwei Wochen in den Schlagzeilen, weil Mitarbeiter der "News of the World" zusammen mit Privatdetektiven die Mobiltelefone nachrichtenrelevanter Personen gehackt und abgehört haben sollen. Mehr als 7.000 dieser Fälle sollen sich über die letzten Jahre ereignet haben. Weil die Zeitungen aus Murdochs Hause Fokus auf Skandale, Sex und Verbrechen legen, traf auch den Inhaber des Medienimperiums Kritik.

Murdochs "Bibel-Vermögen"

Zu Murdochs Imperium gehört seit 23 Jahren auch "Zondervan", der größte Bibel-Verlag der Welt. "Zondervan", mit Sitz in Grand Rapids, Michigan, verkauft über 500 Bibel-Ausgaben, darunter die "Soul Surfer Bible" mit Texten der christlichen Surferin Bethany Hamilton, eine Autorennfahrer-Bibel, eine Bibel im Militär-Look und die "Precious Princess Bible" für kleine Mädchen. Dem Verlag gehören die Rechte an der beliebten "New International"-Version der Bibel, von der weltweit über 300 Millionen Kopien verkauft wurden. Weitere bekannte Autoren des Verlages sind der Pastor Rick Warren, dessen Buch "Leben mit Vision" sich über 30 Millionen Mal verkaufte, Tim LaHaye, Jim Wallis, Eugene Peterson, Brian McLaren und Shane Claiborne. Laut "Forbes" hatte Murdoch im vergangenen Jahr ein privates Vermögen von 6,3 Milliarden Dollar.

Rasierschaum-Attacke

Am Dienstag standen Murdoch und sein Sohn James vor dem Medienausschuss des Unterhauses zum Abhörskandal Rede und Antwort. Sie entschuldigten sich laut "Deutscher Presse-Agentur" (dpa) bei ihrem historischen Auftritt für die Vergehen, übernahmen aber keine persönliche Verantwortung. Die fraglichen Entscheidungen seien nicht vom Top-Management getroffen worden, erklärten sie. Während der Anhörung stürmte ein Angreifer den Saal und bewarf Murdoch mit Rasierschaum. Verletzt wurde niemand. Das Erscheinen des Medienzaren gilt als Sensation. Nach Angaben des Senders BBC war es das erste Mal in den rund 40 Jahren, seit Murdoch Anteile an britischen Medien besitzt, dass er sich vor Parlamentariern verantworten musste. Der Australier mit US-Pass galt in Großbritannien bisher als nahezu unantastbar.

Nach den Murdochs trat auch deren langjährige Vertraute Rebekah Brooks vor den Ausschuss. Sie war am vergangenen Freitag als Vorstandschefin der Zeitungsholding News International zurückgetreten. Brooks betonte erneut, nichts von den illegalen Praktiken bei "News of the World" gewusst zu haben. Sie gab allerdings zu, dass die Vorfälle nach ihrem Bekanntwerden vor mehreren Jahren schneller hätten aufgearbeitet werden müssen. Brooks war von 2000 bis 2003 Chefredakteurin des inzwischen eingestellten Blatts "News of the World".

Am Mittwoch soll Großbritanniens Premierminister David Cameron vor dem Parlament Stellung nehmen. Medienberichten zufolge drohen ihm durch den Skandal erhebliche Stimmverluste. 53 Prozent der Briten sind einer am Mittwoch veröffentlichten Umfrage zufolge unzufrieden mit der Amtsführung des konservativen Premiers, das ist der höchste Wert seit seinem Amtsantritt vor einem Jahr. Cameron wird Nähe zu den Murdoch-Medien nachgesagt. Unter anderem sollen sie ihn im Wahlkampf unterstützt haben.

Hacker melden: "Murdoch tot"

Bereits am Montagabend hatten Hacker die Webseite der britischen Boulevardzeitung "The Sun" manipuliert und dort vermeldet, Murdoch sei tot. Verantwortlich war eine Hackergruppe namens "Lulz Security". Sie bezeichnete den Medienmogul als erfolgreichen Teil des "Murdoch Meltdown Monday" (zu Deutsch: Murdochs Montag des Niedergangs). "Wir haben es Sun/News of the World gezeigt", schrieben die Hacker auf Twitter.

Wie "Zeit online" berichtet, wird auch bereits über ein berufliches Ende des Medienunternehmers Murdoch spekuliert. Murdochs Tochter Elisabeth werde bereits als mögliche Nachfolgerin genannt.

"Murdoch-Skandal wirft viele ethische Fragen auf"

Der christliche Autor und Evangelist Shane Claiborne hat kein Problem damit, bei einem Verlag des Murdoch-Imperiums erschienen zu sein. In seinen Büchern "Ich muss verrückt sein so zu leben", "Jesus for President" und "Gott antwortet anders" propagiert er einen christlichen Lebensstil, der Fürsorge für Menschen am Rande der Gesellschaft und eine Ablehnung der Konsumgesellschaft beinhaltet. So näht sich der Aktivist seine Kleider selbst und reist nicht mehr mit dem Flugzeug. Sein Buch "Jesus for President", das er zusammen mit Chris Haw schrieb, gehört zu den Top-Sellern von "Zondervan".

In einem Interview mit dem Magazin "Geez" sagte Claiborne, er habe sich damals bewusst für einen großen Verlag entschieden. "Ich möchte die größte Leserschaft, die man erreichen kann", gibt er zu. "Ich will nicht einfach nur zum Kirchenchor reden." Außerdem wären seine Bücher bei kleinen Verlagen sicherlich teurer geworden. Solange ein Verlag seine Botschaft nicht verändere, könne er mit Häusern zusammenarbeiten, auch wenn er nicht mit allen deren Publikationen oder Entscheidungen übereinstimme. "Ich glaube nicht, dass man die Welt in 100 Prozent rein und 100 Prozent unrein einteilen kann."

Dennoch mache er sich seine Gedanken über den Skandal um den Konzernchef Murdoch. "Das Thema hat eine Vielzahl von ethischen Fragen aufgeworfen, und ich hoffe, dass eine Firma, deren Ziel explizit christlich ist, wie es bei Zondervan der Fall ist, die Gelegenheit nutzt und Zeugnis ablegt und zu einer Kultur zu sprechen, die so schlimm gefallen ist." Claiborne schließt es jedenfalls nicht aus, irgendwann wieder bei Zondervan zu veröffentlichen. "Es gibt Gutes und Schlechtes in jedem von uns. Wir müssen an dem Balken in unserem eigenen Auge arbeiten (…)."

Aiden Enns, der Herausgeber des Magazins "Geez" hat zu einer freiwilligen "Zondervan-Steuer" aufgerufen: Wer eine Bibel aus dem Murdoch-Haus kaufe, solle ein paar Dollar für einen guten Zweck spenden. "Nennen Sie es die Ethik-Kompromiss-Steuer", schreibt Enns, "oder die ‚Sünden-Steuer‘." (pro/dpa)

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