Der Agent der Versöhnung

Wie kein anderer Verleger hat Axel Cäsar Springer auf die Meinungsbildung im Deutschland der Nachkriegszeit Einfluss genommen. Die Religion bestimmte seine Weltsicht. Daher rührte auch seine unbedingte Solidarität mit Israel und den Juden. Seine Auffassungen machten ihn aber auch zur Reizfigur in Deutschland. Zum 100. Geburtstag ein Portrait des Verlegers.
Von PRO

"Für mich ist das Überleben des jüdischen Volkes und der Wiederaufbau des Staates Israel der Beweis, dass Gottes Versprechen in der Bibel sich erfüllen werden." Diese Worte ließ Springer am 25. September 1983 in der "Bild am Sonntag" abdrucken, nachdem er von seinem Freund in Israel, dem Jerusalemer Bürgermeister Teddy Kollek, die Auszeichnung "Bewahrer Jerusalems" entgegengenommen hatte.

Der Satz steht programmatisch für die religiös-politische Überzeugung des einflussreichsten deutschen Meinungsmachers. Wegbegleiter sehen in der Religiosität das Hauptmerkmal von Springers Persönlichkeit. Sie war ihm jedoch nicht in die Wiege gelegt, sondern gewann in der Nachkriegszeit an Profil. Erst in den späten 1970ern ist ihm nach eigenem Bekunden durch Bücher der Ordensschwester Basilea Schlink durchsichtig geworden, woher seine Zuneigung zu Israel und den Juden herrührte.

Mit Gespür zum Erfolg

In die Wiege gelegt wurde dem am 2. Mai 1912 in Altona nahe Hamburg geborenen Verlegersohn jedoch etwas anderes. Zeitgenossen sagen ihm eine sanfte und intuitive "Frauenseite" nach: Axel Springer war ein Gefühlsmensch. Sein Gespür, was die Massen lesen wollten, begründete den Erfolg seiner Zeitungen – insbesondere der ab 1952 herausgegebenen "Bild", die er nach dem Vorbild englischer und skandinavischer Boulevardblätter konzipierte.

Zu dieser "Frauenseite" kam auch der Charme, den sein Umfeld an seiner Person wahrnahm. Dandyhaft und stilvoll gab er sich, und dies entzückte die Frauen, die er im Übrigen als Eroberungen ansah. Der Lebemann Springer ging in jungen Jahren gerne und viel in die Varieté-Theater Hamburgs und Berlins. Ein Familienmensch war er indes nicht: Viermal ließ er sich scheiden, seine Kinder hatten nicht viel von ihm als Vater.

Religiöser Weltblick

Um Religion kümmerte er sich als junger Mann noch nicht. Doch auch als er sie in einer Lebenskrise für sich entdeckte, war es keine spezifisch christliche. Springer, das passt zu seiner intuitiven Seite, faszinierte die Mystik. Später konzentrierte sich sein religiöses Leben auf den christlichen Glauben, er sah Jesus als den Messias an, aber das mystische Element streifte er niemals ab. Auf der Insel Patmos, dem Ort, wo Johannes seine Offenbarung empfangen hatte, will er ein ums andere Mal unmittelbare Gotteserfahrungen gemacht haben.

Zunehmend religiös, nämlich einem Plan Gottes folgend, deutete er dann die politischen Ereignisse der Nachkriegszeit. Die Einwanderung der Juden nach Israel etwa sah er als "den Rückzug der Kinder Israel in das gelobte Land in unseren Tagen" an. Einen Kampf zwischen Gut und Böse machte er dort aus, wo der "Westen" und der "Kommunismus" miteinander fochten. Springer sah sich berufen, in diesem Kampf ein entscheidender Faktor zu sein.

In dieser Auffassung wurde er noch bestärkt, nachdem er Anfang 1958 eine Abfuhr von Nikita Chruschtschow erhalten hatte. Springer war eigens nach Moskau gereist, um dem Parteivorsitzenden der Kommunistischen Partei der Sowjetunion seinen Plan zur Wiedervereinigung Deutschlands vorzustellen. Auf die Ablehnung reagierte Springer mit der Anweisung an seine Chefredakteure, jeden Tag etwas über die Ostzone zu schreiben. Seit 1967 waren die Redakteure bei Springer darauf verpflichtet, für die Wiedervereinigung einzutreten.

Letztlich mag es die religiöse Weltsicht gewesen sein, die ihn bei seinen Kritikern zu einer Reizperson machte. Ende der 1960er Jahre sahen Kritiker zudem ein journalistisches Monopol des Springer-Verlags. Da bei der Kampagne "Enteignet Springer" auch Teile der Evangelischen Kirche mitmachten, trat Springer aus der Kirche aus und wurde Mitglied der Selbstständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK). Hier fand er, was er suchte: eine Kirche, die nicht seinen politischen Kurs kommentierte, sondern sein Gewissen ansprach.

Einsatz für Israel

Die religiöse Weltsicht Springers bürgte auch für dessen unbedingten Einsatz für die Juden und den Staat Israel. 1966 besuchte er das Land zum ersten Mal, viele weitere Aufenthalte sollten folgen. In das Land hatte er sich, wie seine Ehefrau Friede es ausdrückte, "verguckt", es wurde ihm zu einem zweiten "Vaterland". Seit 1967 sind Redakteure bei Springer auf seinen proisraelischen Kurs verpflichtet. Er selbst spendete Millionen für israelische Einrichtungen.

Hinter diesem Einsatz steckte die Auffassung, die Schuld der Deutschen gegenüber den Juden ein Stück weit abtragen zu können. Springer betonte, dass es dabei nie um Wiedergutmachung gehen könne, dies sei angesichts der Gräueltaten der Nazis unmöglich. Und beraubt hatte er sich gefühlt, nämlich um die deutsch-jüdischen Beziehungen, die unter Hitler zerstört wurden. Manche sahen in dieser Zeit bereits das Ende einer Ära. Springer hingegen wollte diese Beziehungen wieder aufblühen lassen.

Nicht nur in diesem Punkt stand Springer oftmals alleine da. Mit der unbedingten Solidarität gegenüber Israel wurde er zum Hassobjekt vieler Linker in Deutschland, was sich auch gewaltsam äußerte – es gab Brandanschläge auf Firmenwagen und Redaktionsgebäude. Springer stand mehrere Male kurz davor, aufzugeben und seinen Verlag zu verkaufen. Letzte Standhaftigkeit fand er in seinem Glauben, der ihm bewusst machte, letztlich nicht vor Menschen, sondern allein vor Gott verantwortlich zu sein. Axel Springer starb am 22. September 1985 im Alter von 73 Jahren in Berlin. (pro)

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