Damit die Erinnerung an die friedliche Revolution von 1989 nicht verloren geht, haben viele der Protagonisten von damals ihre Erinnerungen aufgeschrieben. Das Buch „Das Wunder der Freiheit und Einheit“ lässt die Geschichte von damals wieder lebendig werden. Eine Rezension von Johannes Weil
Die Grenzen sind offen: Die Menschen passieren endlich den Checkpoint Charlie
Das Buch beleuchtet die Zeit vom 3. Oktober, dem heutigen Tag der Deutschen Einheit, bis zum 9. November 1989, an dem die Mauer endgültig fiel. Viele der Aktivitäten, die zur Wiedervereinigung geführt haben, fanden unter dem Schutz der Kirche statt. Die geschilderten Ereignisse sorgen beim Leser für Gänsehaut.
Die Friedenssehnsucht der Menschen getroffen
80 verschiedene Autoren, darunter der ehemalige Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher, beschreiben ihre Sicht auf die denkwürdigen Tage im Jahr 1989. Obwohl der Staat die Menschen bedrohte, hielten sie an den Friedensgebeten fest. Pfarrer Harald Bretschneider verdeutlicht, wie das Bibelwort „Schwerter zur Pflugscharen“ die DDR ins Wanken brachte und genau die Friedenssehnsucht der Menschen beschrieb.
Die Ereignisse entwickelten eine Eigendynamik, die sich die Menschen nicht vorstellen konnten. Gewaltlos forcierten sie im Sinne der Bergpredigt eine Revolution ohne Blutvergießen. Die ersten Gespräche der Politiker mit der Basis fanden statt, und die Blockparteien begannen, sich zu emanzipieren. Viele Menschen fragten sich, ob sie versuchen sollten, das Land zu verlassen, oder ob sie dort bleiben sollten, um es von innen heraus zu verändern.
Keine Gewaltausbrüche
Das Buch beschreibt sehr gelungen das Wechselbad der menschlichen Gefühle. Brutale Maßnahmen der Polizei und dürftige Gesprächsergebnisse mit den SED-Kadern stehen auf der einen Seite, auf der anderen die leuchtenden Vorbilder für Zivilcourage an der Basis, die sich mit dem System anlegten und dagegen rebellierten. Dies seien gerade nicht die großen Gestalten der Geschichte gewesen, sondern die Durchschnittsmenschen der Region, schreibt der Sächsische Staatsminister a. D. Heinz Eggert.
Pfarrer Hans-Joachim Martens schreibt, es falle ihm dank der Ereignisse 1989 nicht mehr schwer, an Wunder zu glauben. Das Buch thematisiert zudem die Rolle der Medien beim Ende der SED-Herrschaft. Vor allem westliche TV-Anstalten und Zeitungen konnten Teile der ostdeutschen Bevölkerung aufklären und über die reale Lage damals berichten. Kirchliche Medien spielten dabei eine untergeordnete Rolle. Noch im November verpflichteten sich die ostdeutschen Medien zu schnellerer und wahrheitsgetreuer Berichterstattung: Auch dies war schon ein Wunder.
Die letzten Tage vor dem Fall der Mauer waren von spontanen Demonstrationen geprägt. Obwohl die Zahl der Kundgebungen ständig wuchs, kam es an keinem Ort zu Gewaltausbrüchen. Für den Evangelisten Theo Lehmann, der bereits die Ereignisse des 17. Juni 1953 miterlebt hat, bei denen der Aufstand der Bürger gewaltsam niedergeschlagen wurde, war dies eines der größten Wunder. Nach all den Jahren der Stagnation sei ein Fenster aufgestoßen worden, das zu begründeter Hoffnung veranlasste.
Der leidenschaftliche Einsatz für Veränderung und der Wunsch „Wir wollen nicht mehr mit der Lüge leben“ wurde zur Losung für die Menschenmassen. Wenige Minuten nach der berühmten Pressekonferenz von Günter Schabowski, die zur Öffnung der Grenze führte, erlebten alle das nächste „Wunder Gottes“, schreiben die Autoren. Die Friedliche Revolution gelang, ohne dass einer der Beteiligten zur Waffe griff. Um dieses Wunder zu feiern und sich bei Gott zu bedanken, hat sich die Initiative „3. Oktober: Gott sei Dank“ gegründet.
Zu den Ereignissen des jeweiligen Tages (das Buch beleuchtet die Zeit vom 3. Oktober, dem heutigen Tag der Deutschen Einheit, bis zum 9. November 1989 ) haben verschiedene Autoren einen Impuls auf Grundlage eines Bibelwortes verfasst. Dazu werden zwei Gebetsanliegen formuliert. Das Buch „Das Wunder der Freiheit und Einheit“ kann man nicht am Stück durchlesen, sondern man muss die einzelnen Kapitel und Tage erst einmal emotional verarbeiten, bevor man sich an das nächste Kapitel wagt. Für jeden geschichts- und an der Rolle der Kirchen interessierten Leser ist es fast schon eine Pflichtlektüre. (pro)
Harald Bretschneider, Bernd Pettinghaus, Frank Richter (Hrsg.): Das Wunder der Freiheit und Einheit – Mit Zeitzeugen auf dem Weg der Friedlichen Revolution, 320, Seiten, 16,95 Euro
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