Damit kippte die Koalition ein Gesetz der schwarz-roten
Vorgängerregierung. Vor allem Internet-Nutzer waren gegen die darin
vorgesehen Internet-Sperren Sturm gelaufen, weil sie fürchteten, dass
dies der Einstieg in eine umfassende Zensur-Infrastruktur des Staates
sein könnte. Auch die Wirksamkeit der Sperren wurde infrage gestellt.
Nach dem Regierungswechsel vereinbarten Union und FDP bereits in ihrem
Koalitionsvertrag im Herbst 2009, die Sperren zunächst nicht anzuwenden
und ein Jahr lang das Löschen zu testen, um dann über das weitere
Vorgehen zu entscheiden. Nun verabschiedet sich die amtierende Regierung
endgültig von dem Gesetz.
Es sah vor, kinderpornografische Seiten im Netz so zu sperren, dass sie zwar vorhanden, aber nicht mehr aufzurufen sind. Mehr als 134.000 Gegner unterzeichneten daraufhin eine Online-Petition. Die Kritiker warfen der Initiatorin, Ministerin Ursula von der Leyen (CDU), Zensur im Internet vor und belegten die Politikerin mit dem Spitznamen "Zensursula". Außerdem sei eine Sperre leicht zu umgehen und deshalb nicht wirksam. Zudem würde damit den Verbreitern der kriminellen Pornografie nicht das Handwerk gelegt.
Verfassungsbeschwerde eingelegt
Das Gesetz sah vor, alle großen Provider in Deutschland zu verpflichten, den Zugang zu kinderpornografischen Inhalten zu blockieren. Vor allem Gelegenheitsbesucher sollten beim Aufrufen einschlägiger Angebote abgehalten werden, indem ihnen ein virtuelles "Stoppschild" angezeigt und die Nutzung damit erschwert werden sollte. Grundlage sollte eine vom Bundeskriminalamt (BKA) erstellte und täglich gepflegte Liste sein. Auch dies war vielen Internet-Aktivisten ein Dorn im Auge. Der Bürgerrechtsverband "AK Zensur" hatte deshalb im Februar Verfassungsbeschwerde gegen das Gesetz eingelegt. Nach heftigen Diskussionen um die Wirksamkeit trat das Gesetz im Februar 2010 trotzdem in Kraft wurde aber kurz darauf für ein Jahr ausgesetzt und seither in keinem Fall angewendet.
Eines der Argumente für das Sperren war auch, dass viele kinderpornografische Websites auf Servern im Ausland liegen, auf die man in Deutschland keinen direkten Einfluss hat. Das Bundeskriminalamt hatte lange ein Problem darin gesehen, eine erfolgreiche Quote beim Löschen zu erreichen. Zuletzt teilte das BKA allerdings mit, dass binnen zwei Wochen 93 Prozent der gemeldeten Inhalte gelöscht würden, nach vier Wochen sogar 99 Prozent.
Wirklich das richtige Mittel
Die amtierende Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) begrüßte das Ende für die Sperren und feierte die Einigung als ihren Sieg. Es gebe Erfolge beim Löschen – der nun eingeschlagene Weg der Koalition sei daher richtig. Die FDP habe die Unionsfraktionen davon überzeugt, dass das "Löschen verbotener Inhalte wie kinderpornografische Abbildungen wirklich das richtige und effektive Mittel ist", sagte sie im Bayerischen Rundfunk.
Der FDP-Bundestagsabgeordnete Jimmy Schulz äußerte sich in einer Pressemitteilung deutlich: "Endlich ist Vernunft eingekehrt. Jetzt haben auch die Kritiker eingesehen, dass das Löschen der Seiten der einzig richtige Weg ist." Der nächste Schritt sei nun die Ausarbeitung eines Lösch-Gesetzes: "Unsere Forderungen, das Ermittlerpersonal besser auszubilden und auszustatten und die Zusammenarbeit mit privaten Einrichtungen sowie die internationale Kooperation zu stärken, müssen dort fest verankert werden", fordert das Parlamentsmitglied.
Das Aktionsbündnis "AK Zensur" wertete die Entscheidung als einen "Erfolg für die Vernunft". Die formelle Aufhebung sei "der einzig rechtsstaatlich saubere Schritt". Nach Einschätzung der Piraten-Partei habe bei Sperren stets die Gefahr bestanden, dass das Internet nach wirtschaftlichen Interessen zensiert werde. "Wenn eine Infrastruktur erst einmal da ist, lässt sie sich beliebig auf alle Webseiten anwenden", sagte der politische Geschäftsführer Christopher Lauer. Personen mit krimineller Energie hätten die Stoppschilder sowieso innerhalb von 30 Sekunden umgehen können.
Gemeinsame Strategie zur Bekämpfung
Bund und Länder bräuchten jetzt allerdings eine gemeinsame Strategie zur Bekämpfung von Kinderpornografie, betonte der IT-Branchenverband Bitkom. Dazu müsste es neben der Löschung von Inhalten eine effektivere Ermittlungsarbeit und Täterverfolgung sowie ein umfassender Opferschutz gehören", sagte Bitkom-Präsident August-Wilhelm Scheer. "Für ein effektives Vorgehen sind auch internationale Kooperationen besonders wichtig." Für den "Arbeitskreis Zensur" ist erst nach Vorlage des Aufhebungsgesetzes eine endgültige Bewertung möglich. (pro/dpa)