Das „Schalom“ des Kirchentages und die Realität der Politik
Bundespräsident Joachim Gauck hat am Donnerstag auf dem Kirchentag vor einer geradezu religiösen Erlösungserwartungan die Politik gewarnt. Im Streitgespräch mit dem Erfurter Soziologen Hartmut Rosa mahnte Gauck vor der Ansicht, der Mensch oder die Politik könne das „Paradies auf Erden“ schaffen.
Von PRO
4. Juni 2015
Foto: pro
Joachim Gauck auf dem Kirchentag im Gespräch mit Christ & Welt-Chefin Christiane Florin
Der Soziologe Hartmut Rosa warnte in seinem Vortrag vor einer immer währenden Verpflichtung der Gesellschaft zum Wachstum. Jeder Politiker werde bestätigen, dass es in der Wirtschaft um Wachstum und immer mehr Wachstum gehe. Das Problem sei, dass sich diese Spirale allerdings nicht bis in alle Zeit weiter drehen könne. Wettbewerb sei an sich nichts Böses, etwa im Sport. Doch die heutige Politik habe ihn zum Grundprinzip gemacht. Bei der Wahl des Studiums vieler junger Menschen gehe es nicht mehr um persönliche Interessen, sondern um die Frage: „Was kann ich damit werden?“
„Die Räder drehen sich immer schneller in der Gesellschaft“, sagte Rosa. Dieser „Steigerungszwang und der Optimierungswahn“ wirkten sich auch auf Bereiche wie Pflege oder Massentierhaltung aus, und es führe auch zu so etwas wie der Apple Watch: „Sie sagt uns, wann wir essen und wann wir uns bewegen sollten.“
„Glück ist kein Staatsziel“
Gauck indes findet im Prinzip des Wettbewerbs „nichts Unnormales“ oder Menschenfeindliches. Er sehe es als problematisch an, wenn man immer ausschließlich der Gesellschaft die Schuld zuweise oder Arbeit immer nur als Belastung und Bedrohung sehe. Er hätte es auch lieber, wenn junge Menschen Literatur und andere Geisteswissenschaften studierten. Dennoch kollidierten irgendwann viele mit der Realität und sie stellten fest: „Ich bin ein Mensch, der Geld verdienen muss, und der für seine Kinder sorgen muss.“ Gauck kritisierte: „Gerade auf dem Kirchentag verwandelt sich eine gewisse Sehnsucht nach dem ‚Schalom‘ in Forderungen an die Politik.“
Der Bundespräsident warnte, dass die Politik ihre Grenzen kennen müsse. Wenn ein Politiker mit dem Slogan werben würde: „Wählt mich, ich bringe euch das Glück!“, könne er diesen niemals wählen. „Denn keine Partei kann so ein Versprechen einhalten“, sagte Gauck. „Glück kann kein Staatsziel sein. In der amerikanischen Verfassung steht, das Streben nach Glück müsse gesichert werden, nicht das Glück selbst.“ Gauck sagte weiter: „Die Dimensionen des Vollkommenen und die Dimension des menschlich Machbaren verwechseln wir.“ Er wünsche sich weniger theologische als vielmehr soziologische Begriffe an dieser Stelle.
Auf die Frage der Moderatorin Christiane Florin, ob er lieber rede oder zuhöre, sagte der Bundespräsident unter Applaus: „Wenn ich nie zugehört hätte, könnte ich nicht reden, wie ich rede.“ (pro)
Bei PRO sind alle Artikel frei zugänglich und kostenlos - und das soll auch so bleiben. PRO finanziert sich durch freiwillige Spenden. Unterstützen Sie jetzt PRO mit Ihrer Spende.
Sie haben Fragen, Kritik, Lob oder Anregungen? Dann schreiben Sie gerne eine Nachricht direkt an die PRO-Redaktion.
Offline, Inhalt evtl. nicht aktuell
Cookie-Zustimmung verwalten
Um dir ein optimales Erlebnis zu bieten, verwenden wir Technologien wie Cookies, um Geräteinformationen zu speichern und/oder darauf zuzugreifen. Wenn du diesen Technologien zustimmst, können wir Daten wie das Surfverhalten oder eindeutige IDs auf dieser Website verarbeiten. Wenn du deine Zustimmung nicht erteilst oder zurückziehst, können bestimmte Merkmale und Funktionen beeinträchtigt werden.
Funktional
Immer aktiv
Die technische Speicherung oder der Zugang ist unbedingt erforderlich für den rechtmäßigen Zweck, die Nutzung eines bestimmten Dienstes zu ermöglichen, der vom Teilnehmer oder Nutzer ausdrücklich gewünscht wird, oder für den alleinigen Zweck, die Übertragung einer Nachricht über ein elektronisches Kommunikationsnetz durchzuführen.
Vorlieben
Die technische Speicherung oder der Zugriff ist für den rechtmäßigen Zweck der Speicherung von Präferenzen erforderlich, die nicht vom Abonnenten oder Benutzer angefordert wurden.
Statistiken
Die technische Speicherung oder der Zugriff, der ausschließlich zu statistischen Zwecken erfolgt.Die technische Speicherung oder der Zugriff, der ausschließlich zu anonymen statistischen Zwecken verwendet wird. Ohne eine Vorladung, die freiwillige Zustimmung deines Internetdienstanbieters oder zusätzliche Aufzeichnungen von Dritten können die zu diesem Zweck gespeicherten oder abgerufenen Informationen allein in der Regel nicht dazu verwendet werden, dich zu identifizieren.
Externe Inhalte / Marketing
Die technische Speicherung oder der Zugriff ist erforderlich, um Nutzerprofile zu erstellen, um Werbung zu versenden oder um den Nutzer auf einer Website oder über mehrere Websites hinweg zu ähnlichen Marketingzwecken zu verfolgen.