Das Recht auf abwegige Meinungen

Die Staatsanwaltschaft Mannheim teilte diese Woche mit, nicht gegen die AfD-Politikerin Frauke Petry zu ermitteln. Deren Äußerungen Ende Januar zum Schusswaffengebrauch an der Grenze seien von der Meinungsfreiheit gedeckt. Diese Entscheidung sollte die Auseinandersetzung mit solchen Positionen fördern. Ein Kommentar von Jonathan Steinert
Von PRO
Die EU-Außengrenze der spanischen Exklave Melilla. Was tun, wenn Flüchtlinge über den Zaun klettern? Frauke Petrys Äußerungen zur Grenzsicherung sind umstritten, aber von der Meinungsfreiheit gedeckt.
Mit ihrer Äußerung zu Schusswaffen an der Grenze hat Frauke Petry, Bundesvorsitzende der Alternative für Deutschland (AfD), wieder einmal die Empörung und die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf sich und ihre Partei gezogen. In einem am 30. Januar in der Tageszeitung Mannheimer Morgen veröffentlichten Interview wurde sie gefragt, was ein Grenzpolizist tun sollte, wenn ein Flüchtling den Grenzzaun – sollte es einmal in Deutschland einen geben – überkletterte. Sie antwortete: „Er muss den illegalen Grenzübertritt verhindern, notfalls auch von der Schusswaffe Gebrauch machen. So steht es im Gesetz.“ Auf Nachfrage erklärte sie: „Ich habe das Wort Schießbefehl nicht benutzt. Kein Polizist will auf einen Flüchtling schießen. Ich will das auch nicht. Aber zur Ultima Ratio gehört der Einsatz von Waffengewalt.“ Die Empörung über Petrys Aussagen ist gerechtfertigt, denn die sind völlig unverhältnismäßig. Auf ihrer Facebookseite rechtfertigt sie sich zwar mit dem Verweis auf das „Gesetz über den unmittelbaren Zwang bei Ausübung öffentlicher Gewalt durch Vollzugsbeamte des Bundes“. Dort ist auch der Schusswaffengebrauch an der Grenze geregelt, allerdings deutlich eingeschränkter, als sie es in den Raum gestellt hat. Geschossen werden darf demnach nur, wenn sich Personen der wiederholten Weisung, anzuhalten, oder einer Personenüberprüfung „durch die Flucht zu entziehen versuchen“.

Meinungsfreiheit statt Volksverhetzung

Petry kann nicht behaupten, sie sei von der Zeitung falsch dargestellt worden. Sicher, andere Medien haben dieses Zitat herausgegriffen und aufgebauscht. Aber das Interview im Mannheimer Morgen hat sie selbst freigegeben, wie die Zeitung dokumentiert. Der Presserat wird das auch noch einmal überprüfen. Was Petry sagte, ist nicht frei von politischem Kalkül. Im Grunde hat sie darüber hinaus verraten, dass die AfD auch kein Konzept zur Lösung der Flüchtlingsproblematik hat. Bei der Staatsanwaltschaft Mannheim gingen nach dem Interview vier Strafanzeigen gegen Petry wegen Volksverhetzung ein. Am Mittwoch hat die Staatsanwaltschaft mitgeteilt, keine Ermittlungen einzuleiten. Die Äußerungen seien keine Volksverhetzung und Petry rufe nicht zu Straftaten auf. Selbst „als abwegig und sogar gefährlich empfundene Meinungen“ sind von der Meinungsfreiheit gedeckt, begründet die Staatsanwaltschaft. Das ist ein wichtiges Signal. Denn bei allem Kopfschütteln über derart undifferenzierte und populistische Aussagen: Meinungen dürfen nicht einfach tabuisiert werden. Sondern eine demokratische Gesellschaft sollte sich umso mehr herausgefordert fühlen, sich mit diesen Positionen auseinander- und überzeugende Argumente entgegenzusetzen. Empörung allein hilft hier niemandem außer der AfD selbst. Leider haben die anderen Parteien und auch einige Medien im Umgang mit der AfD oft nicht viel mehr zu bieten. (pro)
https://www.pro-medienmagazin.de/fernsehen/detailansicht/aktuell/ekd-chef-streitet-mit-afd-politikerin-94772/
https://www.pro-medienmagazin.de/kommentar/detailansicht/aktuell/leere-stuehle-sind-ein-zeichen-94746/
https://www.pro-medienmagazin.de/journalismus/detailansicht/aktuell/petry-beklagt-zerrbild-in-der-berichterstattung-91221/
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