Das „Philosophie-Magazin“ fragt nach Gott

Das "Philosophie-Magazin", das seit einem Jahr auf dem Markt ist, hat sich in der aktuellen Ausgabe dem Thema Gott gewidmet. Es kommen Philosophen, gläubige und nichtgläubige, zu Wort. Die Theologin Margot Käßmann streitet mit dem Religionskritiker Herbert Schnädelbach.
Von PRO

Das "Philosophie-Magazin" will nach eigener Aussage allgemein verständliche Texte über Philosophie mit aktuellen Berichten und Lebensberatung verbinden. Es erscheint alle zwei Monate. Die Redaktion mit Sitz in Berlin sieht sich ausdrücklich "keiner Weltanschauung, Ideologie, Religion, politischer Richtung oder Partei verpflichtet". Die Ausgabe Nr. 1/2013 stellt als Titelthema die Frage "Gott – Eine gute Idee?".

Chefredakteur Wolfram Eilenberger stellt im Leitartikel fest: "Wer ernsthaft die zentrale Bedeutung der Religion für unsere Gegenwart infrage stellen will, möge zuvor die Zeitung lesen: ‚Gott‘ dominiert dort das Geschehen." Er sehe auf der einen Seite oft einen radikalen "Glaubensfundamentalismus", auf der anderen einen naiv wissenschaftsgläubigen Atheismus. Die reflektierende Mehrheit verweile jedoch "in einer religiösen Zwischenzone", so Eilenberger. Diese halte es ganz pragmatisch: Die Frage sei nicht, ob es Gott gibt, sondern ob er (für mich) nützlich ist. Eilenberger gibt zu: "Nicht wenige tief religiöse Menschen werden diese vollendete Pragmatisierung und Subjektivierung (‚es funktioniert für mich‘) als Verkehrung, ja geradezu als Perversion ihres wahren Glaubens empfinden." Es bleibt die Frage, ob es nicht irgendwo doch eine endgültige Instanz sitzt, an der sich moralische Fragen entscheiden. Eilenberger nennt Beispiele: "Wie wären in Fragen der Gentechnik, pränatalen Leibesoptimierung oder auch der Menschenrechte unbedingte Grenzen zu markieren, wenn nicht unter Zuhilfenahme religiös getränkter Begriffe wie etwa ‚Schöpfung‘ oder ‚Gabe‘?" Doch es bleiben für den Autoren "Begriffe", die dann als Argumente herangezogen werden. Kein personaler Gott.

Gott in der Philosophie

Das Magazin stellt in kurzen Abschnitten die Einstellungen bekannter Philosophen zu Gott nebeneinander. Platon etwa habe stets von einem "Demiurgen" gesprochen, der als Schöpfergott das Chaos unterwarf. Auch für Aristoteles muss es einen Anfang allen Seins gegeben haben, er nannte ihn "unbewegter Beweger". Für Anselm von Canterbury war Gott sogar beweisbar, nämlich dadurch, dass die Eigenschaft des Existierens notwendigerweise einem vollkommenen Wesen zukommen müsse. René Descartes hielt es für unmöglich, dass sich der Mensch Unendlichkeit überhaupt nur vorstellen könne, ohne dass es das Ewige gibt, sprich: Gott. Für den Philosophen Gottfried Wilhelm Leibniz war der Begriff Gott vor allem ein Name für den Schöpfer einer durch und durch logisch ablaufenden Welt.

Im Interview erklärt der Oxforder Religionsphilosoph Richard Swinburne, warum der Theismus, also der Glaube, dass es einen Gott gibt, für ihn nur logisch ist. Es stelle schlicht "die einfachste und deshalb wahrscheinlich wahre Erklärung für unsere Existenz" dar, ist Swinburne überzeugt. Dabei sei Gott ebenso eine Person mit einem eigenen Willen wie jeder einzelne Mensch. Die Frage, warum es Böses auf der Welt gibt, beantwortet der Philosoph so: "Es wäre ein hohes Gut, dem Menschen einen freien Willen und damit Verantwortung für sich und füreinander zu geben – wie es sich ein guter Vater auch für seine Kinder wünschen wird. Er sei davon überzeugt, dass es Gott gefalle, von den Menschen gepriesen zu werden. "Wenn ich meinen Kindern etwas gebe, erwarte ich von meinen Kindern ja auch, dass sie sich bei mir bedanken."

Glaube – Heuchelei oder Rettung in der Not?

Das Magazin hat zudem fünf Menschen nach ihrem persönlichen Verhältnis zur Religion befragt. Die 38-jährige Annette Beckmann sagt, dass sie mit Anfang 20 aus der Kirche ausgetreten sei. "Doch beim Tod meiner Großmutter änderte sich meine Haltung: Ich war beeindruckt, wie viel die Institution Kirche den Hinterbliebenen an Halt und Trost zu bieten hatte." Außerdem biete die Kirche Orientierung und klare Normen. Da trat sie wieder ein. Ursula von Hammerstein, 68 Jahre, musste miterleben, wie ihre Tochter bei einem Unfall ums Leben kam. Seitdem sei es ihr unmöglich, Gott zu loben, schreibt sie. Der 35-jährige Jérôme wiederum erklärt: Nach häufigem Cannabis-Konsum habe er einen "geistigen Zusammenbruch" erlitten. Die Treffen bei den "Anonymen Alkoholikern" hätten ihm geholfen und ihn auch spirituell auf die Suche gebracht. "Jeden Morgen wähle ich ein Zitat aus der Bibel oder einem anderen spirituellen Werk und lasse meinen Tag davon leiten", schreibt er. "Die Idee Gottes gibt meinem Leben Richtung."

"Gott war der erste Firmenchef"

Dem französischen Essayisten Jean-Claude Guillebaud und dem israelischen Philosophen Avishai Margalit hat das "Philosophie-Magazin" die Frage gestellt: "Brauchen wir Gott in der Politik?" Guillebaud ist überzeugt, dass die Demokratie "Natur gewordenes Christentum" sei. Er bekennt: "Ich bin Christ, friedliebend, denke aber nicht, dass sich das Christentum deswegen als politische Bewegung konstituieren muss." Der Israeli Margalit ist überzeugt: "Man sollte Gott aus der Politik heraushalten." Derzeit strebten die Religionen danach, die verlorene Macht im politischen Raum wieder für sich zu erobern. Das sehe er im Islam und auch bei den "Evangelisten [sic!] in den USA".

Der tschechische Ökonom und Philosoph Tomáš Sedláček beantwortet die Frage: "Brauchen wir Gott in der Wirtschaft?": "Gott spielt in der Ökonomie eine zentrale Rolle." Sedláčeks Buch "Die Ökonomie von Gut und Böse" ist ein internationaler Bestseller. Schon die zentralen Begriffe des christlichen Glaubens "Vergebung und Erlösung" seien "in Wahrheit ökonomische Begriffe", so der Tscheche. "Säumige Schuldner mussten sich einst unter das Sklavenjoch begeben und konnten diesem Zustand nur wieder entfliehen, wenn sich ein sogenannter Erlöser für sie fand, der sie freikaufte." Weiter fragt der Ökonom: "Ist es etwa Zufall, dass zwei Drittel der Parabeln, die Jesus Christus erzählt, von ökonomischen Problemen handeln?"

Der norwegische Soziologe und Ökonom Jon Elster sagt im Interview, Gott erscheine beim Philosophen Leibniz wie ein Investor, der die Welt "als beste aller möglichen Welten" erschaffen habe, um seinen Gewinn zu maximieren. Somit wäre Gott "der erste Firmenchef" gewesen. Elster lehrt an der Columbia University in New York und am Pariser Colège de France.

Käßmann: Christentum ist Freiheitsreligion, keine Angstreligion

Das Magazin hat die evangelische Theologin und Botschafterin für das Reformationsjubiläum 2017, Margot Käßmann, zu einem Streitgespräch mit dem Religionskritiker Herbert Schnädelbach gebeten. Schnädelbach nennt die Lehre von der Erbsünde eine "schwere Hypothek" für die Philosophie und die Pädagogik. Käßmann erwidert, dass die Frage dennoch im Raum stehe, warum der Mensch zwar grundsätzlich Gutes wolle, aber Schlechtes tue. Schnädelbach, der Professor für Philosophie an der Humboldt-Universität zu Berlin war, geht "die Rede vom Segen des Christentums" nach eigener Aussage "auf die Nerven". Das Christentum sei nämlich nicht so harmlos. Auch mit dem Begriff Sünde könne er nichts anfangen. Käßmann erklärt, dass es Sünde sei, wenn der Mensch glaube, ohne Gottesbezug leben zu können. Das Christentum sei für sie keine Angstreligion, sondern eine Freiheitsreligion. Schnädelbach wendet sich gegen die Ansicht, es könne ein metaphysisches Naturrecht geben, aus dem man Moral und Ethik ableiten könne. Auch die Philosophie könne keine Rezepte geben, aber sie könne beraten und zum selbstständigen Denken und Entscheiden anleiten. Für die Theologin Käßmann schließen sich Vernunft und Glaube indes nicht aus. "Ich denke, dass Luther sehr deutlich gemacht hat, dass der Mensch denken darf und denken soll. Luther wollte einen gebildeten Glauben, keinen Glauben aus religiöser Erfahrung oder aus Dogma." Letztendlich könne das eigene Fragen und Denken zum Glauben an Gott führen, ist sie überzeugt. (pro)

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