Die Verfolgung gegen Christen in China sei 2012 gegenüber dem Vorjahr, gemessen an den Vorfällen, um 42 Prozent gestiegen, heißt es in einem Bericht von „China Aid“. Meistens habe es sich dabei um Maßnahmen gegen christliche Kleinkirchen gehandelt. Die Zahl der Aktionen gegen einzelne Christen sei um 14 Prozent gestiegen. „China Aid“ geht jedoch davon aus, dass es sich bei diesen Statistiken nur um die „Spitze des Eisbergs“ handelt.
„China Aid“ ist eine Non-Profit-Organisation, die sich für das Recht auf freie Religionsausübung in China einsetzt. Gegründet wurde „China Aid“ 2002 von dem chinesischen Pastor “Bob” Xiqiu Fu. Er wurde selbst sechs Jahre zuvor wegen „illegaler Evangelisation“ angeklagt, was ihn zur Flucht in die USA zwang. Er war einer der Studentenführer, die im Jahr 1989 auf dem Tiananmen Platz in Peking für Freiheit und Demokratie in China demonstrierten.
In dem Bericht heißt es, dass bei 132 Vorfällen 4.919 Christen im vergangenen Jahr von Verfolgung betroffen gewesen seien. Es seien 1.441 Christen festgenommen worden, besage die Statistik. Neun von ihnen seien verurteilt worden. Von 37 Christen wird berichtet, dass sie verbal, psychisch oder physisch gequält worden seien.
Christen in Peking stark betroffen
In Peking habe es die größte Zahl von Christenverfolgung gegeben. Von dort wurden 934 Fälle berichtet. In der Region Xinjiang Uyghur im Nordwesten Chinas habe es 11 Vorfälle gegeben, bei denen insgesamt 382 Christen betroffen gewesen seien. Christenverfolgung sei ebenfalls in Zentralchina häufig, wo insgesamt 1.056 Christen Repressalien erlitten hätten. In den Provinzen Shandong, Anhui, Zhejiang, Jiangsu und Jiangxi sollen demnach 750 Christen direkte Verfolgung durch die Regierung erlitten haben. In dem Bericht heißt es weiter, die Christenverfolgung in China sei 2012 um 61 Prozent schlimmer gewesen als 2010 und sogar 85 Prozent schlimmer als 2009.
Der neue Generalsekretär der Kommunistischen Partei Chinas, Xi Jinping, behandele Christen genau so wie sein Vorgänger, sagte ein Mitglied der „Shouwang“-Kirche in Peking, die seit über zwei Jahren vom Staat belästigt wird. Das Kirchenmitglied berichtet gegenüber dem Magazin „Morning Star News“, dass der Gründungspastor Jin Tianming seit April 2011 unter Hausarrest stehe. Er dürfe seine Wohnung in West-Peking, die von zwei Polizisten bewacht wird, seitdem nicht mehr verlassen.
Im Jahr 2012 startete Peking laut „China Aid“ ein dreistufiges Programm gegen die Kirchen. In den Gruppen sieht die Regierung Staatsfeinde und will sie dazu zwingen, sich dem staatlichen „Patriotismus“-Programm TSPM anzugliedern, dem auch die offiziell anerkannte Protestantische Kirche Chinas angehört. Demzufolge müssen die Christen finanziell von ausländischen Organisationen unabhängig sein und ihre Missionsarbeit muss sich auf China beschränken. Die Richtlinien erlauben es der chinesischen Regierung seit den 50er Jahren, die organisierten christlichen Kirchen zu kontrollieren.
In der ersten Phase von Januar bis Juni 2010 beobachtete die Behörde für Religionsangelegenheiten (SARA) heimlich die Hauskirchen im Land und legte Akten über sie an. Dem folgte eine zweite Phase: eine Welle von Verboten von Hauskirchen, die bis jetzt anhält. Phase 3 sei von dem Ziel bestimmt, in zehn Jahren alle Hauskirchen in China abgeschafft zu haben.
An die Regeln halten
Martin Lessenthin, Vorstandssprecher der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) bestätigte gegenüber pro: „Die Unterdrückung verschiedener Glaubensgemeinschaften durch chinesische Behörden und Sicherheitsbehörden hat zugenommen.“ Lessenthin fügte jedoch hinzu: „Stärker noch als Christen sind in China buddhistische Tibeter, muslimische Uiguren und Falun Gong-Anhänger Opfer von antireligiöser Diskriminierung und Verfolgung.“
Auch das christliche Hilfswerk „Open Doors“, das sich für verfolgte Christen weltweit einsetzt, relativiert den Bericht von „China Aid“ gegenüber pro. Die Einschätzung, dass die Lage der Hauskirchen im allgemeinen 2012 schwieriger geworden ist, decke sich nicht mit den Berichten, die er aus China habe, sagte Daniel Ottenberg, Analyst von „Open Doors“, gegenüber pro. „Natürlich sitzen weiterhin Dutzende Christen wegen Ihres Glaubens im Gefängnis. Aber die meisten Christen aus der ethnischen Gruppe der Han, welche rund 90 Prozent der Bevölkerung ausmachen, berichten von einer weitgehenden Freiheit, sofern man sich an bestimmte Regeln hält“, so Ottenberg. Er ergänzt: „Große Probleme erleben dagegen Christen aus ethnischen Minderheiten wie etwa die muslimischen Uiguren oder die Tibeter.“
Ottenberg weist zudem darauf hin, dass der Begriff „Christenverfolgung“ ein dehnbarer Begriff sei. Die meisten der im Bericht von „China Aid“ genannten Fälle beinhalteten zumindest ein Element der Beteiligung an Politik oder hingen damit zusammen, dass ausländische Christen an Zusammenkünften teilgenommen hätten. „Dies wird vom Regime immer als ‚politisch‘ angesehen, besonders, wenn sich Christen auch für die Menschenrechte einsetzen“, so Ottenberg. Man dürfe Repressalien wegen politischer Aktivitäten aber nicht mit „Christenverfolgung“ verwechseln.
Das Hilfwerk mit Sitz in Kelkheim hält es für unwahrscheinlich, dass das Regime in Peking seine Kraft darauf verwende, Tausende von Hauskirchen aufzulösen. Der sehr prominente Fall der Shouwang-Kirche in Peking sei ein Einzelfall geblieben, erklärte Ottenberg. Die Gemeinde habe sich nicht an die (ungeschriebenen) Regeln gehalten. (pro)