Das „C“: Kritik an Merkel, Mahnungen an die CDU

Vor ihrer Klausur zum Jahresauftakt Ende dieser Woche debattiert die CDU über die politische Linie ihrer Parteivorsitzenden, Bundeskanzlerin Angela Merkel. Nicht nur parteiintern kam die deutliche Forderung, mehr Rücksicht auf die Konservativen zu üben – auch ein prominenter Kirchenvertreter fand deutliche Worte.
Von PRO
Der Münchner Erzbischof Reinhard Marx profiliert sich immer mehr als Kirchenmann der deutlichen Worte. Schon in seiner Neujahrspredigt rief er etwa zu einer "neuen intensiven Evangelisierung unseres Landes" auf: Ohne den Blick auf Jesus Christus werde Deutschland seine Orientierung verlieren. Die Botschaft des Glaubens sei kein Restbestand aus vormodernen Zeiten, sondern notwendige Quelle, die nicht durch Unterhaltungsindustrie, Sport oder materiellen Wohlstand ersetzt werden könne. Und: "Eine Gesellschaft, die materielle Verbrauchsgüter ins Zentrum stellt, verliert ihre Kultur."

In der aktuellen Ausgabe des Hamburger Nachrichtenmagazins "Der Spiegel" widmet sich Marx nun der CDU. Jener Partei, die das "C" in ihrem Namen trägt und auch immer wieder betont, warf der Münchner Erzbischof jedoch vor, sich mit ihrer Politik immer weiter von christlichen Grundsätzen zu verabschieden. "Was mir fehlt, ist ein dezidiertes Bekenntnis zum christlichen Glauben und zur Kirche", sagte Marx in einem "Spiegel"-Interview. Im CDU-Grundsatzprogramm sei jedoch ganz allgemein von "christlichen Werten" die Rede. Marx: "Das ist mir viel zu wolkig." Er kritisierte, dass sich die CDU zu sehr vom Leitbild der Ehe verabschiedet habe, und sagte zur Förderung berufstätiger Mütter: "Ich glaube nicht, dass es der Weisheit letzter Schluss ist, schon einjährige Kinder in die Krippe zu stecken. Die Politik geht in die Irre, wenn sie den Menschen vorgaukelt, man könne alles zugleich haben: Karriere, hohes Einkommen und Kinder."

Insgesamt habe die Kritik von Kanzlerin Merkel am Papst wegen dessen Umgang mit dem britischen Bischof und Holocaust-Leugner Richard Williamson zu schweren Verstimmungen bei der Katholischen Kirche geführt. "Wir alle waren verärgert. Der Papst hatte sich völlig eindeutig zu den inakzeptablen Äußerungen von Bischof Williamson geäußert. Ich hielt es deshalb nicht für angebracht, dass sich die Kanzlerin in die Debatte einmischt."

CDU-Landespolitiker: "Christliches Wertefundament betonen"

Deutliche Worte waren auch in einem "offenen Brief" von CDU-Politikern in der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" zu lesen. Unterschrieben ist der Beitrag von Christean Wagner, Steffen Flath und Mike Mohring, den Vorsitzenden der CDU-Fraktionen im Hessischen, Sächsischen und Thüringer Landtag sowie Saskia Ludwig, der stellvertretenden Vorsitzenden der CDU-Fraktion im Brandenburgischen Landtag.

Die vier Landespolitiker zeigen darin etwa die aus ihrer Sicht ausschlaggebenden Gründe für das schlechteste Wahlergebnis der CDU bei der Bundestagswahl im vergangenen Jahr seit 1949 auf. "Die Union konnte viele ihrer treuesten Wähler nicht mehr an sich binden. Die Strategie der Parteispitze zielte nicht auf Stammwähler, sondern ausschließlich auf mögliche Wechselwähler von der SPD", schreiben die vier Politiker. "Die gewonnene bürgerliche Mehrheit und das daraus folgende Handlungspotential verdecken jedoch das enttäuschende Wahlergebnis der Union. 33,8 Prozent der Zweitstimmen bedeuten für die Union das schlechteste Ergebnis nach 1949. Im Vergleich zu dem unbefriedigenden Ergebnis von 2005 (35,2 Prozent) wurden noch einmal fast zwei Millionen Wählerstimmen verloren." Diese Wähler seien zum großen Teil zur FDP abgewandert – oder seien erst gar nicht zur Wahl gegangen. Und an Merkel direkt richteten sie die Anmerkung: "Der präsidiale Stil der Kanzlerin brachte ihr zwar hohe Popularitätswerte, aber wenig parteipolitische Identifikation."

Weitaus gewichtiger als die Analyse des aktuellen Wahlergebnisses ist jedoch die Kritik an der politischen Ausrichtung ihrer Partei insgesamt. Wagner, Flath, Mohring und Frau Ludwig schreiben: "Als Ursache für die Schwäche der Union wird oft ein nachhaltiger und tiefgreifender sozialer und kultureller Wandel angeführt, der im Laufe der letzten Jahrzehnte zu einer Individualisierung und Pluralisierung der Gesellschaft geführt habe. Solche Verweise führen zu unzutreffenden Schlussfolgerungen. Es ist zweifelhaft, ob gesellschaftliche Veränderungen innerhalb weniger Jahre historische Tiefststände bei Wahlergebnissen zur Folge haben. Denn dann müsste man weitere Verschlechterungen bei Wahlen widerstandslos hinnehmen. Wer der Union wohlwill, soll die Ursachen für schlechte Wahlergebnisse bei der Union und nicht bei den ‚Verhältnissen‘ suchen."

Aus ihrer Sicht bestehe die "größte Herausforderung" darin, "die konservativen und wirtschaftsliberalen Stammwähler zurückzugewinnen". Grundsätzlich müsse die Bedeutung der "kulturellen Leistung ‚Demokratie‘ sowie des christlichen Wertefundaments unserer Gesellschaft" klar herausgestellt werden.

Gröhe: "Kritik erleichtert politischem Gegner die Mobilisierung"


Freilich teilten nicht alle CDU-Politiker die Kritik. CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe sagte etwa der "Bild am Sonntag": "Scharfkantige Polarisierungen wärmen zwar das Herz der eigenen Anhänger, erleichtern aber auch dem politischen Gegner die Mobilisierung." Schleswig-Holsteins CDU-Ministerpräsident Peter Harry Carstensen erklärte in Kiel: "Ohne die hohe Popularität von Angela Merkel, die sie sich gerade mit ihrem Führungsstil erarbeitet hat, hätten wir die Bundestagswahl nie gewonnen."

Am Donnerstag und Freitag wird die Diskussion hinter verschlossenen Türen fortgesetzt. Dann kommt die CDU zu einer Klausur zusammen – in der insbesondere die Bundestagswahl 2009 analysiert werden soll. (pro)
https://www.pro-medienmagazin.de/politik.html?&news[action]=detail&news[id]=2461
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