Das „Arche“-Projekt: Den Kreislauf der Armut durchbrechen

In Deutschland leben 2,6 Millionen Kinder und Jugendliche auf Sozialhilfeniveau. Um ihnen zu helfen, gründete der evangelische Pastor Bernd Siggelkow 1995 das christliche Kinder- und Jugendwerk "Arche" in Berlin. Die Geschichten der "Arche"-Kinder beschreiben Bernd Siggelkow und der Journalist Wolfgang Büscher in dem Buch "Deutschlands vergessene Kinder". pro-Redakteurin Ellen Nieswiodek-Martin hat mit Pastor Siggelkow über seine Erfahrungen gesprochen - und darüber, wie man den Kreislauf der Armut durchbrechen kann.
Von PRO

pro: In den vergangenen Monaten sind die Medien auf das Thema Kinderarmut aufmerksam geworden. Haben die Berichte über die Arche dazu beigetragen?

Bernd Siggelkow: Wir wissen, dass viele Diskussionen in der Politik durch die Arche angeregt wurden. Zahlreiche Politiker haben sich bei uns informiert und uns besucht. Der UN-Sonderbotschafter Vernor Munoz war 2006 zu Gast bei uns. Er hat übrigens das deutsche Schulsystem scharf kritisiert, weil die Bildungschancen von Kindern in Deutschland stark von ihrer Herkunft und ihrer sozialen Schicht abhängen.

pro: Wolfgang Büscher beschrieb im Vorwort, wie er nach einem Besuch bei Ihnen mit dem „Arche-Virus“ infiziert wurde. Inzwischen unterstützen auch viele Prominente die Arche. Sind Sie zufrieden mit der öffentlichen Aufmerksamkeit oder könnte es noch mehr werden?

Siggelkow: Es kann nie genug über Kinderarmut gesprochen werden, denn Kinder sind die Zukunft der Gesellschaft, man kann sie nicht einfach ihrem Schicksal überlassen.

„Wenn nicht mal ein Politiker Bescheid weiß…“

pro: Armut ist in unserem reichen Land ein schwieriges Thema. Unter den Besserverdienenden herrscht die Meinung vor, in unserem Sozialstaat könne es keine wirkliche Armut geben. „Die HartzIV-Empfänger können einfach mit Geld nicht umgehen“ ist die landläufige Auffassung.

Siggelkow: Vor kurzem erzählte ich in einer Fernsehsendung von einer allein erziehenden Mutter von sieben Kindern, HarztIV-Empfängerin, die kein Geld hatte, um eine neue Waschmaschine zu kaufen. Der Minister für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, Horst Seehofer, ebenfalls Gast in der Sendung, sprach mich hinterher an. Er war davon überzeugt, dass es so etwas in unserem Land nicht gäbe. Vier Wochen später rief er bei mir an, um sich zu entschuldigen. Er hatte den Sachverhalt recherchiert und herausgefunden, dass es tatsächlich keine Möglichkeit gab, der Familie die Waschmaschine zu bezahlen. Wenn nicht mal ein Politiker Bescheid weiß, wie es den HartzIV-Empfängern geht, wie soll das dann ein normalverdienender Mensch nachfühlen?

pro: Ein Großteil der Familien mit geringem Einkommen besitzt einen teuren Fernseher, Handy und DVD-Recorder, hat dafür aber kein Essen im Kühlschrank. Woran liegt das?

Siggelkow: Sie und ich identifizieren uns mit dem, was wir sind. Diese Menschen identifizieren sich mit dem was sie haben. Fernsehen ist ihr Lebensinhalt, mehr haben sie auch nicht, denn Anerkennung im Job, Erfolgserlebnisse und Kontakte fehlen.

Der Beginn des „Arche“-Projekts

pro: In Ihrem Buch beschreiben Sie, wie Sie mit Ihrer Familie auf dem Land gelebt haben, dann aber in den 5. Stock eines Berliner Hochhauses gezogen sind. Wie kam das?

Siggelkow: 1991 bat mich eine Berliner Freikirche, als Jugendreferent bei der Gründung einer Kirche für junge Leute, die mit Gott nichts zu tun haben, mitzuhelfen. Was ich dann in Ostberlin erlebte, erschütterte mich. Ich fand Resignation und Hoffnungslosigkeit vor. Als ich nach Hause fuhr, hat mich der Gedanke nicht losgelassen: Das ist der Ort, wo wir gebraucht werden. Es hat dann noch ein Jahr gedauert, bis wir tatsächlich umgezogen sind.

pro: Aber erst drei Jahre später haben Sie die Arche gegründet.

Siggelkow: Ja, so lange haben wir nach Menschen gesucht, die das Projekt mit uns realisieren. Wir haben im Wohnzimmer begonnen, zogen dann in einen kleinen Laden, später in einen Jugendclub. 2001 fanden wir das große Schulgebäude, in dem wir noch sind.

pro: Viele der Kinder, die Sie beschreiben, wachsen ohne Vater, aber mit wechselnden Partnern der Mutter auf. Was ist los mit den leiblichen Vätern, die sich nicht um ihre Kinder kümmern?

Siggelkow: Immer mehr junge Leute sind beziehungsunfähig – weil sie selber wenig mitbekommen haben. In Westdeutschland lebt die dritte oder vierte Generation in Sozialhilfe. Da sind die Familien nicht so stabil, wie dies früher einmal war. Sie wissen nicht, wie das Leben funktionieren könnte. Es fehlen Werte und Vorbilder.

pro: Der christliche Glaube ist Ihnen sehr wichtig: Wie vermitteln Sie den Kindern etwas davon?

Siggelkow: Einmal pro Woche findet die Kinderparty statt. Dort versuchen wir, die Kinder mit christlichen Werten zu konfrontieren, erzählen und erklären ihnen Geschichten mit biblischem Inhalt. Genauso wichtig ist unser Vorbild. Wenn mich jemand fragt, was mich antreibt, erzähle ich, dass der Glaube an Gott mein Motor ist. Authentische Mitarbeiter sind das Wichtigste für die Kinder. Nicht alle unsere Angestellten sind gläubig, interessanterweise aber fragen die Kinder jeden Mitarbeiter: „Bist Du Christ?“. Wenn dann die Mama krank ist, kommen sie zu dem Christen und hoffen, dass sein Gebet etwas nutzt.

pro: Vielen Dank für das Gespräch!

Das ganze Interview lesen Sie in der aktuellen Ausgabe des Christlichen Medienmagazins pro. Sie sind noch kein Bezieher? Dann bestellen Sie die pro kostenlos und unverbindlich: Telefon (06441) 915-151, Fax: -157, E-Mail: info@pro-medienmagazin.de

Informationen über die „Arche“ gibt es im Internet: www.kinderprojekt-arche.de

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